Der österreichische Autor Christoph Ransmayr las im vollbesetzten Spiegelsaal der Harmonie aus seinem neuen Roman "Cox - oder Der Lauf der Zeit".
Der vielleicht genialste Uhrmacher seiner Zeit begeisterte mit seinen Zeitmessern und Automaten nicht nur gutbetuchte Europäer. Seine Werke fanden auch den Weg an den chinesischen Kaiserhof und noch heute sind sie im europäischen Palastmuseum und in Pavillons der Verbotenen Stadt zu sehen. Zu allem Überfluss zeugt ein 25 Meter langer Wandteppich von der Sammelleidenschaft des Kaisers, der 2000 Uhren jeweils für die heiße Jahreszeit in und aus seinem Sommerpalast tragen ließ.
Historischer Cox als Grundlage
Es waren diese Eindrücke, die Christoph Ransmayr am Anfang seiner Lesung, der ersten des diesjährigen Bamberger Literaturfestivals Bamlit, schilderte und die er nur deshalb erleben konnte, weil er einen Anschlussflug in Peking verpasste und die Gelegenheit nutzte, sich von einem Freund die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen zu lassen. Jedoch: James Cox, der im Roman Alister heißt, war zwar nie in China, beschäftigte aber im England des 18. Jahrhunderts bis zu 1000 Arbeiter in seinen Fabriken. Faszinierend für die gebannt lauschenden Zuhörer, unwiderstehlich für den Autor: "Dann führe ich die beiden zusammen", schmunzelte Ransmayr und reichte die nicht vorhandene Beziehung mit dem Roman "Cox - oder Der Lauf der Zeit" (Fischer, 22 Euro) kurzerhand auf gut 300 Seiten nach.
Fremd und geheimnisvoll
In der 90-minütigen Lesung nimmt Ransmayr das Publikum anschließend mit auf eine Reise in eine Zeit, die für westliche Europäer immer noch fremd und geheimnisvoll ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der chinesische Kaiser für seine Untertanen ein gottgleiches Wesen ist, das immer und überall präsent ist - auch wenn er Kaiser zu schlafen geruht.
Das Ende der langen Schiffsfahrt von England bis nach China ist gleichzeitig auch der Beginn des Abenteuers, auf das sich Alister Cox und seine drei Begleiter mit der Einfahrt ihrer Schiffe im Hafen von Peking (das Ransmayr wie alle anderen Begriffe mit einem charmanten chinesisch-österreichischen Akzent ausspricht) begeben. Das Fremde und Geheimnisvolle der Bräuche und Verhaltensweisen der chinesischen Gastgeber findet im Roman seine Entsprechung in langen Sätzen, deren Sinnhaftigkeit sich erst mit dem Schlusspunkt erschließt. Das Zuhören erfordert demzufolge Konzentration und straft ein gedankliches Abschweifen mit dem Verlust wichtiger Details.
Klassische Lesung
Nicht von ungefähr erinnert diese klassische Lesung an ein Hörbuch (Christoph Ransmayr hat sein Werk bei Argon tatsächlich auch selbst eingesprochen) wie sich etliche Zuhörer gegenseitig versicherten. Einigkeit herrschte auch darüber, dass diese Auftaktveranstaltung des Bamberger Literaturfestivals 2017 eine gelungene war.
In den einführenden Worten stellte Thomas Kraft, künstlerischer Leiter von Bamlit, den Autor Christoph Ransmayr vor und interpretierte den Roman als eine Geschichte über die Zeit an sich, als eine Vermittlung zwischen den Kulturen - was heute wichtiger denn je sei. Kraft wies außerdem darauf hin, dass eine solche literarische Veranstaltung nicht ohne die zahlreichen Sponsoren möglich sei.