Vor 125 Jahren entstand der erste Bürgerverein Bambergs im Sand. Ein Rückblick in eine Zeit, die uns heute mehr als skurril erscheint.
"Deutsch-Ostafrika" wurde zur deutschen Kolonie. Otto Lilienthal unternahm erste erfolgreiche Versuche mit einem "manntragenden Flugapparat". Das erste Telefongespräch über ein Nachrichtenkabel durch den Ärmelkanal von Paris nach London sorgte für Furore: Das alles stand vor einem Vierteljahrhundert für moderne Zeiten - im Jahr, als Bambergs erster Bürgerverein im Sand gegründet wurde. Am kommenden Sonntag beginnen die Feierlichkeiten zum 125-jährigen Bestehen des Bürgervereins 4. Distrikt, die diese ferne Vergangenheit aufleben lassen.
Frauen waren ausgeschlossen
Ein Festgottesdienst erinnert am 14. Februar an jenen 14. Februar 1891, an dem sich 82 Bamberger in der "Restauration Zum Pelikan" zusammenfanden: Pioniere einer Stadt, die damals noch knapp 36 000 Einwohner zählte. Allen voran hatten sich Magistratsrat Josef Müller und der Ökonom Franz Graßer für die Gründung eines "Bürgervereins 4. Distrikt zwecks Besprechung communaler Angelegenheiten, insbesondere Wahrung der Distriktsinteressen" stark gemacht. Müller gab dem Verein an dem Tag noch "eine kurze aber sinnvolle Satzung", wie Josef Mertl für eine frühere Festschrift recherchierte. Allerdings waren Frauen damals noch ausgeschlossen, nachdem "das Wahlrecht nur volljährige männliche Gemeindemitglieder, die im Besitz des Heimat- und Bürgerrechts waren" erlangen konnten. Bis zum allgemeinen Frauenwahlrecht sollten in Deutschland noch ganze 27 Jahre vergehen.
Von der Regnitz bis zur Altenburg - vom Katzenberg bis zur Friedensbrücke erstreckt sich der 4. Distrikt, dessen Geschichte Mertl beleuchtete. Arm waren die meisten Familien, die hier im 19. Jahrhundert lebten, obwohl es nach der Säkularisation in dem Bezirk noch viele ehemalige Geistliche, Angestellte und Angehörige der Stifte gab, die über Pensionen und Grundbesitz verfügten. Demgegenüber aber standen Handwerker, kleine Gewerbetreibende und andere Menschen, die hart arbeiten mussten. Was der zunehmende Wohlstand Ende des Jahrhunderts kaum änderte, als in der Hainstraße, Luisenstraße, am Kunigundendamm und in anderen Bereichen Prachtbauten entstanden.
Gemeinsamer Kampf
"Von all dem bekam das Berggebiet nichts mit", berichtete Mertl. Hier konnten sich die wenigsten Villen leisten, wie man sie allenfalls auf dem Abtsberg und dem Bereich außerhalb des ehemaligen Jakobsberger Tores sah. "Im ganzen Altstadtbezirk, Sandgebiet, Maienbrunnen und Sutte wohnten nach wie vor nur kleine Handwerker, Lebensmittelhändler, Bäcker und Fischer." Ihre Interessen aber vernachlässigte die Stadtverwaltung im Gegensatz zu den Belangen wohlhabender Familien. Was zur Gründung von Vereinen wie dem Bürgerverein 4. Distrikt führte, der für die Anliegen der eher Minderbemittelten kämpfte.
Vereine mit skurrilen Namen entstanden im 19. Jahrhundert: Die "Katzenbergsprudler" gründeten sich, die Organisation "Dachrinne" oder etwa der "Verein für prunklose Beerdigung". Sie alle hatten aber wohl nicht genügend Durchsetzungskraft, da die Klagen der Bergbewohner Mertl zufolge "immer lauter und unüberhörbarer" wurden. Bis eine mit 300 Unterschriften - einschließlich des Erzbischofs und gesamten Domkapitels - versehene Bittschrift an den Magistrat wegen des Baus einer städtischen Wasserleitung Erfolg zeigte. Und ebenso eine Initiative von Bambergern zum Rückkauf der St. Elisabethenkirche durch die Stadt: Triumphe, die die Anwohner nach vielen Vorläufen endlich zur Gründung von Bürgervereinen motivierten.
Verkehrssituation entschärfen
Als Vorläufer zum Bürgerverein 4. Distrikt hatte Franz Graßer 1885 schon die "Freie Vereinigung 4. Distrikt" ins Leben gerufen. Sie erkämpfte in den wenigen Jahren ihres Bestehens eine Verbindung zwischen dem I. und IV. Distrikt: die Markusbrücke. Viel zu lange mussten Bamberger auf diese Errungenschaft zwischen Fischerei und Leinritt warten - beinahe 20 Jahre. Das Bamberger Tagblatt setzte sich mehrfach für den Bau ein, der dann doch immer wieder zurückgestellt wurde. Wunderbar antiquiert formulierte der Verfasser eines 1876 erschienenen Artikels: "Die Brücke würde das für Handel und Wandel störende, sowie Leben und gerade Glieder bedrohende Drängen an der Oberen und Unteren Brücke vermindern." Nur blieben die Verantwortlichen stur, so dass sich noch viele Unfälle ereigneten bis die Markusbrücke am 25. Juni 1887 eingeweiht wurde. Und die "Freie Vereinigung 4. Distrikt" anlässlich ihres Erfolgs ein Gartenfest im Griesgarten zelebrierte.
Kloake floss durch Gärten
Vier Jahre später gab's den "Bürgerverein 4. Distrikt". Und er nahm sich gleich eines anderen drängenden Problems im Berggebiet an: der Kanalisation. So richteten die Verantwortlichen zwei Monate nach der Gründungsversammlung folgende Bittschrift an den "wohllöblichen Magistrat": "In Anbetracht der sich mehrenden Beschwerden der Hausbesitzer des Maienbrunnens, durch deren Anwesen und Gärten das Wasser der Waschküche des Bürgerspitals, der Brauerei, der Wirtschaftsküche - darunter auch die Kloake - offen fließt, bittet der BV 4. Distrikt um örtliche Einsichtnahme und alsbaldige bessere Kanalisation des Maienbrunnens. Den Hausbesitzern dieser Straße soll doch das gleiche Recht zustehen, wie den Hausbesitzern in anderen Straßen ..."
Sandkerwa ab 1951
Das war einzusehen. So wurde dem Antrag entsprochen. Der historischen Bausubstanz nahm sich der Bürgerverein an und unterstützte ab 1899 auch finanziell die Restaurierung etliche Denkmäler. Vereine und Institutionen des 4. Distrikts stützten sich auf die Organisation. Ja, und dann verdankt man dem Bürgerverein natürlich auch Bambergs Fest der Feste, das längst nicht mehr nur im regionalen Bereich für Furore sorgt: die Sandkerwa, die 1951 erstmals gefeiert wurde.
Das Programm zum Jubiläumsjahr
Sonntag, 14. Februar, 11 Uhr: Festgottesdienst zum Jubiläum in der Elisabethenkirche mit Musik
14. April, 20 Uhr: "Deine Spuren im Sand" - Lieder und Texte zum Quartier mit Heidi Friedrich und Arnd Rühlmann, Jazzkeller
14. Mai, 11 Uhr: Pfingstfrühschoppen auf der Altenburg mit Führung und Besichtigung
14. Juni, 18.30 Uhr: "Stationen und Personen des 4. Distrikts" - Streifzug mit Ekkehard Arnetzl, Treffpunkt Katzenberg
14. Juli, 18 Uhr: "1001 Nacht am Michelsberg" Sommerfest am Pavillon im Michelsberger Garten
14. August, 16 Uhr: Festakt zum Jubiläumsjahr im Dominikanerbau
14. September, 16 Uhr: "Im Sand verlaufen" - ein poetischer Spaziergang durch die Sandstraße mit Martin Neubauer, Start Dominikanerkirche
14. Oktober, 18 Uhr: Weinfest im Pelikan
14. November, 18.30 Uhr: Besuch des Fränkischen Brauereimuseums (Michelsberg 10 f) mit Führung
14. Dezember, 19 Uhr : Abschlussfeier des Jubiläumsjahres im Kontor 4
Die Kloake von St. Getreu ist genauso wie der Dreck vom Krankenhaus vor 125 Jahren ungeklärt in die Regnitz geflossen.
1904 wurde dann im Sandgebiet ein Abwasserkanal gebaut, an den sich die Gemeinde Gaustadt anschließen wollte. Gaustadt hätte sich sogar deswegen eingemeinden lassen. 1919 haben 377 Wahlberechtigte für den Anschluss an Bamberg gestimmt, 74 wollten selbstständig bleiben.
Der Bürgerverein Sand hat sich dagegen gewehrt und erklärt, dass man dieser Sache zunächst nicht näher treten könne.
Das gehört auch zur Geschichte des Bürgervereins Sand!
"Das alles stand vor einem Vierteljahrhundert..."; müsste es nicht vor Eineinvierteljahundert(en) heißen wenn man es so schreiben möchte?
schmarrgögerei!
Frauen waren ausgeschlossen...