Bei seiner Lesung in Bamberg machte Hamed Abdel-Samad Ende Oktober einen nervösen Eindruck und wurde von zwei Personenschützern begleitet. Der deutsch-ägyptische Islamkritiker war seit dem Sommer Morddrohungen ausgesetzt. Sein Verschwinden war mysteriös, seine Lage verrät viel über die Situation in Ägypten, wie ein Erlanger Politologe erklärt.
Von Adolf bis Allah: Wer so ein Motto für eine Fernsehsendung wählt, ist nicht zimperlich. Aber in diesem Ruf stehen Hamed Abdel-Samad und Henryk M. Broder sowieso nicht. Der Titel der ersten Folge ihrer "Deutschland-Safari" vor drei Jahren ist nur ein Beispiel für die kernige, böse Art von Satire, mit denen dieses ungewöhnliche Duo - der Moslem und der Jude - Deutschland bereiste. Themen wie Rassismus, Antisemitismus, und Islamophobie thematisierten sie skurril, komisch und provokativ.
Am Sonntag verschwand der deutsch-ägyptische Autor Abdel-Samad spurlos in Kairo. Dienstagabend tauchte er genauso plötzlich wieder auf.
In Bamberg wirkte er nervös Über die satirische Fernsehserie kamen viele Leser zu den Büchern Abdel-Samads. Erst Ende Oktober hatte er in Bamberg sein jüngstes Werk "Krieg oder Frieden" vorgestellt und danach mit einigen Besuchern über die Entwicklung in Ägypten diskutiert. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde Abdel-Samad von zwei Personenschützern begleitet und machte auf Zuschauer einen nervösen, etwas ängstlichen Eindruck.
Nachdem er den Islam im Sommer in Ägypten faschistoid genannt hatte, hatten radikale Islamisten öffentlich zum Mord an dem deutsch-ägyptischen Autor aufgerufen. "Abdel-Samad macht etwas, das in pluralistischen Gesellschaften Gang und Gäbe ist", sagt der Erlanger Politologe Christian Wolff, dessen Spezialgebiet der politische Islam ist. "Er spitzt sehr zu. Das kann man dort tun, wo sich ein demokratischer Diskurs etabliert hat. Aber das politische Spiel entwickelt sich erst in Ägypten. Da ist Abdel-Samad vielleicht einen Schritt zu früh dran."
"Weimarer Verhältnisse" Das freie Spiel der politischen Kräfte sei aggressiv geworden, da es immer noch keine klaren Ordnungsstrukturen gebe, politische Mitbestimmung und Gerechtigkeitsfragen ungeklärt sind und der wirtschaftliche Aufschwung immer noch fehlt. "Das erinnert an Weimarer Verhältnisse", sagt Wolff.
Eine gefährliche Lage also? "Eher eine unkontrollierte Lage. Es ist klar, dass das Militär regiert, auch, dass es keinen Präsidenten ohne Unterstützung des Militärs geben wird." Trotzdem sei auch deutlich zu sehen, dass Ägypten sich entwickelt: "Es entsteht ein Diskurs, verschiedene Meinungen, Strömungen - aber es braucht Zeit, bis die Emotionalität raus ist."
Wenn jemand in dieser Lage mit sehr pointierten, zugespitzten Thesen daher komme, könne es schon gefährlich werden. "Trotzdem ist der ganze Fall sehr diffus." Abdel-Samad hatte einen Leibwächter, zog aber alleine los. "Das verstehe ich nicht", sagt Wolff. "Und ich verstehe nicht, warum der Leibwächter nicht einfach mitgegangen ist - bei jemandem, der To desdrohungen bekommen hat!"
Fest steht, dass der Autor nicht von Islamisten entführt wurde, sondern von Leuten, mit denen er Geschäftsbeziehungen hatte. Ägyptische Medien berichten, der Besitzer einer Plastikfabrik sei in den Vorfall verwickelt. Abdel-Samad hat bisher nicht erklärt, was passiert ist. Verpflichtet ist er dazu nicht. Seine Geschäfte sind Privatsa che.