IGeL-Leistungen: Welche Vorsorge lohnt sich wirklich?

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IGeL-Leistungen: Hilfe oder Geschäft? Foto: Andrey Popov, adobe stock
IGeL-Leistungen: Hilfe oder Geschäft? Foto: Andrey Popov, adobe stock

Viele "individuelle Gesundheitsleistungen" werden nicht von den Krankenkassen bezahlt. Wann sind "IGeL" sinnvoll und wann nicht?

"Ich wurde im Behandlungszimmer, schon untenherum frei auf dem Gyn-Stuhl sitzend, zu einem Ultraschall überredet", beschwert sich eine Patientin. Ein anderer schreibt: "Vor dem Hautkrebsscreening wurde sofort eine Zuzahlung von 25 Euro gefordert." Aber auch so etwas ist zu lesen: "Mein Sehnerv ist bereits weitgehend und irreparabel geschädigt. Mit von der Krankenkasse unterstützter und frühzeitiger Augeninnendruckmessung wäre das nicht so weit gekommen."

Worum geht es? Um Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL. Ihre Erfahrungen teilen Patienten regelmäßig auf einer Internetseite der Verbraucherzentrale. Dabei geht es auch um Unsicherheit in einem Dschungel aus Angeboten, von denen nicht klar ist, ob sie eher nützen oder schaden. Und: Die von den Patienten selbst bezahlt werden müssen.

In Erklärungsnot

Warum ihnen die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Untersuchungen überlassen wird und Ärzte durch IGeL zu Verkäufern werden, bringt selbst Beteiligte in einen Erklärungszwiespalt. "IGeL ja, aber nur wenn sie sinnvoll sind und bei ganz strenger Abwägung der Indikation", sagt beispielsweise Wolfgang Rechl, Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer. "Es muss eindeutig eine Notwendigkeit für die Untersuchung und positive Auswirkungen für den Patienten geben."

Rechls Beispiel: In der Schwangerschaft können Gynäkologen drei Ultraschalluntersuchungen gesetzlich abrechnen. Hat nun der Arzt Bedenken oder die Patientin möchte aufgrund von Beschwerden weitere Untersuchungen, muss sie diese selbst bezahlen. Im Vorfeld sollte deshalb abgewägt werden. "Bringt ein zusätzlicher Ultraschall mehr Klarheit? Dann ist es mir das Geld wert. Oder ich verlasse mich darauf, dass die Kasse schon wissen wird, warum sie nur drei Ultraschalluntersuchungen bezahlt. Dann lasse ich es bleiben§, sagt Rechl.

Gegen die ungefilterte Abgabe

Der Mediziner weiß aus der täglichen Praxis, dass oft von den Patienten selbst die Frage nach einer IGeL kommt. "Wenn das aber medizinisch nichts bringt, ist die Untersuchung abzulehnen. Wenn jemand aus Angst vor bösartigen Erkrankungen in kurzen Abständen immer wieder einen Ultraschall eines Organs oder eine Knochendichtemessung verlangt, müsse man abraten. "Für verlässliche Aussagen müssen zeitliche Abstände eingehalten werden."

Die Vorstellungen und Bedürfnisse des Experten mit denen des Patienten abzugleichen, sei oft ein Spagat. In keinem Fall dürften IGeL zu einer Mehrung des ärztlichen Einkommens führen.

Wichtig seien zwei Dinge: Dass der Patient dem Arzt vertraut und der Arzt gewissenhaft mit den IGeL umgeht. "Er muss davon überzeugt sein, dass es für den Patienten einen Zusatznutzen bringen kann."

Versorgung soll zweckmäßig sein

Dass es die Selbstzahlerleistungen überhaupt gibt, ist der Politik geschuldet. Der Bundesgesetzgeber habe, so eine Sprecherin des Bayerischen Gesundheitsministeriums, den Leistungsanspruch der Kassen grundsätzlich "auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung beschränkt, die das Maß des medizinisch notwendigen nicht überschreiten darf". Biete ein Arzt eine darüber hinausgehende Leistung an, müsse er über den Nutzen und etwaige unerwünschte Wirkungen aufklären, sowie auf die Selbstzahlung der IGeL hinweisen.

IGeL-Leistungen: Erst informieren, dann entscheiden

Von Früherkennungsuntersuchungen über Reiseimpfungen und Blutanalysen bis hin zu ästhethisch-kosmetischen Maßnahmen reichen die Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die außerhalb des Versorgungsauftrages der Krankenkassen angeboten werden. Patienten sind nicht verpflichtet, sie anzunehmen.

Die Aufklärung über die IGeL sollte durch den Arzt erfolgen. Es reicht nicht aus, wenn Mitarbeiter über IGeL informieren. Anpreisende Werbung oder Angstmache sind unzulässig.

Vor einer Entscheidung sollte man den Arzt nach Nutzen, Risiken und Alternativen fragen. Wichtig ist auch die Frage, ob ohne IGeL die Gesundheit beeinflusst wird. Ehe man eine IGeL in Anspruch nimmt, sollte man zudem mit der Krankenkasse sprechen. Teilweise werden die IGeL als sogenannte Satzungsleistungen doch übernommen.

Um sich als Patient gut informiert für oder gegen diese Angebote entscheiden zu können, haben wir einige Tipps zusammengestellt:

IGeL-Monitor

Das Internetportal www.igel-monitor.de wird vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbands (MDS) betrieben und bietet Versicherten eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe für oder gegen die Inanspruchnahme von Selbstzahler-Leistungen. Für die Bewertung von Nutzen und Schaden einer IGeL-Leistung recherchiert das Team aus Medizinern und Methodikern beim MDS in medizinischen Datenbanken und wertet die Informationen systematisch aus. Die Wissenschaftler fassen das Ergebnis in einer Bewertungsaussage zusammen, die von "positiv", "tendenziell positiv" und "unklar" bis zu "tendenziell negativ" und "negativ" reichen. Positiv ist im IGeL-Monitor kein Eintrag zu finden.

Tendenziell positiv werden die Akupunktur zur Migräneprophylaxe und die Lichttherapie bei Winterdepression bewertet. Unklar werden 20 Leistungen bewertet, darunter der Brust-Ultraschall zur Krebsfrüherkennung und die Professionelle Zahnreinigung. Tendenziell negativ sind laut IGeL-Monitor 24 Untersuchungen, unter anderem der Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge, MRT der Brust zur Krebsfrüherkennung, Augenspiegelung und Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung. Negativ fällt die Bewertung vom Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung aus, die Colon-Hydro-Therapie (Darmspülung), Infusionstherapie beim Hörsturz und die Immungloblin G-Bestimmung zur Diagnose einer Nahrungsmittelallergie. Krebsvorsorge

Spezielle Untersuchungen zur Früherkennung von Krebs werden unter www.krebshilfe.de und www.krebsinformationsdienst.de vorgestellt und bewertet. IQWiG

Fundierte Informationen zu IGeL und weiteren Gesundheitsthemen bietet auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) unter www.gesundheitsinformation.de. Patientenberatung

Wer Fragen zu einer Erkrankung, zu Vorsorge und Therapien oder zu seinen Rechten als Patient hat, kann sich an die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (www.patientenberatung.de) wenden. Die UPD ist unter Tel. 0800/0117725 gebührenfrei aus allen Netzen zu erreichen. Unter derselben Nummer kann man auch Termine in den fränkischen Beratungsstellen in Nürnberg und Würzburg vereinbaren.