Niedertracht und Hoffnung - "Jüdisches in Bamberg"

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Thorarollen aus dem 19. Jahrhundert. Fotos. Ronald Rinklef
Thorarollen aus dem 19. Jahrhundert. Fotos. Ronald Rinklef
Porträt des Hopfenhändlers Emanuel Dessauer (1881).
Porträt des Hopfenhändlers Emanuel Dessauer (1881).
 
Die jiddische Zeitung "Undzer Wort" von 1946.
Die jiddische Zeitung "Undzer Wort" von 1946.
 

Die Ausstellung "Jüdisches in Bamberg" in der Villa Dessauer beleuchtet die wechselvolle 1000-jährige Geschichte der religiösen Minderheit in der Domstadt. Ein großer Wurf bei eher bescheidener Quellenlage.

Alle Annäherungen an die Geschichte der religiösen Minderheit von Menschen mosaischen Glaubens in Deutschland sind mit dem Gedanken an eine Katastrophe belastet, die Schoah. Man könnte auch böse sagen: Erst als die Täter im Grab lagen, begann man sich in großem Maßstab mit der Geschichte der Juden, ihrer Vertreibung und Vernichtung zu beschäftigen.

Wie dem auch sei, nach den bedeutenden Büchern Karl-Heinz Misteles und Herbert Loebls über die Juden in Bamberg ist die Ausstellung in der Villa Dessauer sicher der beherzteste Versuch, die wechselvolle Geschichte dieser seit 1000 Jahren in Bamberg ansässigen, über die Jahrhunderte oft schikanierten, bestenfalls widerwillig geduldeten Minderheit in der Domstadt zu beleuchten. Ein für hiesige Ressourcen großes Unternehmen mit Rahmen- und schulpädagogischem Programm sowie opulent ausgestattetem Begleitbuch.
Angestoßen hat die Exposition die Direktorin der städtischen Museen Regina Hanemann; kuratiert Timo Saalmann.

Er hat seine Sache gut und mit großer Sorgfalt gemacht, wenngleich die Ausstellungs-Macher bedauern müssen, dass durch die Verfolgungen "viel Jüdisches verloren gegangen" sei. Was bedeutet, dass die zwölf Ausstellungsräume der Villa Dessauer nicht gerade überladen sind. 98 Nummern verzeichnet das Begleitheftchen mit Erläuterungen zu den Exponaten. Man hätte sich auch etwas mehr Informationen zu der armen jüdischen Unterschicht gewünscht - doch die hat ebenso wie die der christlichen Klassengenossen wenig Spuren hinterlassen.

Häuser haben ihre Schicksale, und dieses in besonderem Maße. Ein nicht unerheblicher Teil der Ausstellung nämlich ist der Geschichte der Villa in der heutigen Hainstraße gewidmet. 1885 bezog der Hopfenhändler Carl Emanuel Dessauer mit seiner Familie das Gebäude, so wie der ganze Straßenzug von jüdischen Repräsentativbauten geprägt war. Um 1939 erwarb der jüdische Fabrikant Max Pretzfelder die Villa; er wurde 1941 ermordet, das Haus von der Wehrmacht okkupiert. Nach dem Krieg verkaufte es ein Sohn Pretzfelders an die Stadt Bamberg. Dies ist nur ein Beispiel für die ambivalente Geschichte des jüdischen Bamberg. Die Ausstellungsmacher haben sich entschieden, durch die Geschichte der Bamberger Juden chronologisch zu führen. Allerdings sollte man, sofern man nicht über umfangreiche Vorkenntnisse gebietet, schon etwas Zeit mitbringen, um die Begleittexte zu studieren, sich in den Plänen etwa zur Lokalisation der Bamberger Synagogen oder auf dem überdimensionalen Computer-Display am Ende der Ausstellung zu orientieren.

Mit Fragmenten der Bamberger Synagogen beginnt der Weg, der gleich in eine Geschichte der Niedertracht mündet, denn 1938 wurde der 1910 eingeweihte, prächtige Bau in der Herzog-Max-Straße gebrandschatzt. Fotografien und Postkarten dokumentieren das repräsentative Ensemble. Exotisch muten die liturgischen Gegenstände im nächsten Raum an. Kidduschbecher, Besamimbüchse, Hawdalazeiger, Thorarollen stammen aus den Arsenalen des Bamberger Historischen Museums; neben diversen Leihgebern hat auch der Historische Verein viel beigesteuert. Ein Antipode liegt gleich daneben: der 1938 im "Stürmer"-Verlag erschienene "Giftpilz", ein antisemitisches Hetz-Kinderbuch.

Porträts bedeutender Bamberger dokumentieren die jüdische Emanzipation im 19. Jahrhundert, wie anhand der Biografien von Joseph Marquard Treu, Adalbert Friedrich Marcus und Franz Ludwig von Hornthal die Geschichte einiger prominenter Konvertiten geschildert wird. Gezeigte Rarissima sind eine hebräische Schuldenquittung aus dem Jahr 1322 für den Bamberger Bischof und ein Flugblatt, das eigens zur Bekehrung zweier Bamberger Juden 1577 verfasst worden ist. Antijüdische Hetze und immer wieder Verfolgungen gab es bereits in Mittelalter und früher Neuzeit; auch der durch einen "Stadtritter in Eisen" belegte Patriotismus vieler Juden im Ersten Weltkrieg, ihre gemeinnützigen Stiftungen, ihre Einbettung ins Wirtschaftsleben nützte ihnen später nichts, wie bedrückende Fotografien von der Verhaftung jüdischer Bürger in Bamberg nach dem Novemberpogrom 1938 zeigen. Davon schreibt Erika Löbl nichts, deren Tagebuch aus den Jahren 1937 bis 1943 in einer Reproduktion zu lesen ist, ein bisher kaum bekanntes Dokument. Für viele hoch interessant dürften die "Displaced Persons" sein, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Bamberg untergebracht waren und eine eigene Zeitung auf Jiddisch herausgaben.

Insbesondere nach 1989 wuchs die jüdische Gemeinde in Bamberg, und Persönlichkeiten wie Chriss Fiebig und Heinrich Olmer sorgten für Annäherung und Aussöhnung. Auch dies wird in der Ausstellung gezeigt, die auch eine aktuelle, Zuversicht streuende sein will. Gabrielle Rossmers Installation "In Search of the Lost Object" setzt einen grandiosen Schlusspunkt unter ein bedeutendes und verdienstvolles Unternehmen.