Sehnsuchtsland ganz ohne Kitsch - Italien-Fotoschau im Historischen Museum

2 Min
Fotograf Ulrich Weichert vor seinen Exponaten Fotos: Matthias Hoch
Fotograf Ulrich Weichert vor seinen Exponaten Fotos: Matthias Hoch
 
 
 
 
 
 
 

Mit Fotografien von Ulrich Weichert aus "Italien! Italien? Italien." startete das Historische Museum in die neue Ausstellungssaison. Die aktuelle Fotoschau bietet alles andere als Dolce Vita, Pizza und Goethes Zitronen.

Der buddhistische Mönch im römischen Petersdom fasziniert. Oder die alten Frauen beim Dorftratsch neben der Hauswand mit den überdimensionalen Todesanzeigen. Oder der überraschte Schuster am offenen Werkstattfenster. Das alles sind urtümliche Szenen, keine Postkartenidyllen aus dem Sehnsuchtsland der Deutschen, das schon Goethe mit seinem Versepos "Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen" beschwärmt hat.

"Italien! Italien? Italien." titelt diese Ausstellung von 78 überwiegend Schwarz-Weiß-Fotografien im Historischen Museum, die am Freitagabend in Anwesenheit des Fotokünstlers Ulrich Weichert eröffnet wurde. Wobei der Begriff "Künstler" nichts damit zu tun hat, dass Weichert seine Bilder irgendwie bearbeitet, retuschiert oder Ausschnitte macht. Er hält die Kamera auf Personen, Objekte, Straßenszenen, wie sie ihm spontan begegnen. Zum richtigen Zeitpunkt den Auslöser drücken und mit großer Empathie dann die Geschichte hinter dem Motiv bildnerisch erzählen: Das ist die Kunst, die Ulrich Weichert meisterhaft beherrscht.

Der langjährige Leiter der Bildredaktion im Bundespresseamt (bis Juli 2013) widmet sich den Männern und Frauen auf der Straße, an ihren Arbeitsplätzen oder in Momenten der Muße. Dabei geht er nicht dogmatisch vor, sondern Situationsbedingt. Dann kann es auch eine farbige Abendstimmung mit untergehender Sonne geben.
Mit dem Fachausdruck "street photography" beschreibt Tobias Schmid diese überaus beeindruckenden Fotoserien Weicherts.

Schmid, wissenschaftlicher Volontär am Historischen Museum, hat die Italien-Ausstellung kuratiert. Gemeinsam mit Ulrich Weichert teilte er die analogen und digitalen Fotos in drei Werkkomplexe auf, die sich in ihrem Entstehungsort sowie der fotografischen Vorgehensweise unterscheiden. Eindringliche Porträts entstanden in der kleinen Gemeinde Altidona, Kleinstadtrhythmen in Olevano Romano und in Rom aussagekräftige Alltagsszenen, die von einem Leben erzählen, das sich vor allem draußen abspielt.

Meisterschaft im Detail

Die Bilder von Ulrich Weichert "haben nichts Gezwungenes, nichts Über-Gewolltes in sich", betonte der Kurator in der Vernissage. Wer die Bilder betrachte, entdecke die Details und damit das Meisterhafte daran. Ulrich Weichert gelinge es immer wieder, "Momente festzuhalten, die ganze Romane erzählen", sagte Tobias Schmid. Es wäre unmöglich, so machen dieser "Schnappschüsse" künstlich zu inszenieren.

Für Museumsdirektorin Regina Hanemann hat Ulrich Weichert - einstiger Meisterschüler der Fachhochschule für Kunst und Design in Köln - mit "einfach guten Fotos" das "Leben an sich in Italien eingefangen", ohne Sozialkitsch zu erzeugen. "Weichert lässt die Menschen, die er sieht, sein wie sie sind", erklärte Hanemann. Er rücke sie allerdings ins Blickfeld, "und das macht er sehr elegant und subtil".

Bürgermeister Wolfgang Metzner (SPD) macht klar, dass diese Ausstellungseröffnung zugleich eine deutsche Premiere war. Denn in dieser Zusammenschau werden Weicherts Italien-Reminiszenzen das erste Mal hierzulande gezeigt. Wo sonst auch als gerade in Bamberg, "wo Kaiser Heinrich II. sein neues Rom errichten ließ, im Schatten unseres Petersdoms und inmitten der Kurienhöfe des fränkischen Vatikans", wie der Bürgermeister launig bemerkte.

Metzner weitete den Blick der Betrachter: "Die Aufnahmen fesseln, machen aber durchaus auch nachdenklich". Denn sie würden nicht das Zerrbild vom lockeren Dolce Vita bei Sonnenschein und gutem Essen zeigen, sondern die großen Herausforderungen eines von Wirtschaftskrise, Landflucht und demografischem Wandel getroffenen Landes und seiner Gesellschaft. Die Bilder "schärfen den Blick für Fragen, die auch uns, unsere Stadt und unser Land betreffen", so der Bürgermeister.

Gleichwohl lässt sich auch Versöhnliches für die Italiensehnsucht in den Weichert-Fotos finden, genügend "glühende Goldorangen im dunklen Laub" und "sanfter Wind vom blauen Himmel", um Goethe noch einmal heranzuziehen. Diesem Verlangen nach Zitronenhain und Bibione-Strand trug die Formation "Mezzo Sciabeso" (Georg Leumer und Sandra Russ) während der Vernissage auch musikalisch Rechnung: Klingendes Italien! pur.

Ort und Zeit Die Fotografien von Ulrich Weichert "Italien! Italien? Italien." sind bis zum 1. November 2015 im Historischen Museum (Alte Hofhaltung), Domplatz 7, Dienstag bis Sonntag von 9 bis 17 Uhr zu sehen. Zu der Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm.

Internet Weiteres unter www.museum.bamberg.de