Neun Kandidaten und die Frage, wo sie Bamberg hinführen wollen: Die FT- Lokalredaktion lud zum Gesprächsabend mit Stadtratskandidaten.
Eigentlich will jeder länger reden als eine Minute. Doch erstaunlich viele Kandidaten schaffen es, sich an die vorgegebene Zeit zu halten - obwohl es darum geht, am Sonntag in den Stadtrat gewählt zu werden. Und einer derer zu sein, die die Weichen in der Bamberger Stadtpolitik stellen.
Jede der Parteien und Wählergruppen schickte einen Vertreter zur Podiumsdiskussion in die Haas-Säle: Helmut Müller kam für die CSU, Heinz Kuntke für die SPD, Ursula Sowa für die Grün-Alternative Liste (GAL), Dieter Weinsheimer für die Freien Wähler (FW), Norbert Tscherner für den Bamberger-Bürger-Block (BBB), Daniela Reinfelder für "Bambergs unabhängige Bürger" (BUB), Martin Pöhner für die FDP, Michael Bosch für die Bamberger Realisten (BR) und Anette Göpel für die "Bamberger Linke Liste (BALI).
Neun Kandidaten, neun Bamberger Themen: Gertrud Glössner-Möschk, Leiterin der
Lokalredaktion Bamberg, und Chefreporter Michael Wehner moderierten und legten auch mal den Finger in die Wunde - Wie konnte es zur Stimmzettelpanne kommen? Wie kann man den Wohnungsmarkt entlasten? Fast 80 Fragen wurden gestellt, eine Auswahl lesen Sie hier.
"Wir wollen wissen, wie Sie ticken"
Für alle galt: "Wir versuchen herauszufinden, wohin Sie Bamberg in den kommenden sechs Jahren führen wollen. Wir wollen wissen, wie Sie ticken", wie es Michael Wehner auf den Punkt brachte.
Wohin soll es etwa in Sachen "Finanzen" gehen? "Geht es Bamberg wirklich gut? Woher soll das Geld für Herausforderungen wie den Bahnausbau oder die Konversion kommen?", fragte Wehner SPD-Kandidat Heinz Kuntke. Der betonte, dass Bamberg in der Tat eine der wenigen Städte sei, die sehr gut da stünden.
Man habe Geld für sinnvolle Projekte wie die Sanierung der Sandstraße oder die Landesgartenschau zurück gelegt. "Die Konversion wird man allerdings nur aus Rücklagen nicht finanzieren können", sagte Kuntke.
Ursula Sowa von der GAL alarmierte: "Der Haushalt ist am Limit. Die Töchter der Stadt haben Schulden mit übernommen." Als Konzept für die Konversion schlug Sowa vor, dass man sich um Förderungen aus Bund, Land und Europa bemühen müsse. Beim Bahnausbau müsse die Stadt mit Bund und Land clever verhandeln.
Auch Dieter Weinsheimer (FW) monierte: "In den vergangenen sechs Jahren haben insbesondere die Tochterunternehmen der Stadt immer wieder Schulden aufgenommen." Doch Bamberg müsse zahlungsfähig bleiben.
Dann fragte Michael Wehner provokant in Richtung Helmut Müller: "Geht es Bamberg trotz oder wegen der CSU gut?" Müllers Antwort: "Bamberg geht es wirklich gut, und zwar, weil die CSU
eine vernünftige Politik zusammen mit anderen gemacht hat."
Im nächsten Themenkomplex, der Bamberger Verkehrssituation, fühlte Gertrud Glössner-Möschk den Kandidaten auf den Zahn. Die BUB hatte einen Tunnel zwischen Gaustadt und dem Klinikum ins Gespräch gebracht - "denn das Dom- und Berggebiet ist überlastet. Das ist ein teueres Projekt, doch mit Fördergeldern können wir die Tunnellösung schultern", sagte BUB-Vorsitzende Daniela Reinfelder.
Norbert Tscherner vom BBB forderte einen "Verkehrsgeneralplan". Man dürfe nicht weitermachen wie bisher. Einer Tunnellösung sei er nicht abgeneigt - "vielleicht sogar in Kooperation mit BUB?", fragte die Moderatorin. "Wenn es dem Vorteil der Stadt dient, arbeiten wir mit allen Parteien zusammen", antwortete Tscherner.
Für Ursula Sowa (GAL) war und bleibt ein Tunnel "Blödsinn". Verkehrsberuhigung, Tempo 30 und eine bessere Busanbindung waren ihre Stichworte.
Gegen einen Tunnel zwischen Gaustadt und Klinikum
Martin Pöhner (FDP) wehrte sich ebenfalls gegen eine Tunnellösung - "das kann sich kein Mensch leisten. Wir brauchen eine Ringbuslinie, die nicht über den ZOB führt", forderte er. Generell müsse der ÖPNV - nicht nur im Berggebiet - ausgebaut werden. "Wir müssen weg von der Politik der Verbote. Es kann nicht richtig sein, dass immer mehr Kurzzeitparkplätze weg fallen."
Neben einem eher klassischen Thema wie dem Verkehr mussten sich die Kandidaten jedoch auch unangenehmen Fragen stellen - etwa zur Jugendherberge, der SPD-Plakatkampagne und der Stimmzettelpanne.
"450 000 Euro für drei exakt durchgerechnete Varianten für die Jugendherberge - würde ein
Famlienvater so einen Hausbau planen?", fragte Michael Wehner den BR-Spitzenkandidaten Michael Bosch. "Nein. Ein Familienvater würde sich um seinen Bauunterhalt kümmern." Vielleicht solle man sich generell überlegen, bei Bauvorhaben auf einen Neubau zu verzichten und sich um den Bestand kümmern, so Bosch.
Anette Göpel von der BALI, die bisher noch nicht im Stadtrat vertreten war, sagte: "Man kann als Außenstehender nicht verstehen, dass mit einer Summe von 450 000 Euro herum geworfen wird." Für dieses Geld hätte man laut Göpel den Umbau voran treiben können.
Apropos Geld: Einiges davon kostet die Stadt der Neudruck von 50 000 Stimmzetteln wegen formaler Fehler.
Dieter Weinsheimer (FW) möchte aber nichts von einer Stimmzettelpanne wissen: "Das war kein Versehen der CSU, sondern bewusst gemacht." Man habe in bevölkerungsstarken Stadtteilen auf Stimmenfang gehen wollen.
CSU-Vertreter Helmut Müller verteidigte: "Ich habe mit der Sache nichts zu tun. Ich möchte doch in ganz Bamberg gewählt werden und nicht nur einem Stadtteil!" Aber: Ja, die CSU habe Fehler gemacht.
Heinz Kuntke (SPD) glättete die Wogen denn etwas: "Tatsache ist doch: Gruppierungen haben Wahlzettel eingereicht, die objektiv nicht gestimmt haben, aus welchen Gründen auch immer. Aber ich gebe zu, dass auch die Verwaltung Fehler gemacht hat."
Ursula Sowa (GAL) räumte dann noch mit einem Gerücht auf: Nein, die Grünen würden die Wahl nicht anfechten.
War das Publikum bis zu diesem Zeitpunkt mit Reaktionen noch recht zurückhaltend, taute es nach dem ersten Drittel der Veranstaltung auf. Der Grund: Ein paar "Auflockerungsübungen", bei denen die Kandidaten Sätze beenden mussten. Martin Pöhner (FDP) vervollständigte "Kleinvieh im Stadtrat"... mit "macht viele gute Dinge."
Dieter Weinsheimer (FW) beendete den Satzanfang "Gleichzeitig Journalist und Stadtrat zu sein" mit "ist in Bamberg leider nötig". Für den Brüller im Raum sorgte aber Helmut Müller von der CSU. Er bekam die Vorlage "Die Bamberger CSU ohne Streit..." und fügte an: "ist ein wunderschöner Traum, den ich schon lange träume."
Schließlich geht es um Bürgerinformation auf neutralem Boden. Manche Spitzenandidaten möchte man einfach wenigstens einmal kritisch hinterfragt live erleben.
...geht wählen
Schließlich geht es um Bürgerinformation auf neutralem Boden. Manche Spitzenandidaten möchte man einfach wenigstens einmal kritisch hinterfragt live erleben.