Ein Dorfwirtshaus, in dem Katzen durch die Küche marschierten und keiner das krumm nahm, weil alles andere passte: die Wirtin ein Original, die Brotzeiten legendär (und günstig), die Atmosphäre einmalig. Wer erinnert sich an diese Zeiten im Laubender Gasthaus?
Also sowas. Ist doch gar nicht möglich, dass man daran einfach vorbeiläuft. Da parkt das Auto fast daneben und der Blick ist ganz woanders hin gerichtet: In eine Einfahrt, die vor vielen Jahren der Weg ins Pausen-Paradies war. An einem grauen Novembertag gehen die Gedanken zurück an verträumt-verbummelte Spätsommermittage. Viele Jahre zurück.
Stand weiter hinten, mitten im Hof, ein orangefarbener Pritschenwagen eines regionalen Unternehmens, war alles gut. Dann war offen. Sie schmausten schon, die Arbeiter. Die Musikauswahl, die aus dem Autoradio durchs heruntergekurbelte Fenster schallte, traf höchst selten den Geschmack der neu Ankommenden. Nebensache!
Irgendwann kein Geheimtipp mehr
Trotz vieler Abend- und Wochenendgäste war "die Laubender Wirtschaft" bis zum Aufkommen der ersten Bierkellerführer ein Geheimtipp. Danach fühlte sich im Sommer hier noch wohl, wem der Trubel eines bestbesuchten Gasthauses mit Außenbetrieb nichts ausmachte.
Für alle, die den Zauber einer Mittagsrast unter tiefblauem Himmel (und mit Fliegen aus dem benachbarten Kuhstall) dort kennengelernt haben, wird der Platz auf der Bierbank unter dem Rosenspalier ein Sehnsuchtsort bleiben.
Satt vom Essen und schläfrig von der großzügig bemessenen Portion Bier im Radler mit dem Rücken an der Hauswand lehnen und überlegen, ob man noch mal zur Wirtin in die Küche geht und ein Stück Butter und eine aufgebackene Salzbreze zum Nachtisch ordern soll ... wie heißt es da immer in einem Werbespot für Kreditkarten? "Unbezahlbar!"
In keiner anderen Wirtshausküche der Welt hätte man toleriert, dass auf der Eckbank gelegentlich eine der vielen Katzen saß, für die Frau Dillig (dass ihr Vorname Sieglinde war, erfuhr der Nicht-Laubender aus der mit größtem Bedauern gelesenen Todesanzeige vor einigen Jahren) ein großes Herz und immer einen vollen Futternapf hatte.
Ihr Ziebeleskäs: von A bis Z selbstgemacht - und einfach eine Wucht. Man war voll Bewunderung, was sie alles allein stemmte (abends und an den Wochenenden hatte sie Helfer), obwohl es ihr manchmal sichtbar gesundheitlich nicht besonders gut ging.
Wo sonst hat man mit der Köchin plaudern können, während sich die Teller füllten? Wenn sie allzu sehr im Stress war, hat sie es einen schon wissen lassen - und die Gäste haben sich, ohne deswegen sauer zu sein, wartend in den Flur zurückgezogen.
Lang ist's her. Aber nicht ganz zu Ende. An einem grauen Novembertag findet sich ein weißes Schild an der braunen Wirtshaustür: "Gasthaus Dillig Laubend geöffnet am 22. November 2015 ab 15 Uhr".
Der Marsch zum Ortseingang ist kurz. In Richtung Merkendorf leuchtet es strahlend hellblau. Die Malerei im Buswartehäuschen zaubert dem, der sie zum ersten Mal sieht, ein Lächeln aufs Gesicht. Das Motiv lässt Raum für Interpretationen. Sind's Kinderwünsche, die das Seifenblasen pustende Tier in den Kugeln eingefangen hat? Ein Pony, ein Hund, ein Urlaub am Meer?
Weintrauben am Obstbaum
Auf dem Rückweg ein Gartenzaun voller Trauben. Der Blick bleibt haften. Ein Stück weiter: noch mehr Wein. Auch in Augenhöhe. Was ist das? Nicht nur in Augenhöhe, sondern so weit oben, dass man den Kopf in den Nacken legen muss!
Da parkt das Auto fast daneben und man ist beim ersten Mal dran vorbeigelaufen. Das Suchspiel, was am Obstbaum nun wirklich zu den Ästen und was zur Weinrebe gehört, lässt sich leider nicht zu Ende spielen. Die Arbeitszeit für unsere Serie "Zehn Minuten und ein Handy" sind um.
... und wer erinnert sich noch, als die Mutter "den Laden schmiss"?
Es war (für uns!) eine wahre Idylle: Frau Dillig, die Mutter von "Sieglinde" (die "junge Frau Dillig" mit dem Vornamen anzusprechen grenzt für mich an Respektlosigkeit!), ein kleine Frau mit Haarknoten, großer Brille und Schürze, versorgte ihre Gäste mit all den bekannten Köstlichkeiten: von der "Gemischten", eine "Produkt-Schau des Hauses", mit ff Göttinger, rotem und weißen Pressack, Leberwurst, Schinken, Salzbauch, Bratenscheibe, mit oder ohne Gurke (für Kinder 2 Stück). Und damals schon dem "besten Ziebeleskäs der Welt" (meine Klassifizierung)! Sie trug auf, fränkisch wortkarg, aber mindestens ebenso herzlich. Beim Bezahlen nahm sie den Geldschein, ging damit in die Küche und kam mit dem Rückgeld, stets für jeden Zahler extra. Die Annahme von Trinkgeld lehnte sie grundsätzlich ab! Sie lauschte gerne, am Ofen lehnend, den Unterhaltungen ihrer Gäste oder schaute nebenbei den "Schafkopfern", am Stammtisch neben dem Ofen, über die Schultern, ohne sich einzumischen, ohne Kommentar. Sie war sichtbar von einem harten Arbeitsleben gezeichnet, aber sie hielt unzweifelhaft "das Heft in der Hand"!
In der Ecke der Wirtsstube, unter dem Fernseher, saß meist "der Juli", der Sohn Julius, der einst für die Versorgung mit dem noch eigenen Bier zuständig war, ein großer, dürrer Mann stets im blauen Arbeitsanzug, mit wettergegerbtem Gesicht und noch wortkarger als die Mutter, aber scheinbar zufrieden, ebenso den Gäste zuhörend und beobachtend. Zu Abschied erhob er stets nur die Hand, ohne ein Wort zu sagen, ein leises Lächeln verriet aber, dass man hier willkommen war.
Und dann war da auch noch die "junge Frau Dillig", wie sie sich gerne hat ansprechen lassen: Sie hatte zu diesen Zeiten wenig mit der Gastronomie zu tun, sondern versorgte viel lieber ihr "Viechzeuch", immer im Eilschritt oder auf ihrem "Bulldog".
Die Zahl der Gäste war klein, stets die selben, und die Unterhaltung ging quer über alle Tische.
... für diesen Erinnerungsbericht. Wir haben es oft erlebt, wenn man z.B. Bratwürste bestellte und im Flur vor der Küchen-Durchreiche in einer Reihe wartete, jemand vor uns Bratwürste orderte und man hinein rief: "Wir wollen auch welche" in der Meinung, dass dies doch in einem Arbeitsgang erledigt werden kann, meinte Sieglinde nur: "Schön der Reihe nach" und legte nur die vor uns bestellten Bratwürste in die Pfanne. In stoischer Ruhe wurde stets einzeln das Brot geschnitten usw. Unsere folgten danach, alles einzeln. Niemand murrte. Und alles schmeckte zum Bier einfach köstlich!!! Wenn der Abend weit fortgeschritten war, machte sie aber auch schon mal darauf aufmerksam, dass es langsam Zeit wird, zu gehen...
wenn wir von Gundelsheim nach Laubend gewandert sind, Sommer wie Winter. Und Sieglinde beim Anstechen und Hochheben von einem neuen Bierfässla meinte: " Geh fei her, maanst ich kriech des allans do nei?" Jo freili, hot do ana gern geholfen, und a Seidla gradis gab's obendrauf!!