Mit Europa baden gehen: So viel EU-Gelder stecken in der Region Bamberg

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Der seit 2012 betriebene Naturbadesee in Frensdorf wurde zu über 50 Prozent mit EU-Geldern finanziert. Ronald Rinklef/Archiv
Der seit 2012 betriebene Naturbadesee in Frensdorf wurde zu über 50 Prozent mit EU-Geldern finanziert.  Ronald Rinklef/Archiv

Die Europäische Union ist weit weg? Mitnichten. Ob Landesgartenschau in Bamberg oder Naturbadesee in Frensdorf: EU-Fördergelder stecken in vielen großen und kleinen Projekten in der Region. Ein Überblick.

Sonne im Gesicht, Sand auf der Haut, Abkühlen im Wasser: Dazu muss man nicht ins Flugzeug steigen. Bald geht das auch wieder im Landkreis Bamberg, etwa am Naturbadesee in Frensdorf. "Da spart man sich den Urlaub im Ausland", schrieb Lukas in der ersten Badesaison 2012 ins Gästebuch auf der Vereinshomepage. Doch dachte Lukas beim Baden an die Europäische Union?

Projekte im Landkreis

Etwa 300 000 Euro kostete die Umwandlung des Gemeindeweihers in einen Badesee. 55 Prozent der Kosten (166 000 Euro) finanzierte die EU über Leader-Mittel zur Stärkung der ländlichen Regionen in Europa. Aus diesem Fördertopf bekam der Landkreis Bamberg seit 2007 knapp 2,4 Millionen Euro. Damit wurden beispielsweise der Schulbauernhof in Heinershof, der "Awo-Garten der Begegnung" in Rattelsdorf, Radtour- und Wanderbeschilderungen, die barrierefreie Bibliothek in Oberhaid und der Sieben-Flüsse-Wanderweg mitfinanziert.

Hinzu kommen viele weitere Projekte, die nicht über die LAG im Landratsamtvermittelt wurden, die sich um die Leader-Förderungen kümmert. So investierte die EU zusätzlich 3,6 Millionen Euro in die Untere Naturschutzbehörde, 850 000 Euro flossen an den Landschaftspflegeverband.

Von der Idee zur Förderung

Um die Leader-Förderung im Landkreis kümmert sich LAG-Manager Jochen Strauß. Zu ihm kommen Gemeinden und Vereine mit ihren Ideen. "Es gibt fast nichts, was man nicht fördern könnte", sagt Strauß. Von der Idee bis zum Antrag ist es aber ein langer Weg: Nach einer ersten Besprechung werden Punkte vergeben, bei Erreichen einer Mindestpunktzahl wird die Idee im Vorstand der LAG vorgestellt - "die erste große Hürde", nennt es Strauß, denn die Entscheidungen fallen nicht immer einstimmig. Im zehnköpfigen LAG-Vorstand sitzen Gemeindevertreter, Vereine und Verbände. Die Mehrzahl muss aus der Gesellschaft und nicht der Politik kommen. Stimmt die Mehrheit der Vorstände für die Idee, wird mit Bürgerbeteiligung ein Entwicklungskonzept verfasst. Dann stellt Strauß einen Antrag. EU-Prüfer sehen sich dann das Projekt an.

So auch in Frensdorf, erzählt Georg Dorn aus dem Vereinsvorstand vom Naturbadesee, während er Zigarettenstummel aus dem Sand entfernt. Der inzwischen 300 Mitglieder starke Verein brachte seine "Wirtshausidee" im Gemeinderat ein. Die Mitglieder sorgen stetig dafür, dass den Besuchern der Badespaß erhalten bleibt und finanzieren einen Teil der Kosten durch Spenden, etwa den 6000 Euro teuren Spezialsand auf dem Beachvolleyball-Feld.

Bamberg geht diesmal leer aus

Bevor es losging, sahen sich EU-Prüfer vor Ort die Pläne an und sorgte etwa dafür, dass der Beachvolleyball-Platz nun weiter weg von der Badestelle ist, als ursprünglich angedacht. "Dort verausgaben sich bald die Jüngeren, während die Älteren im Schatten die Boccia-Kugeln rollen", freut sich Dorn auf den gemeinsamen Sommer, aufs Grillen mit Seeblick zum Sonnenuntergang, das er jedem empfehle. "Wir machen das hier nicht für uns, sondern für alle." Doch im Gemeinderat habe es auch einige Gegner gegeben, entsprechend gelegen kamen dem Verein die EU-Mittel.

Ganz Bayern profitiert erheblich von den Geldern. In der derzeitigen Förderperiode (2014 bis 2020) erhält der Freistaat 793 Millionen Euro aus den Struktur- und Investitionsfonds. Hinzu kommt die Förderung für den ländlichen Raum. Dorthin fließen 1,5 Milliarden Euro.

Im Gegensatz zum Landkreis bleibt die Stadt Bamberg in der aktuellen Förderperiode allerdings ein "weißer Fleck auf der bayerischen EU-Mittel-Verteilungskarte": Es gibt keinerlei EU-Gelder, wie Birgit Scheer mitteilt, die im Kämmereiamt für das Fördermanagement zuständig ist. "EU-Fördermittel hören sich großartig an. Die Realität sieht aber leider oft anders aus."

Im vorherigen Zeitraum 2007 bis 2013 kam Bamberg allerdings auch nicht schlecht weg: 1,9 Millionen Euro erhielt die Stadt. 900 000 Euro gab es für die Landesgartenschau 2012, der Bamberg die Erba-Insel in ihrer heutigen Form verdankt. Weitere EU-finanzierte Projekte waren das Rückhaltebecken in Gaustadt (167 000 Euro), das Projekt "Jugend Stärken im Quartier" (633 000 Euro), von dem diverse Jugendorganisationen profitierten und ein Programm für Arbeitslose in der Gereuth (200 000 Euro). Die beiden letztgenannten Projekte laufen noch.

Dass Bamberg in dieser Periode keine weiteren Gelder erhält, liegt im Übrigen nicht an Brüssel, sondern an München. Denn in der Regel sind die Bundesländer für die Verteilung der Zuschüsse zuständig.

Hoher Aufwand

Zwar gibt es neben den EU-Geldern, die der Freistaat verwaltet, noch andere Möglichkeiten der Förderung. Die Stadt Bamberg habe hier aber die Erfahrung gemacht, "dass der durch die EU zusätzlich entstehende Aufwand sich nicht rechnet", sagt Scheer. "Diese Mittel sind auf bestimmte Projekte hochspezialisiert", führt Stadtsprecherin Ulrike Siebenhaar weiter aus. Oft habe Bamberg keine Förderung bekommen, weil die Projekte anderer Gemeinden "passgenauer" gewesen seien. Deshalb lohne sich der hohe Arbeitsaufwand für einen Antrag meist nicht.

Sand also nicht nur in Frensdorf am See, sondern teils auch im Getriebe einer Organisation mit einem Haushalt von 166 Milliarden Euro in diesem Jahr und 508 Millionen Bürgern. Etwa 3000 davon besuchen an einem guten Wochenende den Frensdorfer Naturbadesee.

Kommentar: Mehr als reine Buchhaltung

Trotz vieler Förderprojekte bleibt Deutschland in der Europäischen Union ein "Nettozahler": Die Bundesrepublik gibt mehr an die EU, als sie von ihr bekommt. Im Jahr 2017 waren es etwa 10 Milliarden Euro mehr, immerhin 0,32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit war Deutschland der größte Nettozahler Europas. Der Wert der EU lässt sich aber nicht mit einer buchhalterischen Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben bezogen auf den Haushalt beantworten. So profitiert Deutschland nicht nur von der immensen europaweiten Wissenschaftsförderung, sondern auch jeder Schüler und Student von der Möglichkeit, unkompliziert in anderen europäischen Ländern zu lernen und zu forschen. Als "Exportweltmeister" profitiert die Bundesrepublik mehr als jeder andere Mitgliedsstaat von der Zollunion. Wenn sich die Wirtschaftskraft der Mitgliedsländer künftig immer mehr angleicht, profitieren alle, vor allem der Frieden auf einem Kontinent der jahrhundertelangen Feindschaften. Ja, die EU könnte demokratischer sein. Indem dem Parlament mehr Macht zugestanden wird. Die EU könnte transparenter sein - in ihrer Organisation und in ihren Entscheidungen. Der Lobbyismus müsste eingedämmt werden - etwa 25 000 Firmenvertreter mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro nehmen in Brüssel Einfluss auf die EU-Institutionen. Quasi ein Drittel der Einwohner Bambergs (mit deutlich mehr Geld). Doch Missstände sind kein Grund, eine gute Idee einfach aufzugeben. So gilt vor, während und nach der Wahl: Umso mehr Menschen sich beteiligen, Probleme ansprechen und angehen, umso besser reift die Idee.