Die Schäden an der barocken Kirche sind immens. Ein Tragwerksgutachten warnt vor Teileinstürzen. Auf die Stadt Bamberg kommen 2016 für die vorbereitenden Maßnahmen der Gebäudesicherung Kosten von mindestens einer halben Million Euro zu.
Bitter enttäuscht ist das Touristenpärchen mit der Kamera und dem Kunstführer in den Händen - selbst wenn die beiden Mitte November sowieso zu spät drangewesen wären, für eine Besichtigung. Es würde auch nichts nützen, wenn sie im nächsten Jahr einen neuen Anlauf machen, erfahren sie. Und voraussichtlich auch in den folgenden Jahren nicht.
"Wir werden die Kirche bis auf weiteres nicht mehr öffnen können. Auch nicht zu den Sonderterminen wie dem Kreuzweg", bedauert Stifungsreferent Bertram Felix.
Noch eindringlicher formuliert es die Projektleiterin der Sanierung von St. Getreu, Karin Hamper vom Immobilienmanagement der Stadt Bamberg: "Im vergangenen, sehr trockenen Sommer sind die Alarmzeichen von gelb auf rot gesprungen. Mittlerweile sind sie dunkelrot!"
Schon im März waren Teile der Kirche gesperrt worden, weil große Putzfragmente von der Decke stürzten. Das von einem Ingenieurbüro aus Bayreuth/Kulmbach erstellte Tragwerksgutachten ist seit einer Woche fertig. Darin wird das Gebäude in eine hohe Schadensklasse eingestuft.
Auf neun Metern Lehm gebaut
"Wir wollten wissen, woran die Kirche krankt." Das sind nicht nur Risse in den Gewölben, der Kuppel und den Fassaden (statisch hoch beanspruchten Bereichen), die in den letzten Wochen teilweise so breit geworden sind, dass man einen Daumen hineinstecken kann, sondern das sind auch Setzungen.
Ein Problem ist der Baugrund, der aus bis zu neun Metern Lehm besteht. Das Fundament des Langhauses gründet teilweise nicht tiefer als 1,20 Meter. Unter dem Gebäude scheint eine Wasserader zu verlaufen. "Es muss zu Gründungsverbesserungen kommen, wenn wir die Kirche retten wollen", sagt Bertram Felix.
Ein weiteres Problem sind die verschiedenen Bauphasen. Schon während der Bauzeit sei versucht worden, Misslungenes zu korrigieren - weitgehend erfolglos, meint Karin Hamper.
Der Dachstuhl weist große Schäden auf durch Pilzbefall und Schädlingsfraß. Es bestehen Lastkonzentrationen, die ein Gewölbe nicht fassen kann. Das Dach spreizt die Wände nach außen.
"Es ist schlimmer als schlimm"
Die Kuppel sei in der Mitte nicht mehr gestützt. Es bestehe die Gefahr, dass nicht nur Farb- oder Putzzschichten herabstürzen könnten, sondern ganze Platten. "Man muss damit rechnen, das das Fresko quadratmeterweise runterkommt." Bei den Untersuchungen habe man hautnah mitbekommen, wie ein großes Stück von der Decke auf den Boden krachte. "Wenn wir jetzt nicht reagieren, wird es zu weiteren Teileinstürzen kommen", prophezeit die Projektleiterin. "Es ist schlimmer als schlimm."
"Bis die Kirche irgendwann mal saniert wird, muss sie so gesichert werden, dass das wertvolle Inventar darin bleiben kann." Was die Ausstattung und die kunstgeschichtliche Bedeutung angeht, vergleicht Karin Hamper St. Getreu mit der Wieskirche.
Eine halbe Million Euro für den Anfang
Neben der Sanierung von St. Michael hat die Stadt in der unmittelbaren Nachbarschaft nun eine weitere große Baustelle, in jeder Hinsicht. Allein für die vorbereitenden Maßnahmen der Gebäudesicherung werde man eine halbe Million Euro in den Haushalt 2016 einstellen müssen, kündigt Bertram Felix an. "Und wir wissen nicht, ob das reicht."
Die St.-Getreu-Kirche kann nun auch nicht mehr die 13. Station des Bamberger Krippenwegs beherbergen. Seit der Schließung von St. Michael wurde die dortige Krippe in der St. Getreu-Kirche ausgestellt. Sie zieht jetzt in die Oswaldkapelle im Pfortenflügel der Klosteranlage um und ist dort während der Büroöffnungszeiten zu besichtigen .
Glocken sind wieder vereint
Unter so vielen schlechten Nachrichten fand sich am Montagnachmittag auch eine gute: Der Glocken-Dreiklang der Kirche ist nach fast 200 Jahren wieder komplett.
Nach der Säkularisation 1803 war im Jahr 1806 die Salvatorglocke nach Mühlendorf verkauft worden. Im Zuge der Sanierung des ehemaligen Chors mit Dachreiter (jetzt Treppenhaus der Städtischen Musikschule) kam der Wunsch nach einer Vervollständigung des Glocken-Dreiklangs auf. Die Kirchenstiftung Mühlendorf, der Pfarrgemeinderat und Pfarrer Walter Ries standen diesem Anliegen aufgeschlossen gegenüber.
Ende Januar dieses Jahres wurde die Salvatorglocke in Mühlendorf ausgebaut. Die "Lücke" dort schließt eine Glocke, die am ersten Advent geweiht wird.