Die Freiheit am Lebensende

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Yvonne Bauer, schwerstkranke Patientin auf der Bamberger Palliativstation, fühlt sich in den Händen von Chefarzt Jörg Cuno und seines Teams gut aufgehoben. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Yvonne Bauer, schwerstkranke Patientin auf der Bamberger Palliativstation, fühlt sich in den Händen von Chefarzt Jörg Cuno und seines Teams gut aufgehoben.  Foto: Marion Krüger-Hundrup
Nachdenkliche Stimmung im Pfarrsaal von St. Heinrich. Zwei Ärzte, eine Bischöfin und ein Jurist sprechen mit Staatsministerin Melanie Huml über Sterbehilfe. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Nachdenkliche Stimmung im Pfarrsaal von St. Heinrich. Zwei Ärzte, eine Bischöfin und ein Jurist sprechen mit Staatsministerin Melanie Huml über Sterbehilfe. Foto: Marion Krüger-Hundrup
 

Mit Staatsministerin Melanie Huml diskutierten zwei Ärzte, eine Bischöfin und ein Jurist im Pfarrsaal von St. Heinrich über "Sterbehilfe". Und wie denkt eine schwerstkranke Patientin auf der Bamberger Palliativstation über den "Giftbecher"?

Vor der Diskussion über "Sterbehilfe", zu der Staatsministerin Melanie Huml (CSU) auf Initiative des Evangelischen Arbeitskreises der CSU Bamberg-Stadt eingeladen hatte, stand der Ortstermin - ein Besuch auf der Palliativstation des Bamberger Klinikums im Christine-Denzler-Labisch-Haus. Sollte auch hier die in der Gesellschaft weit verbreitete Ansicht herrschen, dass nur aktive Sterbehilfe und ärztlich assistierter Suizid die wahre Freiheit am Lebensende ist?

Chefarzt Jörg Cuno beantwortet diese Frage zunächst nicht. Er lässt eine schwerstkranke Patientin selbst zu Wort kommen: "Der Doktor könnte mir hier einen Cocktail hinstellen, ich würde ihn nicht nehmen. Selbst ein Ende machen, ist gegen die Natur", sagt Yvonne Bauer (Name von der Redaktion geändert) mit Nachdruck. Die 50-jährige Mutter zweier Kinder liegt entspannt und leicht aufgerichtet im Bett.
Sie weiß genau, wie es um sie steht: inoperabler Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es bleiben ihr nur noch Wochen. Und dennoch spricht Yvonne Bauer von Hoffnung. Von der Hoffnung, "schmerzfrei gehen zu können". Das ist für die Todkranke "Autonomie im Wissen, was palliativmedizinisch möglich ist".

Die Ängste nehmen

In der Podiumsdiskussion im übervollen Pfarrsaal von St. Heinrich wird Jörg Cuno dann deutlich: Dank der Palliativmedizin sei "organischer Schmerz gut zu lindern, niemand muss körperliche Schmerzen haben". Doch es gebe auch "sozialen, seelischen, spirituellen Schmerz". Dem müsse die Gesellschaft, das persönliche Umfeld eines Patienten begegnen: "Wir müssen zur Umsorgung statt zur Endsorgung kommen", fordert der Arzt. Cuno plädiert dafür, neue Begrifflichkeiten zu finden, um Ängste zu nehmen: "Wir müssen weg vom Begriff Sterbehilfe hin zu Therapie am Lebensende."

Auch Gesundheitsministerin Huml nimmt die Gesellschaft in die Pflicht: "Ich wünsche mir, dass der unangefochtene Respekt vor dem Leben jedes einzelnen Menschen unsere Gesellschaft prägt, und nicht die vermeintliche Freiheit, selbst über den Todeszeitpunkt bestimmen zu können." Der eigene individuelle Sterbeprozess "ist die Freiheit am Lebensende", so Huml. Als Politikerin setze sie sich dafür ein, dass die Palliativ- und Hospizversorgung als "Signal für ein Leben in Würde bis zuletzt" verbessert werde, besonders in strukturschwachen Regionen und in Pflegeeinrichtungen: "Nur so wird es gelingen, den Forderungen in der Gesellschaft nach aktiver Sterbehilfe oder organisierter Beihilfe zur Selbsttötung überzeugend zu begegnen."

Der Intensivmediziner Hendrik Bachmann, Chefarzt an der Steigerwaldklinik Burgebrach, bekennt sich zwar auch zur notwendigen Palliativmedizin, will sie aber nicht aus dem ärztlichen Alltag "outsourcen", sondern integrieren: "Auch ich begleite auf der Intensivstation das Sterben und führe es nicht herbei." Und Bachmann bringt eine gesellschaftliche Realität auf den Punkt: Alter, Krankheit, grassierende Einsamkeit, den Verlust an Würde und Selbstständigkeit könne man nicht mit Morphin behandeln: "Wir müssen das Sterben wieder in unseren Lebensalltag integrieren", Mitmenschlichkeit beweisen, Achtsamkeit für den Nachbarn entwickeln.

Peter Herdegen, Richter am Oberlandesgericht Bamberg, merkt die Schwierigkeit an, in heutiger Zeit um den "lückenlosen Lebensschutz" kämpfen zu müssen. Der Jurist macht "Grauzonen und Grenzen zur Strafbarkeit" aus, wenn etwa eine ärztliche Beihilfe zum Suizid als Tatbeitrag Übergewicht hat. Oder wenn eine "irrtumsfreie Entscheidung des Sterbewilligen nicht klar ist". Herdegen schildert die erschütternden Erfahrungen mit der legalisierten aktiven Sterbehilfe in Belgien und den Niederlanden: "Das ist ein Kontrastmodell und kein Zukunftsmodell", warnt der Richter vor einem Dammbruch auch hierzulande. Und Herdegen stellt die Frage in den Raum, ob es den Ärzten zuzumuten sei, sich über das Tötungstabu hinwegzusetzen? Denn mit der Freiheit, der Autonomie "ist das so eine Sache: Von welchem Arzt kann ich den Giftbecher verlangen?"

Fünftes Gebot als "klare Linie"

Dorothea Greiner, Regionalbischöfin des Kirchenkreises Bayreuth, bringt das fünfte Gebot "Du sollst nicht töten" in den Diskurs. Dieses Gebot sei eine "klare Linie": "Wer sie überschreitet, betritt die schiefe Ebene." Nur auf den ersten Blick erhöhe ein ärztlich assistierter Suizid die Handlungsfreiheit. Auf den zweiten Blick erhöhe dieser den Druck auf Menschen, "sich selbst aus der Welt zu räumen". Gleichwohl müssten "wir als Christen" Ängste wahrnehmen und nicht kleinreden, so die Bischöfin. Doch durch politische und christliche Einflussnahme könne zum einen das Palliativ- und Hospizwesen flächendeckend ausgebaut, zum anderen "der Wert des fünften Gebotes hochgehalten" werden: "Anfang und Ende des Lebens liegen in Gottes Hand." Und: "Es gibt kein menschliches nutzloses Leben, wir sind eine Gesellschaft, zu der Schwäche gehört. Wir lernen am schwachen Leben die Liebe."

In den zahlreichen Fragen aus dem Zuhörerkreis, die Moderator Stefan Kuhn (Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises) an das Plenum weitergibt, fließen persönliche Erfahrungen mit Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Palliativstationen ein. Angst vor einer Ökonomisierung der Kliniken wird deutlich, in der der Einzelne dem Mammon untergeordnet wird. Bischöfin Greiner: "Was ist uns Menschlichkeit wert? Wir brauchen ein Umlenken in unserem Land, dass menschliches Leben eine Würde hat, die auch etwas wert sein darf."