Seelsorger durch und durch

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Prälat Josef Richter ist bis zum heutigen Tag als Seelsorger aktiv. Foto:Marion Krüger
Prälat Josef Richter ist bis zum heutigen Tag als Seelsorger aktiv.  Foto:Marion Krüger

Am 26. Juli feiert Prälat Josef Richter sein 65-jähriges Priesterjubiläum. Mit seinen bald 90 Jahren ist der frühere Domkapitular jung im Herzen geblieben.

Aufrecht und sicheren Schritts kommt Josef Richter der Besucherin auf der Treppe zu seiner Wohnung im ersten Stock entgegen. "Meine tägliche Gymnastik", lächelt er und steigt behände die Stufen wieder hinauf. Gleichwohl nimmt der Prälat, der am 12. August seinen 90. Geburtstag begehen kann, für das Plauderstündchen Platz in einem gemütlichen Lehnstuhl: "Was möchten Sie wissen?", fragt er mit wachen Augen hinter den Brillengläsern.

Es entspannt sich ein Gespräch mit einem weise gewordenen Mann, der in seinen Ansichten und Analysen des Zeitgeschehens ein jung gebliebenes Herz offenbart. Jetzt feiert Prälat Josef Richter - ehemaliger Dompfarrer und Domkapitular - sein 65-jähriges Priesterjubiläum: Am 26. Juli 1953 wurde er von Erzbischof Josef Otto Kolb im Dom geweiht, zusammen mit 15 weiteren Diakonen. Eine Zahl, die heute nur in Erstaunen versetzt. War es denn damals leichter für einen jungen Menschen, zu einer Berufung zu stehen?

"Wie man es nimmt, teils ja, teils nein", kommt die Antwort. Denn all diese frischgebackenen Priester entstammten einer Generation, die das sogenannte Dritte Reich hautnah erlebte "und durch das Feuer gegangen ist, nicht nur durch das Kanonenfeuer!". Trotz oder wegen der Nazi- und Kriegszeit habe es viele gegeben, die Priester werden wollten, erklärt Richter nachdenklich. Als einer der letzten Zeitzeugen erzählt er von seinem eigenen Schicksal.

Von seinem schon früh verspürten Wunsch, Priester zu werden. Um dann als sechzehnjähriger Schüler des Erzbischöflichen Knabenseminars Ottonianum als Luftwaffenhelfer eingezogen zu werden. Die Jugend war vollends dahin, als er mit seiner Einheit nach Auschwitz verlegt wurde und allmählich durchsickerte, welches Grauen im nahe gelegenen KZ herrschte. Prälat Richter spricht leise von "seelischem Schaden", traumatischen Erlebnissen, die gerade im hohen Alter gegenwärtiger werden.


Gegen rechte Parolen

Umso energischer wendet sich der Senior gegen "die rechten Parolen heute": "Das haben wir damals erlebt, und allmählich traue ich bestimmten Gruppen in Deutschland alles zu! Auch manchen Politikern! Das ist a Schand!" Josef Richter beklagt, dass "unsere Gesellschaft zu wenig feste Grundsätze und Werte hat": "Das Christliche wollen viele nicht gelten lassen!" Er fordert den Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen ein: "auch die der Priester!"

Und die der Frauen - gerade in der Kirche! Viele Jahre war Josef Richter auch Diözesan-Frauenseelsorger und Geistlicher Beirat des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Sein unverkrampftes Verhältnis zu Frauen und sein Verständnis für ihre Forderungen nach Gleichstellung gipfeln denn auch in seinen Ausführungen über "Diakoninnen, die es zu Beginn der Kirche gegeben hat und heute wieder geben sollte". Mündet in dem Satz: "Wenn Frauen geschlossen aus der Kirche emigrieren, bleibt nichts mehr übrig."

Der erfahrene Seelsorger - "Leute-Pfarrer" wird er gern genannt - plädiert für ausgebildete Laien in der Kirche, "die das Terrain bis an die Grenze bearbeiten und nicht immer gleich nach dem Priester rufen sollen". Josef Richter formuliert Sätze wie: "Was nicht mehr zeitgemäß ist, muss man nicht unbedingt am Leben erhalten". Oder: "Gott sei Dank gibt es keine Frontstellung mehr zwischen Katholiken und Evangelischen."

Und der Jubilar sagt ebenfalls, dass "man auch loslassen muss". Er selbst hat einiges an Aufgaben, Ämtern, Träumen, Plänen in neun Lebensjahrzehnten aufgeben müssen. Doch nie habe er an seiner Priesterberufung gezweifelt, betont Prälat Richter, der bis zum heutigen Tag als Seelsorger in den
Seniorenheimen Antonistift und Bürgerspital sowie im Klinikum am Michelsberg aktiv ist. Zumal es ihm nach eigenen Worten "gesundheitlich unverdient gut geht".

So hat er zu seinem 65. Priesterjubiläum und kommenden 90. Geburtstag nur den einzigen Wunsch: "Dass ich meinen Verstand behalten darf!" Geschenke möchte er nicht: "Ich habe alles!"


Dankgottesdienst

Am Donnerstag, 26. Juli, ist die übliche Abendmesse um 19 Uhr im Dom auch der Dankgottesdienst, den Prälat Josef Richter anlässlich seines 65. Priesterjubiläums feiert. Mit ihm zelebrieren seine Nachfolger als Dompfarrer, Gerhard Förch und Markus Kohmann, sowie Erzbischof Ludwig Schick, der auch die Predigt hält. Anschließend besteht die Möglichkeit zur Gratulation und persönlichen Begegnung. Das Parken auf dem Domplatz ist erlaubt. mkh