Hanna Barats Sohn Max (6) hat Diabetes mellitus Typ 1. Mit der Diagnose kam der Modedesignerin eine Geschäftsidee.
Grinsend stehen die zwei Jungs nebeneinander. Max, sechs Jahre alt, und sein Kumpel Philipp, ebenfalls sechs. Sie reden über Philipps "coole Tattoos" und lachen über den neuen Witz, den Max aus der Schule mitgebracht hat. Eigentlich alles ganz normal. Bis Philipp an seinem Arm rumfummelt. Sein Sensor, eine weiße Scheibe in der Größe einer zwei-Euro-Münze, die an seinem Oberarm klebt, stört ihn. Max kennt das, auch ihn juckt immer wieder das Pflaster, das seinen Sensor am Oberarm fixiert. Die beiden Jungs sind Diabetikern und brauchen die Sensoren, um ihre Blutzuckerspiegel zu messen.
Der Sensor stört beim Spielen
Dank dieser Scheiben fällt zwar das lästige Stechen in die Fingerkuppe weg. "Doch auch die Sensoren können herausfallen und das tut weh", erklärt Hanna Barat, die Mutter von Max.
Sie zieht Philipp ein elastisches Band über den Oberarm, so dass der Sensor verdeckt und eingepackt ist. "Diese Armbänder sollen die Sensoren schützen und fixieren", erklärt Barat der Mutter von Philipp, Katja Meister.
Die zwei Mütter und ihre Söhne sind in Barats Büro in
Bamberg. Denn die Jungs spielen heute Model und probieren die neuen Entwürfe von Hanna Barat an. Barat, staatliche anerkannte Modedesignerin, entwirft Kleidung für Diabetiker.
Die Jungs sind Produkttester
Philipps Mutter ist begeistert: "Produziere die mal schnell, wir wollen dann auch so eins haben." Die beiden Frauen kennen sich aus dem Krankenhaus. Aus der Zeit vor rund zwei Jahren, als bei ihren Söhnen die Autoimmunerkrankung Diabetes mellitus Typ 1 diagnostiziert wurde. "Seitdem testen wir die Produkte", sagt Meister.
Angefangen hat alles mit einem Bauchband für die Insulinpumpe.
Denn Max trägt nicht nur den Sensor am Arm, sondern auch eine Insulinpumpe am Bauch. Die ist etwa so groß wie ein MP3-Player und pumpt über ein Infusionsset, bestehend aus einem Katheter samt Kanüle, Insulin in den Körper. Dieses Gerät ist für die beiden Sechsjährigen überlebenswichtig. Aber es ist unpraktisch.Es muss in die Hosentasche gesteckt werden. "Da kann die Pumpe aber immer wieder herausfallen", sagt Meister. Oder die Pumpe wird an einem Gürtel befestigt. "Aber da ist sie immer sichtbar", sagt Barat. Kurzum: Die Pumpe erinnert die Kinder ständig daran, krank zu sein
Die Krankheit vergessen können
Genau das wollte Hanna Barat ändern. Die 35-Jährige kann sich noch genau an den Tag erinnern, als sie das erste Mal eine solche Pumpe in der Hand hielt.
"Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Max dazu bereit war, diese Pumpe Tag und Nacht mit sich herumzutragen", erinnert sie sich. Zwar gibt es Gürteltaschen für die Pumpen - aber die sind unpraktisch oder verrutschten immer. Barat wollte aber, dass Max sich so wenig wie möglich von der Pumpe gestört fühlt, genauso unbeschwert spielen kann wie seine zwei Jahre jüngere Schwester und nicht immer an seine Krankheit denken muss. Also setzte sich die Modedesignerin kurzerhand an die Nähmaschine. Sie nähte für Max das erste Bauchband - einen Schlauch, den Max unter der Kleidung tragen konnte und der die Pumpe sowie das Infusionsset fest am Körper hielt.
Bei einer Kinderdiabetikerfreizeit entdeckte eine andere Mutter das Bauchband. "Wir waren dort und wurden gefragt, wer von uns denn Diabetiker sei, da man bei Max die Pumpe nicht sehen konnte", sagt Barat.
Als die Kinder schließlich spielten und kletterten, purzelten überall Pumpen aus den Hosen, nur nicht bei Max. "Eine Mutter sagte dann, ich sollte die Bauchbänder auf den Markt bringen." Barat dachte erstmals über eine eigene Firma nach.
Doch die zweifache Mutter wollte die Bänder noch optimieren und entschied sich für ein formbeständiges und elastisches Material, damit die Bauchbänder nicht mit der Zeit ausleierten. Max bekam das erste Modell, Philipp das zweite. "Philipp zog das Band an und wollte es nicht mal mehr zum Waschen ausziehen", erinnert sich die Mutter, Katja Meister.
Barat traute sich und gründete die Firma "mellitus one".Rein thematisch war der Sprung raus aus der Festanstellung rein in die Selbstständigkeit gar nicht so groß: "Beruflich hatte ich vorher funktionale Sportbekleidung entworfen. Das kam mir nun sehr gelegen", sagt Barat.
Entwarf sie früher Sporthemden mit Taschen für MP3-Player, designt sie nun funktionale Kleidung für Insulinpumpenträger.
Auf Rezept erhältlich
Heute, zwei Jahre später, sind die Bauchbänder unter dem Namen "Junior belly one" bei Apotheken und einem Händler für Diabetiker-Produkte zu finden. "Und sie sind auch auf Rezept erhältlich", sagt Barat.
Max und Philipp begutachten sich derweil in den neuen Kleidungsstücken: "Ich arbeite gerade an diesem Unterhemd mit integrierter Pumpentasche", sagt Barat. Und den Jungs gefällt's. Grinsend vergleichen sie ihre Muckis in den Hemden - ganz so, wie es Jungs in dem Alter machen.