Das deutsche Modell mit dem parallelen Lernen in Betrieb und Berufsschule genießt weltweit hohes Ansehen. Firmen wie Bosch gehen mittlerweile dazu über, es an Standorten in anderen Ländern aufzubauen.
Der erste Schnee in seinem Leben ist nur einer von vielen Eindrücken. Gestern früh hieß es für Man Nguyen wieder Abschied nehmen von Deutschland, von Franken, von Bamberg. Wenn der 26-jährige Vietnamese in seiner Heimat, auf dem Flughafen von Ho-Chi-Minh-Stadt landet, wird er ein fränkisches Bierglas im Gepäck haben. Doch die Gedanken des Bosch-Maschinenbauingenieurs werden um etwas anderes kreisen: Wie schaffe ich es, in unserem Bosch-Werk junge Leute so wie in Deutschland auszubilden?
Drei Monate hatte Nguyen Gelegenheit, an einem der größten Bosch-Standorte in Deutschland, dem Werk in Bamberg, die Ausbildungsabläufe kennenzulernen. Bosch verfügt dort über ein modernes Ausbildungszentrum, in dem rund 300 junge Menschen ihre Lehre absolvieren. Ausbildung auf deutsche Art heißt dabei: praxisorientiert und bedarfsgerecht, parallel in Berufsschule und Betrieb, mit einem Lehrvertrag in der Tasche.
Duales System nennt sich dieser deutsche Weg, der mittlerweile weltweit Beachtung findet.
"Interesse nimmt zu" "Alle beneiden uns darum", sagt Thomas Renner, Pressesprecher des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Berlin. Das System sei ein Grund für die vergleichsweise geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland. In der Welt, vor allem in den Industrieländern, hat sich das herumgesprochen. "Das Interesse nimmt zu. Wir bekommen immer mehr Besuchsanfragen von Delegationen", berichtet Andreas Pieper. Pieper ist Pressesprecher des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn, einer Koordinationsstelle, wenn es darum geht, andere Länder bei der Einführung des dualen Systems zu beraten.
Das BIBB unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Entwicklungsstufen: vom Gastbesuch einer Delegation über die Beratung vor Ort bis hin zum Abkommen auf Regierungsebene.
Mit Vietnam gibt es laut Pieper schon seit einigen Jahren ein derartiges Abkommen. Berufliche Ausbildungszentren würden dort gerade etabliert. "Den Viet namesen ist das System bekannt, es muss aber noch entwickelt werden."
Firmen wie Bosch tragen dazu bei. Sie haben ein Interesse daran, dass auch an ihren Standorten im Ausland betriebsnah ausgebildet werden kann. Künftig ist dies unter anderem eine Aufgabe für Man Nguyen. Rund 600 Menschen arbeiten in "seinem Bosch-Werk", etwa 40 Kilometer von der Millionenmetropole Ho-Chi-Minh-Stadt enfernt. "Es sollen in den nächsten fünf Jahren an die 2000 werden", sagt Nguyen voller Überzeugung.
Der 26-Jährige soll dort bald eine Gruppe von 15 Azubis betreuen.
Unterstützung erhält er ab Januar aus Deutschland. Bosch-Ausbildungsmeister Mario Fischer wird nach Ho-Chi-Minh-Stadt reisen. Die beiden kennen sich gut. Fischer hat Nguyen bei seinem Gastaufenthalt nicht nur die praktische Arbeit an den Bamberger Maschinen gezeigt, er hat ihm auch beigebracht, wie man Auszubildenden etwas vermittelt. Und dazu noch den ersten Kontakt mit Schnee und fränkischem Bier ermöglicht.
Ein Jahr lang wird Fischer vor Ort bleiben, dann sollen Nguyen und ein weiterer Kollege aus Vietnam die Ausbildung vollständig selbst übernehmen. "Es müssen Leute vor Ort machen. Das ist wichtig für die Akzeptanz", sagt Fischer. Die Investition in die Ausbildung vor Ort hält der 41-Jährige für unumgänglich. "Für unsere Art von Produkten braucht man Fachleute.
Die müssen von Anfang an nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis fit sein, vor allem die Maschinen kennen."
Gäste aus anderen Ländern Vietnam ist nicht das einzige Land, in dem Bosch auf deutsche Ausbildungsstruktur setzt. "Einen Gast aus Vietnam hatten wir zum ersten Mal", berichtet Franz Hubert, der Bamberger Ausbildungsleiter. Aber aus Bosch-Standorten in Indien, China, Brasilien, Russland und der Türkei seien schon in den zurückliegenden Jahren solche Gastbesuche von Ausbildern erfolgt.
Die Bemühungen um die duale Ausbildung in diesen Ländern bestätigt BIBB-Pressesprecher Pieper. Global Player wie Siemens oder deutsche Autohersteller hätten das vorangetrieben. Kooperationen unterhält das Institut laut Pieper mit rund 30 Ländern weltweit. Nur in Afrika sei das Interesse an dualer Ausbildung bisher gering.
Weitere Infos:
Vorteil Das duale System macht es möglich: Ein Dachdecker wird in Flensburg genauso ausgebildet wie in Füssen. Auch die Prüfungsstandards sind in Deutschland einheitlich.
Tradition Die Wurzeln der betrieblichen Ausbildung in Deutschland reichen zurück bis ins Mittelalter. Sie basieren auf dem Ausbildungswesen der Zünfte und Gilden. Neben Deutschland haben Österreich und die Schweiz seit langem ein ähnliches System.