Erinnerungen: So erlebten inFranken-Nutzer die Zeit nach Tschernobyl

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Die Wortwolke zeigt, welche Begriffe beim Thema Tschernobyl in unserer Facebook-Community besonders häufig verwendet wurden.Tagcloud: WordItOut
Die Wortwolke zeigt, welche Begriffe beim Thema Tschernobyl in unserer Facebook-Community besonders häufig verwendet wurden.Tagcloud: WordItOut

Wir haben Mitglieder unserer inFranken-Facebook-Gemeinschaft gefragt, welche Erinnerungen sie an das Frühjahr 1986 haben. Eine Auswahl der Antworten.

Aufschlussreich sind die Erinnerungen Dutzender Menschen, die in der inFranken-Facebook-Community geschrieben haben, wie sie sich an Tschernobyl erinnern. Schon die Wortwolke aus den Antworten zeigt, dass viele "damals" ähnliches erlebten: Sandkasten, Pilze, essen, Garten, draußen, Gemüse, Nachrichten, Kind, Mutter, Gefahr, Regen - immer wieder tauchen die gleichen Begriffe auf. Selbst Mittdreißiger, die zum Zeitpunkt der Katastrophe den Kindergarten besuchten, haben eine Erinnerung daran, wie Tschernobyl plötzlich auch das Leben in Deutschland veränderte. Hier einige der Beiträge:

"Ich hab in Oberhaid bei der Metzgerei Schels gelernt. Damals kam eine Frau in den Laden. Sie fragte ob wir Dosenfleisch haben? Ich sagte ja frisch von dieser Woche. Sie fragte ob wir keine mehr von vor 2 Wochen haben? Ich sagte Nein. Sie wollte keine Dosenwurst mehr wegen Tschernobyl. Diese Erinnerung kommt mir gleich in den Sinn wenn ich an damals denke.
"
Anja Regina Röthlein

"30 Jahre, als wäre es gestern gewesen. Ein großer Schock für uns, ich erwartete gerade unser erstes Kind und hatte viele Ängste. Ein Jahr Dosenfutter folgte..."
Bri Maria Kriesi , Kitzingen

"Meine Mutter hat alles an Konserven und Milchpulver gekauft. Wir durften nicht mehr außen spielen, vor allem, nachdem es geregnet hatte."
Stephanie Besendörfer, Cadolzburg (Kreis Fürth)

"Ich hab auf dem Balkon gesessen und für's Abi gelernt... am Anfang konnte keiner ermessen, welche katastrophalen Auswirkungen das haben würde, auch bei uns... Ich kann mich noch erinnern, dass zum Beispiel Sand auf Spielplätzen ausgetauscht wurde - es war nichts mehr wie vorher."
Ulrike Ammon, Coburg

"Meine damalige Freundin und ich (damals zarte 26) fuhren gerade auf dem Brenner Richtung Toskana. Die Radiomeldung konnte man in den ersten Stunden gar nicht richtig einordnen. In Italien war dann aber "lo nube", die Wolke, das Thema! In welcher Region fiel nach dem tragischen Unfall gerade Regen? Wo hat es radioaktives Material abgeregnet? Und dann die Angst und das Bangen: Wie geht es weiter? Was kann man noch essen? Welche Spätfolgen kommen da auf uns zu? Und wieder Dürrenmatts "Physiker" ausgegraben...! Aber der Mensch lernt halt nicht.
Gerold Seiler

"Ich war damals im Kindergarten. Wenn wir im Garten spielten und mit den Händen den Boden berührten, mussten wir sofort zum Hände waschen... Es waren mehr Kinder im Waschraum wie im Garten..."
Armin Platzöder, Uffenheim

"Als das passiert ist hat es mich gar nicht so interessiert aber später als ich Schilddrüsenprobleme bekam wurde vom damaligen Arzt gesagt: Es wäre von Tschernobyl. Ob das stimmt weiß ich nicht. PS. Ich wohnte damals nicht in Bayern sondern in Rheinland Pfalz."
Inge Sörgel

"Da war ich sieben. Aber in der DDR hat man da nix mitbekommen. War ja nur ein Störfall."
Ronny Eichler , Forchheim

"Ich wohnte in der DDR und dort wurde alles runter gespielt .Ich kann mich nicht daran erinnern, ob die es überhaupt offiziel gemacht haben. Ich habe es vom "Hören, Sagen" erfahren. Als die Fragen dann immer lauter wurden, haben sie uns gesagt , man könnte das Gemüse aus dem eigenen Garten bedenkenlos essen. Das waren schon immer Lügner und Verbrecher."
Viola Schult

"Ich war da noch in dem Bauch meiner Mama. Sie hatte damals Sorgen um mich gemacht. Man wusste ja damals nicht wie sich die Stahlung auf Babys im Mutterbauch auswirkte und wie weit die Verstrahlung ging. Wir haben damals in Hessen gewohnt."
Ann-Kathrin Mitschke

"Mich gruselt es immer noch, wenn ich die Bilder sehe, wie die Arbeiter und Soldaten der Sowjets mit Lederschürzen und Gasmasken als Schutz den Schutt vom Dach des Reaktors schippen, die armen Schweine müssen elendig zugrunde gegangen sein.Und bei uns in der Schule kam die Feuerwehr mit Geigerzählern..."
Roman Schneider, Kronach

"Ich war 14 und erinnere mich, dass es wegen des möglichen Niederschlages hieß, man solle mehrmals täglich duschen. Was ja im April ungewöhnlich war, da keine große Hitze herrschte. Es wurde abgeraten Pilze zu essen und Wildgerichte. Sozusagen das Symbol des Protestes gegen die Atomkraft war das Lied "Tschernobyl" von Wolf Maahn, das damals in den Schlagern der Woche lief."
Ralph Bauer, Würzburg

"Ich war mitten im Abi, an einer rot-grünen hessischen Gesamtschule, ihr wisst schon, die Atomkraft-Nein-Dank-Fraktion. Manche Eltern haben ihre Kinder nicht mehr raus gelassen, Hysterie pur. Keine Pilze essen, Regenschirm benutzen,.... und Burli von der EAV."

Jing Mai

"Ich war zu diesem Zeitpunkt im Schullandheim. Wir durften während des gesamten Aufenthalts nicht nach draußen."
Gabriele Reinhardt, Coburg

" Zu der Zeit war ich gerade in Regenstauf zur Umschulung, war zwangsläufig auch im Freien unterwegs, auch bei Regen. Dort hatte ich auch so was ähnliches wie einen Ganzkörpermuskelkater, den auch der Arzt nicht erklären konnte. Es ging auch am nächsten Tag besser, daher achtete ich nicht weiter darauf. Heute habe ich seit ca. 15 Jahren eine seltene Bluterkrankung..."

Reiner Lorber, Bamberg

"Ich war in Schlesien aufgewachsen und zu dem Zeitpunkt zehn Jahre alt. Wir mussten in der Schule Jod (war lila) trinken zur Vorbeugung..."
Maggie Martin, Schonungen

"Ich war noch relativ klein und an den Unfall kann ich mich nicht erinnern. Was aber bleibend in Erinnerung ist, dass ich nicht mehr in öffentlichen Sandkästen spielen durfte und es keine Pilze und kein Wild mehr gab. Das mit den Pilzen ist bei mir bis heute im Kopf und ich esse relativ wenige. Da sieht man, wie die Kindheit prägt."
Daniel Schreiner, Nürnberg

"Ich war beim LA der DFG-VK Bayern in München, gerade, als der ganze Mist per Regen runterkam - 25 Jahre später bekam ich Leukämie, Zufall?"
Wolf-Dietrich Jürgen Hieronymus

"Ich war zu diesem Zeitpunkt in Italien und mir war so beschissen zumute wie noch nie! Das Schlimme war die Information, die nicht vorhanden war. Wie hat sich der Fallout überhaupt ausgewirkt? Die guten Ratschläge wie keine Pilze mehr zu verzehren, Jodtabletten einnehmen und ähnliches haben nur noch mehr verunsichert. Aufklärung ? Wozu ?"
Arturo Bandini, Ettlingen (Baden-Württemberg)

"Da gab es endlich Gurken und Tomaten in der DDR im Überfluss, da der Westen nichts mehr abgenommen hat. Hahaha und ich lebe immer noch ..."
Claudia Berndt

Zwei Tage nach meinem 12. Geburtstag. Ich kann mich noch dran erinnern, dass wir im Gymnasium in den Pausen nicht mehr nach draußen gehen durften. Außerdem wurde uns gesagt, wir sollen keinen Salat aus dem Garten essen. Als ich mit meinem Mann über das Thema geredet habe (er ist aus Paris und hat zu der Zeit dort gelebt) hat er mir erzählt, dass die Medien damals in Frankreich verbreitet haben, die Wolke hätte die Grenze zu Frankreich nicht überquert und sie müssen sich keine Sorgen machen zwecks Radioaktivität. Das fanden wir im Nachhinein fast schon amüsant.
MaRa

"So schrecklich all das Geschehene ist, so positiv ist es zu sehen, wie die Natur sich Pripyat zurückerobert hat und wie selbst an einem Ort größter, durch den Menschen verursachter Katastrophe wieder friedliches, natürliches Leben entsteht!"
Manuel Ketz

"Ich war acht und bin auf dem Bauernhof aufgewachsen - also nur draußen. Es wurde uns ständig eingeschärft, keine Beeren, etc. zu essen. Keine Pilze sammeln, keine Blaubeeren, keinen Salat aus dem Garten ... beängstigend - man hat ja nichts gesehen. Ausgesehen hat ja alles wie immer..."
Stefanie Sommer, Kreis Bayreuth


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