Der 27-Jährige aus Bamberg ist in elfter Generation Gärtner und geht mit Bio-Gemüse seinen eigenen Weg. Beim Gärtnern hat der Stadtrat auch einen großen Schatz gefunden.
Der Meister-Prüfer macht gerade die Meisterprüfung. So wie vor 220 Jahren. Im Betrieb seines Sohnes. Vorsichtig setzt Michael Niedermaier die Spatenstiche. 20 Kilo Süßholzwurzeln will er aus der Erde holen. Die Ernte kauft ein Likörfabrikant. Diese Arbeit verlangt Geduld und beinahe die Vorsicht eines Archäologen. Genommen werden nur die zwei bis drei Jahre alten Seitenwurzeln.
Eine Süßholzgrundwurzel unverletzt ausgraben war in Bamberg Teil der Meisterprüfung - als noch die Gärtnerzunft für die Abnahme zuständig war.
Michael Niedermaier, Vorsitzender der Prüfungskommission für die Gärtner-Meisterprüfung (Zierpflanzenbau) in Nordbayern, holt später das gerahmte Blatt aus dem Meisteraufnahme-Buch von 1795 und liest ohne zu stocken den in altdeutscher Schrift verfassten und mit vielen Schmuckbögen verzierten Text vor. Darin aufgeführt als einer der Neu-Meister: Sebastian Niedermaier.
"Schon immer Gemüsegärtner"
Zehn Generationen später schaut ein anderer Sebastian mit auf die Urkunde. 27 Jahre alt jst der selbstständige Gärtnermeister, der jetzt die Anbauflächen (Freiland und Gewächshaus) in der Mittelstraße bewirtschaftet. Dazu kommen Felder in der Nord- und in der Südflur, insgesamt rund 30 000 Quadratmeter.
Zurück zu den Wurzeln und noch einen Schritt weiter gegangen ist er. Für ihn stand nach einigen Praktika fest, dass er die Familientradition fortführen wollte, aber nicht die Baumschule seines Vaters. "Wir waren schon immer Gemüsegärtner. Und das sollte auch meine Zukunft sein". Sebastian Niedermaier hat sich auf Bio-Gemüse spezialisiert und baut seine Erzeugnisse nach den Vorgaben des Bioland-Verbands an.
Nie bereut
Bereut hat er diesen Schritt nicht. Auch wenn ihn so mancher gewarnt hatte. Allen voran Vater Michael. "Bio-Gemüse - bist du wahnsinnig, hat er gesagt. Da wirst du ja nie fertig mit der Arbeit", lacht der junge Gärtnermeister, der jetzt vom Vater gern unterstützt wird, wann immer es geht. Umgekehrt hilft der Junior in der Baumschule mit, wenn er gebraucht wird.
Im Winter beginnt sein Arbeitstag gegen 6 Uhr mit dem Ausliefern (im Sommer fängt er manchmal schon ab 4 Uhr mit dem Ernten an). Produziert wird für Gastronomie und Naturkostgeschäfte in Bamberg und dem Umland, vor allem aber für den eigenen Hofladen. Im Anschluss ans Frühstück gegen 7 Uhr geht es mit Ernten, Waschen und Vorbereiten des Hofladens weiter. Verkauft wird nur, was selbst angebaut wurde.
Arbeiten in Freiland und Gewächshäusern schließen sich an und am Nachmittag wird nochmals ge
erntet: für die Auslieferung am nächsten Morgen.
"Tja, und dann ist es ja jetzt ab halb fünf dunkel", sagt Sebastian Niedermaier und holt tief Luft. "Dann beginnt die Büroarbeit. Und die ist nicht ohne!" Das Dokumentieren nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. "Wann was auf welchem Feld gepflanzt und wie gedüngt wird und welche Pflanzenschutzmaßnahmen erfolgen. Alles wird vom Bioland-Verband kontrolliert.
Seit 2014 Stadtrat
Im Sommer, wenn wir bis in den späten Abend ernten, bleibt mir manchmal nur, das Gepflanzte auf dem Feld mit dem Handy zu fotografieren, damit ich später die Daten nachtragen kann. Und die Stadtrats-Arbeit ist ja auch noch zu erledigen." Sebastian Niedermaier ist seit 2014 Ratsmitglied für die SPD.
Schon in der Ausbildung von 2005 bis 2008 ging sein Weg Richtung "Bio": in der LWG Bamberg (staatlicher Versuchsbetrieb für Bio-Gemüsebau). In dieser Zeit absolvierte er auch ein Praktikum in der Schweiz in einem großen Gemüsebau-Betrieb (halb bio, halb konventionell).
Praktikum auf Teneriffa
Von 2008 bis Ende 2010 sammelte er Berufserfahrung in einer Hamburger Baumschule, bei einem Frischkräuter-Produzenten auf Teneriffa, bei einer Bamberger Gärtnerei im konventionellen Gemüsebau und bei einem Bioland-Obstanbauer und Fruchtsafthersteller am Ammersee.
Gar nicht mehr aufhören zu strahlen kann er, wenn er von seiner Zeit auf Nantucket Island an der Ostküste der USA erzählt. Auf der "Bartletts Ocean View Farm" hat er nicht nur ein halbes Jahr gearbeitet, sondern auch seine Andrielly, eine Brasilianerin, kennengelernt. Ihr Bruder war dort Gartenbau-Ingenieur. Junge Gärtner aus 60 Nationen arbeiteten in dem Betrieb.
Wieder in Deutschland, hat Sebastian Niedermaier seinen Gärtnermeister in der Fachrichtung Gemüsebau gemacht.
Hochzeit in Brasilien
Solche Erfahrungen zu sammeln, wie er damals in Amerika, das würde er jungen Leuten gern in Bamberg ermöglichen. "So zu arbeiten, mit vielen interessanten Menschen von überall her, war unglaublich toll. Das ist das Schöne am Gärtner-Sein: Wer einmal das Grundprinzip der Arbeit, die er machen soll, verstanden hat, kann in der ganzen Welt tätig sein, egal ob er die Landessprache gut spricht oder nicht".
Die nächsten Tage jedenfalls werden für die ganze Familie Niedermaier international. Sebastian und Andrielly sind seit April ein Ehepaar. Und Anfang Januar ist in Brasilien die kirchliche Trauung.