Eine Miniatur zeigt das fränkische "Schneewittchen": Maria Sophia von Erthal Repro: Staatsbibliothek Bamberg/Gerald Raab
Die Kammer, in der Maria Sophia von Erthal wohl schlief und viel Zeit verbrachte. Das ursprüngliche Mobiliar ist heute leider nicht mehr zu sehen. Foto: Petra Mayer
Der Bücherschrank der "Schönsten im Frankenland" Foto: Petra Mayer
Aus Lohr kam das fränkische "Schneewittchen", von dem sich die Gebrüder Grimm angeblich inspirieren ließen. Ihren Lebensabend aber verbrachte Maria Sophia von Erthal in Bamberg, wo somit auch der "Schneewittchen"-Sarg zu finden ist. Anbei Videos zum Lohrer Schneewittchen.
Es war einmal ein Mädchen mit Haut weiß wie Schnee, Lippen rot wie Blut und Haaren schwarz wie Ebenholz. - So beschrieben die Gebrüder Grimm ihr "Schneewittchen" und machten die "Schönste im Land" auf diese Weise ab 1812 in der ganzen Welt bekannt. Noch im 21. Jahrhundert bewundern die Menschen auf der Bühne, in Film und Fernsehen das Königskind, das "hinter den Bergen bei den sieben Zwergen" seiner bösen Stiefmutter zu entfliehen suchte. Wo genau das "Schneewittchen" lebte und starb, darüber aber wird bis heute wild spekuliert. Schrieb nun eine Hessin, eine Niedersächsin oder doch eine Fränkin als Märchenfigur Geschichte? Für Lokalpatrioten ist klar, dass die Sage in Lohr am Main ihren Anfang nahm - bei Maria Sophia von Erthal.
Und sie starb nach jüngsten Erkenntnissen in Bamberg, wo somit auch der wahre "Schneewittchen-Sarg" zu finden ist.
Der entscheidende Tipp kam von einer Leserin, die sich nach der Buchbesprechung zu "111 Gründe, Franken zu lieben" meldete: "Ich erinnerte mich an einen Bericht über Maria Sophia von Erthal, also unser ,Schneewittchen', das seine letzten Jahre bei den Englischen Fräulein verbrachte", sagt Irmgard Metzner. Hier stünde bis heute auch ein Bücherschrank aus dem Nachlass der Fränkin, die als Schwester des Bamberger Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal am 19. Juni 1725 im Schloss der Kurfürsten von Mainz zu Lohr das Licht der Welt erblickte.
Eingebung in weinseliger Runde
Viele Parallelen gibt es zwischen der schönen Lohrerin und dem Grimmschen "Schneewittchen". Wer aber kam überhaupt auf die Idee, seine Wurzeln im Spessart zu suchen? Der "Lohrer
Arbeitskreis Fabulologie", der in weinseliger Runde 1985 begann, die "Schönste im Land" für Franken zu beanspruchen: allen voran der Pharmaziehistoriker Karlheinz Bartel, der bei Werner Loibl als damaligem Leiter des Spessartmuseums offene Türen einrannte. Zumal sich bis heute im Lohrer Schloss der "sprechende" Spiegel befindet, den Maria Sophia von Erthals Vater seiner zweiten Frau schenkte: "Amour Propre" liest man auf dem Rahmen des in Lohr gefertigen Meisterstücks, das die Selbstverliebtheit der herrschsüchtigen eitlen Stiefmutter anprangert, die es demnach tatsächlich gab.
Keine Märchenhochzeit
Der "wilde Wald", durch den "Schneewittchen" irrte? Der Spessart. Die Zwerge? Kleinwüchsige Bergarbeiter, die in der Region unter Tage in Minen nach Erz gruben.
Nur mit dem Happy End hapert es, nachdem "Schneewittchen" keineswegs von einem Prinzen heimgeführt wurde, sondern in Bamberg bis zu seinem Tod Single blieb.
Wolfgang Vorwerk recherchierte als Lokalhistoriker in Lohrer, Münchner und Bamberger Archiven so manches über das "hochwohlgeborne" Fräulein, das der Chronist der Familie als "Mädchen von besonderer Liebenswürdigkeit" beschrieb. Ein "Engel an Barmherzigkeit und Güte", wohltätig gegen Arme und Notleidende, sei Maria Sophia gewesen - "kurzum der personifizierte Liebreiz", so Vorwerk. Verehrt von vielen Menschen - ganz wie das "Schneewittchen" im Märchen. Ein Miniaturbildnis aus den Beständen der Bamberger Staatsbibliothek, auf das Vorwerk stieß, zeigt die Schönheit Maria Sophia von Erthals. Demnach war das fränkische Schneewittchen aber eine Blondine.
Was damit zu erklären ist, dass bei einer früheren Version der Geschichte der Gebrüder Grimm das Haar der Königstochter noch "gelb" war - wie übrigens auch beim hessischen "Schneewittchen".
Nach einer Krankheit erblindet
Vieles, was die Lohrerin erlebte und erlitt, passt aber gar nicht ins romantische Bild der Märchensammler. So erblindete Maria Sophia von Erthal nach einer Krankheit und verließ mit 20 Jahren das Lohrer Schloss, um mit ihrer Kammerfrau Magdalena Geyer nach Bamberg in die Obhut der Englischen Fräulein zu ziehen. Am Heumarkt lebte sie in stiller Zurückgezogenheit. Bei einem Rundgang durch die Räume der Congregatio Jesu fanden wir im ersten Stock auch den Bücherschrank, der dem "Schneewittchen" gehört haben soll. Und sahen uns im dritten Stock die Kammer an, in der die Schwester des Fürstbischofs wohl schlief und viel Zeit verbrachte.
"Alles, was wir über Maria Sophia von Erthal wissen, ist allerdings mündlich überliefert", berichtet Schwester Ulrike Dimler, die das Archiv der Bamberger Gemeinschaft verwaltet.
"Faul- und Nervenfieber"
Im Alter von 71 Jahren starb das ledige Freifräulein an "galligem Faul- und Nervenfieber", wie den Kirchenbüchern der Bamberger Pfarrei St. Martin zu entnehmen ist. Vermutlich erlag Maria Sophia einer Infektionskrankheit - Typhus, Gelbsucht oder einer Hirnhautentzündung. Bei Recherchen war Barbara Grimm, die stellvertretende Leiterin des Spessartmuseums, auf den Sterbeeintrag gestoßen.
Auf dem Friedhof von St.
Martin
Wo findet man nun aber den "Schneewittchen"-Sarg? In Bamberg, wie dem Dokument zum Tod der "hochwohlgeborenen Herrin Maria Sophia Catharina Margaretha von und zu Erthal" ebenfalls zu entnehmen ist: "[...] unvermählt, an Jahren 71, beerdigt auf dem Friedhof der Kirche von Sankt Martin [...]" Womit frühere Annahmen, dass das "Schneewittchen" an der Seite seines Vaters in der Mainzer Kirche St. Emmeran ruht, widerlegt wären.
Dann verliert sich aber auch schon die Spur, nachdem es den Friedhof der Kirche Alt St. Martin nicht mehr gibt, die sich bis ins 19. Jahrhundert hinein auf dem heutigen Maxplatz befand. Auch eine Gedenktafel aus schwarzem Marmor, die beim Abbruch des Gotteshauses in die Kapelle des Alten Krankenhauses verlegt wurde, ist verschollen. Erhalten blieb in den Archiven aber die Inschrift: "[...] Sie lebte im Kampfe des Glücks mit den Leiden, die geprüfte Freundin der Tugend. Sie starb selbst durch den Kampf gestaerkt: die edle Heldin des Christenthums. Hier ruhet sie nach dem Siege des Glaubens reif zur verklärten Auferstehung."