Datenmissbrauch oder normaler Wahlkampf? Der umstrittene Serienbrief der Bamberger SPD

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Anschreiben in Polnisch Foto: Thomas Lehmann
Anschreiben in Polnisch  Foto: Thomas Lehmann

Über 3000 EU-Ausländer erhielten Post von Bambergs SPD. Wieder gibt es Vorwürfe. Darf die Stadt Namen und Nationalitäten gegen Geld herausgeben?

Es ist ein Wahlkampfschreiben unter vielen, die dieser Tage in Bamberger Briefkästen landen. Doch es birgt Zündstoff, weil es sich explizit an die in Bamberg lebenden EU-Bürger richtet und weil es dies in einer möglicherweise missverständlichen Weise tut.

Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und der stellvertretende Vorsitzende des Migranten- und Integrationsbeirats (MIB), Marco Depietri, der auch für die SPD kandidiert, bitten darin um das Vertrauen der Angeschriebenen, wenn am Sonntag der Bamberger OB und der Stadtrat gewählt werden.

Das Schreiben wurde am 5. März in sieben verschiedenen Sprachen versandt, in Polnisch, Französisch, Rumänisch, Bulgarisch, Griechisch, Englisch und Kroatisch.

Dabei geht es nicht um den organisatorischen und finanziellen Aufwand, den die SPD-Kreisgeschäftsstelle mit dem Wahlschreiben hatte. Es ist die Frage, ob es rechtlich zulässig ist, dass die Sozialdemokraten die Adressen und Nationalitäten von über 3000 Bürgern genutzt hat oder ob es sich um Datenmissbrauch handelt.

Diesen Vorwurf erhebt zumindest Thomas Lehmann. Lehmann, Leiter der Bundespolizeischule und auf der CSU-Liste auf Platz 18 positioniert, hat zusammen mit seiner Frau, einer polnischen Staatsbürgerin, Anzeige gegen Unbekannt bei der Bamberger Staatsanwaltschaft erstattet. Der 52-jährige Polizeibeamte ist davon überzeugt, dass hier der gesetzlich vorgeschriebene Datenschutz verletzt wurde, er spricht wörtlich vom Verdacht auf eine Straftat. Konkret bezieht sich Lehmann auf Paragraph 50 des Bundesmeldegesetzes. Er geht davon aus, dass weder die Herausgabe der Nationalitäten aus dem Melderegister noch die Verwendung durch die SPD erlaubt waren. Dies habe der Gesetzgeber mit gutem Grund nicht gewollt.

Hört man Lehmann, war es nicht nur der Umgang mit Daten, der ihn zur Anzeige bewogen habe. Auch die direkte Wahlaufforderung von zwei Amtsträgern habe ihn und seine Frau irritiert. Schon in der ersten Zeile des Schreibens werde der Eindruck erweckt, es handele sich um ein offizielles Schreiben der Stadt und des MIB.

Das war es natürlich nicht. Cornelia Daig-Kastura, Leiterin der SPD-Kreisgeschäftsstelle, lässt auch gar keinen Zweifel, dass es sich um ein aus ihrer Sicht völlig legitimes Wahlschreiben handelt. Mit ihm habe die SPD vor allem jene Mitbürger erreichen wollen, die über ihr Wahlrecht häufig gar nicht Bescheid wüssten. Mit der Übersetzung in die Muttersprache solle erreicht werden, dass die Menschen sich emotional angesprochen fühlten. Das gleiche Schreiben habe es bereits vor sechs Jahren gegeben. Auch die Vorwürfe des Datenmissbrauchs weist Daig-Kastura von sich. Die Daten seien entsprechend dem Bundesmeldegesetz von der Stadt gegen Geld herausgegeben worden.

Tatsächlich erlaubt dieses Gesetz den Einwohnerämtern, Parteien auf Anfrage Daten von Gruppen von Wahlberechtigten zu nennen, allerdings ohne Geburtsdaten. Ist die Herausgabe der Nationalität erlaubt? Ralf Haupt, Leiter des Sozial- und Ordnungsreferats, bezeichnet sie als Ergänzung. Auch Bambergs Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) sieht die Stadt auf der sicheren Seite: "Der Wahlbrief war die selbstverständlichste Sache der Welt. Jede Partei und jede Gruppierung hat das Recht, Adressen beim Einwohnermeldeamt im Wahlkampf zu kaufen. Dieses Recht haben auch andere ausgeübt."

Doch in Migrantenkreisen bleibt die Wahlkampfpost nicht unwidersprochen. "Viele Mitbürger verstehen das Schreiben nicht als SPD-Brief, sondern als Wahlempfehlung des MIB für Starke und Depietri", sagen Mitglieder des Migrantenbeirats, die nicht genannt werden wollen. Der politisch neutrale MIB werde für Wahlkampf benutzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Gepflogenheiten im Bamberger Wahlkampf die Justiz beschäftigen. Erst vor wenigen Wochen warf die Fraktion der Bamberger Allianz dem OB vor, ein aus ihrer Sicht nicht neutrales Wahlvideo auf der Homepage der Stadt eingestellt zu haben. Mittlerweile ist das Video gelöscht. Dennoch wird das Verwaltungsgericht Bayreuth um die Entscheidung nicht herumkommen, ob das Video den Tatbestand einer unzulässigen Wahlbeeinflussung erfüllte oder nicht. Ursula Redler, Kandidatin der BA-Fraktion, will die Klage nicht zurückziehen. Sie ist der Meinung, dass es mit dem Neutralitätsanspruch im Bamberger Rathaus nicht sehr weit her ist. Wörtlich spricht sie von einem "roten Faden des Hochmuts und der Einstellung der eigenen Unantastbarkeit".