Warum der innere Schweinehund auch wichtig ist

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Von der Daseinsberechtigung des inneren Schweinehundes: Er schützt vor falschem Perfektionismus. Bei "Fit in Franken" ist es Zeit für etwas Entspannung.

"Ich esse auch 'mal ein Schnitzel", verteidigt sich einer gegen die Feststellung, dass der "fitte Lebensstil" mancher Leute nervt. Niemand muss sich dafür rechtfertigen, dass er gesund lebt. "Mit Pommes!" Ist ja gut. Aber es ist eben genauso in Ordnung, ab und zu den inneren Schweinehund gewinnen zu lassen. Er schützt uns davor, aus Essen und Bewegung eine Ideologie zu machen, davor, dem Streben nach dem besseren, gesünderen, glücklicheren Selbst alles unterzuordnen.


Kein Fitness-Stress!

"Man muss nicht perfekt sein." Nadine Schlaug brachte es auf den Punkt, als sie vor ein paar Wochen in unserer Serie "Fit in Franken" berichtete, wie sie es geschafft hat, 20 Kilo abzunehmen. Model-Maße hat sie trotzdem nicht. Will sie auch nicht. Sie will sich wohlfühlen - und das Wohlfühlgewicht entsteht im Kopf. Fitness ist die Basis für ein gutes Leben, es soll kein Stressfaktor sein. "Die Menschen sind täglich mit ganz anderen Belastungen konfrontiert, Familie und Beruf stehen im Vordergrund, Sport läuft nebenher", erklärt Sportpsychologe Heiko Ziemainz von der Universität Erlangen. Es geht dabei darum, sich aktiv zu erholen, vom Alltag zu entspannen.
Wer in den acht Wochen der Fitnessserie einige der Tipps zu Sport und Ernährung ausprobiert, wer trainiert und Spaß gehabt hat, hat gewonnen - selbst wenn das in Woche eins gesteckte Fitnessziel nicht ganz erreicht wurde und der Schweinehund manchmal die Oberhand hatte. Kein Grund, sich Vorwürfe zu machen und zu resignieren! "Wenn man sein Ziel nicht erreicht hat, sollte man sich einfach ein neues setzen", sagt Ziemainz. Wenn es nicht geklappt hat, so viele Kilo abzunehmen wie geplant, wenn der Leistungszuwachs geringer ausgefallen ist als erhofft - klappt es im nächsten Anlauf. Einfach ein bisschen entspannter damit umgehen!


Aktive Entspannung

Ohne Erholung und Entspannung funktioniert Fitness nicht. Wer damit Probleme hat, kann es systematisch erlernen. Die entsprechenden Kurse werden oft sogar von den Krankenkassen bezuschusst. "Allerdings ist nicht jeder für jede Methode zugänglich", sagt die Bamberger Sporttherapeutin Julia Derbfuß. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Männer beispielsweise mit Fantasie- oder Gedankenreisen eher Probleme haben. Ein Verfahren, das Derbfuß zufolge bei den meisten Menschen funktioniert, ist die Progressive (abschnittsweise) Muskelentspannung. Dabei werden die Muskeln erst einmal kräftig angespannt und dann gelockert. Angefangen wird beispielsweise damit, die Hände zur Faust zu ballen - Spannung halten und schlagartig Muskeln entspannen. Die Übung wird mehrfach wiederholt, dann folgt die nächstgrößere Muskelgruppe Unterarme und Oberarme, dann Nacken, Rücken und so weiter, bis sogar die Füße entspannt sind. "Es ist physiologisch einfach, zu entspannen, wenn man die Muskeln vorher angespannt hat", erklärt Derbfuß. Bei regelmäßiger Übung hilft die Methode auch, in Alltagssituationen zu entspannen.


Gedankenkraft und Achtsamkeit

Martin Meichelbeck, Sportdirektor der SpVgg Greuther Fürth, empfiehlt die Body-Scan-Methode. Als Psychologe und Ex-Profikicker weiß der Mann aus Bamberg um die Macht von Gedanken und Gefühlen. Was Fußballprofis den Druck nimmt, funktioniert auch bei den meisten Normalsterblichen: Schrittweise werden im Geist die verschiedenen Bereiche des Körpers von den Füßen bis zum Kopf achtsam erspürt. Während wahrgenommen wird, wie sich beispielsweise der untere Rücken anfühlt, wird den dabei auftauchenden Gedanken und Gefühlen grundsätzlich mit einer akzeptierenden Haltung begegnet. Wichtig ist auch die Atmung. "Die Atmung ist sowieso das Element, mit dem der Körper sich am schnellsten entspannen lässt", sagt Meichelbeck.
Zur Entspannung von Körper und Geist mittels der Kraft der Gedanken ist auch Autogenes Training eine beliebte Methode. Dabei werden die Körperpartien allerdings bewusst angesprochen. So wie die Muskulatur auf den Gedanken, den Arm zu heben, reagiert, funktioniert es auch umgekehrt: Sich mehrfach zu sagen und vorzustellen, dass der Arm schwer ist, führt dazu, dass der Arm sich schwer anfühlt. Die Muskeln entspannen, und mit den verschiedenen, systematisch aufgebauten Übungen der ganze Körper - und der Kopf.


Passive Entspannung

Das geht im Idealfall auch auf die altmodische Art: Passive Entspannung heißt Nichtstun heute. Sich aufs Bett legen, Musikhören, Zeitung lesen, aus dem Fenster schauen, vielleicht einen Kaffee trinken, auch wenn der nicht so gesund ist wie ein grüner Tee. Auf die Optimierung des Körpers pfeifen und den aktuellen Zustand zum Wohlfühlgewicht erklären. Sich erholen, lange schlafen, auch mal faul sein. Hilft manchmal mehr bei der Suche nach dem besseren Ich als all das verbissene Arbeiten an sich. Der innere Schweinehund rettet uns davor, die "passive Entspannung" gänzlich zu verlernen.