Pettstadt trauert dem überraschend geschlossenen Lebensmittelmarkt Reinwald nach. Bürgermeister Jochen Hack wirbt um Nachfolger.
"Host scho ghört, der Robert macht sein Lodn zu?!" - "Des glab i ned, des konnä doch ned machn! Des wär ja a Kadastrophn!" Dialoge wie diesen gab es viele, seit im Sommer durchsickerte, dass die Familie Reinwald ihren seit über 50 Jahren betriebenen Lebensmittelladen am Pettstadter Kirchplatz schließen will. Und nun ist es passiert: Seit vergangenem Samstagnachmittag kündet ein handgefertigtes Plakat "Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen". Lottospieler werden auf Annahmestellen in der Umgebung verwiesen. Die Fensterfront ist mit Papierfahnen verschlossen, die Pettstadter haben das Nachsehen. Großes Rätselraten: Wie geht's weiter? Der Bürgermeister und ein anderer Geschäftsmann basteln an einer Lösung.
Stark betroffen sind zunächst vor allem nichtmotorisierte oder kranke Ortsbewohner, denn nun ist eine beliebte Einkaufsquelle versiegt, die fußläufig zu erreichen war. Sie bot so ziemlich alles, was man zum Leben braucht: vom Apfelsaft zur Zitrone, von Butter bis Weißbrot, Presssack oder gefrorenen Lachs. Kein Pettstadter musste seinen Wohnort verlassen, um sich mit den Waren des täglichen Bedarfs einzudecken. Auf rund 200 Quadratmeter Verkaufsfläche hielten die Reinwalds in ihrem Frische-Markt ein erstaunlich umfangreiches Sortiment parat. Bei sengender Sonne konnte man den Kaffee zum Mitnehmen im Schatten eines Sonnenschirms mit Blick auf die barocke Fassade der Pfarrkirche Mariä Geburt schlürfen. Oder auch ein Eis schlecken. Alles vorbei!
Zuletzt modernisiert
Einzelhändler Robert Reinwald machte nie viele Worte, anlässlich der Schließung seines Geschäfts noch weniger: Mit fast 65 Jahren habe er die Altersgrenze erreicht. Und niemand wolle den Laden übernehmen, beschied uns der in Jahrzehnten mit seinem Laden verwachsene Kaufmann. Vermutlich hatte er 2014 noch eine andere Perspektive, denn da wurden plötzlich und zur Freude aller Pettstadter Schaufenster und Ladeneingang mit einem nicht geringen Aufwand modernisiert.
Es entstand sogar die längst herbeigesehnte behindertengerechte Rampe und ein stabiles Geländer schützte die Kunden vor dem Verkehr auf dem Kirchplatz. Nach dieser Baumaßnahme spielte die Gesundheit dem Geschäftsmann einen Streich und alles war plötzlich anders. Drei Kinder hat das Ehepaar Reinwald. Zwei davon waren in dem Laden ganz oder zeitweilig beschäftigt, keines wollte in die Fußstapfen der Eltern treten. Zu diesen vier Familien-Kräften kamen bis zu fünf weitere Teilzeitkräfte an der Fleisch- und Wursttheke, beim Gebäck oder in der Regalbefüllung. Restliche Urlaubsansprüche der Mitarbeiter zwangen den Unternehmer, nicht erst zum Jahresende, sondern schon zum dritten Advent den Laden dichtzumachen. Die Regale hatten sich in den letzten Wochen zusehends geleert, aber wer auf einen Resteverkauf zu Ramschpreisen gewartet hatte, wurde enttäuscht.
Bürgermeister Jochen Hack (Freie Wählergemeinschaft) und alle Gemeinderäte sowie der Großteil der Ortsbewohner bedauern diese Entwicklung. So mancher findet es schade, dass es keine offizielle Gelegenheit gab, seitens der Kommune der Familie Reinwald Dank und Anerkennung zu sagen für ihren unermüdlichen Einsatz um das Gemeinwohl. Frische Semmeln und Wurst um sieben in der Früh oder ein paar Hundert Brötchen, vom "Robert" zum sonntäglichen Rosenfest frisch gebacken - das und vieles mehr hätte schon eine öffentliche Würdigung verdient gehabt.
Immerhin registriert der Bürgermeister mit Freude die Zusicherung der Familie Reinwald, ihren Lebensmittelladen weiterhin als solchen zu verpachten. Und tatsächlich hat Jochen Hack nach einigen Anläufen einen Einzelhändler an der Hand, der nötige Investitionen tätigen und das Geschäft übernehmen würde. Voraussetzung wäre allerdings, so verriet der Bürgermeister dieser Zeitung, dass ein Metzger und ein Bäcker gefunden werden, die ihre Shops in dem Frische-Markt auf eigene Rechnung betreiben würden. Interessenten können übers Rathaus Kontakt mit dem Bürgermeister aufnehmen; Jochen Hack will gerne Brücken schlagen, um die Interessen auf einen Nenner zu bringen.
Ein herber Verlust
Die Schließung des Nahversorgers in der Ortsmitte ist ein herber Verlust für die Infrastruktur der 2000-Einwohner-Gemeinde. Sie kommt auch deswegen höchst ungelegen, weil das Geschäft ein wichtiges Argument für die vom Staat hoch bezuschusste Stadtentwicklung war. Gleich in der Nachbarschaft sollen ja eine senioren- und behindertengerechte Wohnanlage sowie das Bürgerhaus Hopfengarten entstehen. Das hat so schön zusammengepasst.
Eine Katastrophe ist das Ende des Frische-Markts für Pettstadt dennoch nicht. Es bleiben noch ein paar Einkaufsmöglichkeiten am Ort. So hat zum einen vor wenigen Jahren im nahen Ortsteil Eichenhof ein Direktvermarkter geöffnet, der eine breite Palette des Lebensmittelbedarfs abdeckt.
Und wie unsere Zeitung erfuhr, wird auch die Gärtnerei Reichert an der Bahnstraße versuchen, ihren Standort zu stärken. Gärtnermeister Michael Reichert, der vor neun Jahren bereits die Postfiliale von Reinwald übernommen hatte, will auf jeden Fall sein Obst- und Gemüseangebot erweitern. Außerdem soll ab 11. Januar bei der Gärtnerei werktags ein rollender Bäcker Station machen und es wird nicht lange dauern, bis einmal wöchentlich auch ein Landmetzger seinen Verkaufsstand bei Reichert parkt. Die Lottoannahmestelle kann sich der weithin bekannte Rosenzüchter in seinem Geschäft auch vorstellen. Nur mit Molkereiprodukten will sich der Gärtnermeister nicht beschäftigen.
Bürgermeister Hack setzt derweil alles daran, dass der kleine Kaufladen am Kirchplatz wieder eröffnet wird. Sollte das aber nicht gelingen, werde man sich seitens der Gemeinde auch über die Einrichtung eines Fahrdienstes nähere Gedanken machen, ließ Hack durchklingen. Denn: Pettstadt soll ein angenehmer Wohnort mit guter Infrastruktur bleiben.