Maßkrug-Schläger: versuchter Mord?

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Ernste Mienen, ernste Angelegenheit: Für den jungen Mandanten von Rechtsanwalt Thomas Drehsen geht es um viel. Er ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Fotos: Ronald Rinklef
Ernste Mienen, ernste Angelegenheit: Für den jungen Mandanten von Rechtsanwalt Thomas Drehsen geht es um viel. Er ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Fotos: Ronald Rinklef
 
 
 
 

Zwei Männer, dieselbe Frau: Als seine Lebensgefährtin auf dem Zeiler Weinfest ihren Exfreund trifft, soll ein 24-Jähriger einen Maßkrug über den Kopf des anderen Mannes gedonnert haben.

Im ersten Moment weiß keiner, ob er das zum Schmunzeln oder zum Heulen finden soll - deswegen geht ein leises Raunen durch das Publikum: Münchner Mediziner haben vor kurzem eine Studie zur "Gefährlichkeit des Maßkrugschlages" veröffentlicht.

Weil in der Landeshauptstadt jedes Jahr das Oktoberfest stattfindet. Und weil die damit zusammen hängenden Straftaten regelmäßig Justiz und Medizin beschäftigen. Deswegen hören Dienstagnachmittag im Gerichtssaal alle ganz genau zu, nicht in München, sondern Bamberg. Es spricht Sabine Peppert, Rechtsmedizinerin.
Sie zitiert aus der Studie und erklärt: "Mit einem Maßkrug kann man eine Schlageinwirkung von elf bis 52 Kilometern pro Stunde erzielen. Das ist, wie wenn ich auf dem Roller sitze und gegen eine Hauswand fahre." Bereits ein Schlag mit elf Kilometern pro Stunde reiche aus, um den Schädel zu verletzen.

Lebensbedrohliche Kopfwunde

Den Kopf von Daniel M. (21) (Name von der Redaktion geändert) hat es heftig erwischt - "Eine Wunde mit circa zehn Zentimetern Durchmesser, mit 42 Klammern, das war ordentlich", sagt die Rechtsmedizinerin. So "ordentlich", dass Daniel M. nicht "nur" eine acht Zentimeter lange Platzwunde davon trug, sondern darunter auch sein Schädel eingedrückt wurde. Eine lebensbedrohliche Verletzung, wegen der das Opfer im Schweinfurter Krankenhaus notoperiert werden musste. Nun sahen sich Opfer und Täter vor dem Schwurgericht am Landgericht Bamberg wieder. Im Raum steht die Anklage gegen Benjamin H. (Name geändert) wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Möglicherweise erwartet den Angeklagten lebenslange Haft - sofern ihm der Tötungsvorsatz nachgewiesen wird, wie Oberstaatsanwalt Martin Dippold erklärte. Genauere Angaben könne man aber noch nicht machen.

Tat aus Eifersucht?

Doch wie kommt es dazu, dass ein 24-Jähriger mit dem Maßkrug zuschlägt? Am 3. August 2013 besuchte Benjamin H. aus Bamberg mit seiner Freundin Martina C. (Name geändert) das Zeiler Weinfest. Dort habe Martina C. dann zufällig ihren Exfreund Daniel M. getroffen, wie sie vor Gericht aussagte, und "hallo gesagt". Nach einem kurzen Gespräch habe die 21-Jährige dann sehen wollen, ob der Exfreund noch die Tätowierung mit ihrem Namenszug auf dem Unterarm trage.

Laut Anklageschrift wurde Benjamin H. aus Eifersucht wütend, als er das sah, trat unbemerkt hinter seiner Freundin heran und schlug über ihre rechte Schulter hinweg einen Steinmaßkrug mit Wucht gezielt auf den Kopf von Daniel M. Für den kam der Angriff laut eigener Aussage völlig überraschend: "Ich habe mich mit ihr unterhalten und kurz darauf hat's eingeschlagen", sagte er vor Gericht.

Noch heute habe er vier bis fünf Mal täglich Kopfschmerzen, am schlimmsten sei es nachts. "Da wache ich schweißgebadet auf." Es hätte allerdings passieren können, dass Daniel M. gar nicht mehr aufwacht. Denn der Täter, Benjamin H., habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass er sein Opfer durch den Schlag tödlich verletzt, so die Anklage.

In den folgenden Verhandlungstagen wird das Gericht weitere Zeugen hören und erörtern, ob beim Täter die Gefahr besteht, dass er auch künftig "erhebliche rechtswidrige Taten" begeht, wie es in der Anklageschrift steht. Denn: Er hat ein Alkoholproblem.

Das bestätigte nicht nur seine Freundin Martina C. Benjamin H. hat direkt vor dem Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt zugegeben, dass er vor seiner Festnahme sechs bis acht Bier pro Tag getrunken hat - plus Mischgetränke aus Wodka und Energydrink. "Am Wochenende habe ich getrunken bis zum Umfallen", gab Benjamin H. zu.

Doch er ist nicht der Einzige mit einem Suchtproblem: Sein Opfer, Daniel M., ist drogenabhängig - Chrystal und Heroin. Täter und Opfer haben noch eine Gemeinsamkeit: Sie sitzen derzeit beide im Gefängnis. Denn auch das Opfer ist kein unbeschriebenes Blatt. Daniel M. sitzt "wegen kleinerer Delikte wie Sachbeschädigung und Diebstahl", wie er sagte. Er sagte nichts, als sich Benjamin H. im Gerichtssaal für seine Maßkrug-Attacke entschuldigte.