ÖPNV-Test: Einsame Reise in den Steigerwald

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Foto: Markus Klein
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Einkaufen und Arzttermine: Der Rufbus wird vor allem von älteren Menschen genutzt, weiß Johannes Oberst.
Einkaufen und Arzttermine: Der Rufbus wird vor allem von älteren Menschen genutzt, weiß  Johannes Oberst.
 

Mit dem Bus kommt man nur vor- und nachmittags nach Schönbrunn im Steigerwald. Die Nutzer freuen sich deshalb über den Rufbus, der die Gemeindeteile der Verwaltungsgemeinschaft Burgebrach verbindet. Am Wochenende geht ohne Auto gar nichts.

Während die Regentropfen über die Seitenfenster rinnen, werden Felder und Wälder mehr, Häuser und vor allem Geschäfte weniger. Auch die Fahrgäste im zur Mittagszeit nur zu einem Viertel besetzen Bus steigen nach und nach aus ins nasse Grau und bringen ihre Einkaufstüten mit bunten Logos in Walsdorf, Trabelsdorf und Lisberg ins Trockene. Als ich nach 45 Minuten Fahrt "Willkommen in Schönbrunn im Steigerwald" auf dem von einem kleinen roten Ziegeldach geschützten Ortsschild lese, sitzt außer mir nur noch ein weiterer Passagier im Bus der Linie 989 von Bamberg nach Schönbrunn - obwohl in der Gemeinde immerhin 1835 Menschen leben.

"Ich muss jeden Montag mit dem Bus nach Bamberg in die Tagesklinik und wieder zurück. Außer mir steigt hier fast nie jemand zu oder aus", sagt der einsame Passagier Norbert Bahmer (Name geändert). Zudem fährt der Bus nur sechs Mal mal am Tag, vier Mal davon vormittags. "Meine Arzttermine muss ich nach dem Busfahrplan richten, etwas anderes bleibt mir nicht übrig." Wenn er mit seiner Frau in Bamberg ausgehen will, wird es schwierig: Der letzte Bus fährt freitags um 18.40 Uhr. "Bei der Sandkerwa zum Beispiel ist das wirklich nervig. Da müssen wir Taxi fahren." Das koste zwischen 40 und 50 Euro, je nach Verhandlungsgeschick. Am Wochenende fährt gar kein Bus nach Schönbrunn. "Natürlich fände ich es gut, wenn der Bus öfter fahren würde", sagt Bahmer. "Aber das wird sich nicht lohnen, außer mir fährt ja niemand."

Die Bahmers besitzen zwar ein Auto, das braucht aber die Ehefrau, um zur Arbeit zu pendeln. Ihre Einkäufe erledigen sie deshalb meist abends, in Burgebrach. Denn: "Hier in Schönbrunn gibt's ja nichts mehr", sagt Bahmer und deutet auf ein Haus mit leerer Fensterfront: "Der Metzger ist weg" - der Finger wandert die Ortsstraße entlang zum nächsten leerstehenden Gebäude - "der Laden ist weg." Nur den Bäcker gibt es noch, der zusätzlich auch den kleinen Bedarf abdeckt, etwa Milch, Mehl oder Zucker. "Da kann man hin, wenn man im Supermarkt etwas vergessen hat." Bei dringendem Einkaufsbedarf oder wenn Norbert Bahmer in die Steigerwaldklinik muss, fährt er mit dem Rufbus. "Den nutze ich etwa fünf Mal im Monat. Das funktioniert prima!"

Rufbus verbindet Gemeindeteile

Das muss ich natürlich testen. Der Rufbus fährt 27 Gemeindeteile der Verwaltungsgemeinschaft Burgebrach an, zu der auch Schönbrunn gehört. Für 1,50 Euro pro Fahrt. Allerdings nur montags bis freitags, jeweils von 8 bis 12 Uhr und von 14 bis 18 Uhr. Am Wochenende bleibt man in Schönbrunn ohne Auto also ziemlich abgeschottet. Und an diesem Montag verbringe ich noch eine halbe Stunde in einer Gastwirtschaft und höre zu, wie ein Jugendlicher seiner Mutter den Social-Media-Dienst "Snapchat" erklärt, bevor mich der Rufbus abholt und zu einem Supermarkt nach Burgebrach bringt.

Als Auswärtiger hätte ich mir ohne Internet schwer getan, von den Fahrzeiten und der Nummer des Rufbusses zu erfahren. Bei den Einheimischen ist er jedoch bekannt - und beliebt, wie Fahrer Johannes Oberst erzählt, der seit fünf Tagen als Praktikant die Menschen der Burgebracher Gemeindeteile verbindet. Seine Arbeitsstelle in Bamberg hat er gekündigt. "Der Job hier macht voll Bock", freut er sich über seine neue Aufgabe. Oberst kommt aus der Gemeinde, aus Ampferbach. Zu seiner Arbeit als Fahrer fährt er mit dem Fahrrad. Zu seiner Jugendzeit sei es mit der Bustaktung "noch schlimmer" gewesen, allerdings gab es dort auch im Ort noch mehr Geschäfte, Kneipen, gesellschaftliches Leben als heute. "Meistens fahre ich ältere Menschen zum Einkaufen oder zu den Ärzten, gibt es ja alles fast nur noch in Burgebrach", sagt Oberst. Im Rufbus-Büro sitzen außer ihm noch drei Kollegen. "Bei Bedarf springt auch mal ein Busfahrer ein, der gerade nicht fahren muss", sagt er.

Nach knapp sieben Minuten erreichen wir den Supermarkt in Burgebrach. Wäre ich auf den Bus angewiesen, hätte ich eine Stunde länger in der Gaststätte verbringen müssen - und wäre dann eineinhalb Stunden unterwegs, erst nach Debring und dann mit einer anderen Linie weiter. Das dauert ein paar Minuten länger als der Fußweg. Von hier komme ich mit dem Bus zurück nach Bamberg. 20 Minuten dauert die Fahrt. 20 Minuten lang habe ich die 32 Sitze des kleineren Reisebusses für mich alleine.

Infos zum ÖPNV in Schönbrunn im Steigerwald

Buslinien Schönbrunn im Steigerwald (1835 Einwohner) wird von den Buslinien 989 und 988 angefahren. Die Linie 989 fährt von und nach Bamberg. Taktung nach Bamberg Zwischen 5 und 9 Uhr vormittags fahren vier Busse nach Bamberg. Außerdem einer am Mittag (12:05 Uhr) und einer am Abend (17.45 Uhr). Am Wochenende fährt kein Bus. Taktung von Bamberg Von Bamberg (u.a. Bahnhof, Schranne, Hohes Kreuz) fährt ein Bus am Vormittag (6.15 Uhr), einer am frühen Mittag (11.15 Uhr) und sechs Busse zwischen 13 und 18.40 Uhr. Am Wochenende fährt kein Bus. Fahrtdauer Die Fahrtdauer beträgt je nach angefahrenen Haltestellen zwischen 35 und 50 Minuten.

Weitere Busverbindungen Von Schönbrunn fährt außerdem die Linie 988 unter der Woche vormittags um 6.56 Uhr zur Realschule in Ebrach. Dieselbe Linie fährt am Nachmittag um 13.02 Uhr zur Burg in Lisberg. Am Wochenende fährt auch diese Linie nicht.

Rufbus Zwischen den Gemeindeteilen der Verwaltungsgemeinschaft Burgebrach fährt ein Rufbus. Dieser bedient montags bis freitags jeweils von 8 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr verschiedene Haltestellen in Burgebrach an, darunter zwei Supermärkte und die Steigerwaldklinik. Bestellen kann man den Rufbus unter der Telefonnummer 09546 444. Burgebrach Der Kernort der Verwaltungsgemeinschaft wird deutlich häufiger von Bussen angefahren, zwischen 6 und 18 Uhr mit einer Taktung von 30 bis 60 Minuten. Nur am Abend und am Wochenende fahren kaum Busse.

Infos zur ÖPNV-Serie "Abgefahren"

Leserthema Wir haben die FT-Leser gefragt, welche Themen sie in der Region bewegen. Am häufigsten wurde die unzureichende Anbindung der Landkreisgemeinden an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) genannt. Selbsttest Unsere Reporter gehen in verschiedene Landkreis-Gemeinden und prüfen, wie man nach Bamberg und in die Nachbargemeinden kommt und was sich die ÖPNV-Pendler wünschen. Wir wollen auch feststellen, wie der ÖPNV im Vergleich zu anderen Landkreisen bewertet wird und welche Alternativen es zu Auto, Bus und Bahn gibt. Einladung Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Schreiben Sie uns Lob und Kritik zum ÖPNV an redaktion.bamberg@infranken.de. Ziel Am Ende soll ein Katalog an Forderungen entstehen, mit dem wir die Entscheidungsträger konfrontieren.