Das "Theater im Gärtnerviertel" hat mit der jüngsten Produktion buchstäblich seine Wurzeln aufgesucht. Vor dem Gewächshaus der Gärtnerei Niedermaier beobachten wir Leben und Treiben des Casanova.
War Casanova ein Don Juan? Keinesfalls, unterstellt die liebenswürdige Interpretation, die Heidi Lehnert und Nina Lorenz aus einem mehrtausendseitigen Textkonvolut destilliert haben. In seiner Autobiografie schrieb der alte Giacomo Casanova (1725-1798), müde geworden, noch einmal all die Amouren und Abenteuer auf, die seinen Namen sprichwörtlich und ihn zu einer literarischen und Filmfigur machten.
"Geschichte meines Lebens" nannte der Venezianer, der sein Leben lang rastlos durch Europa zog, bis er auf Schloss Dux in Böhmen ein Gnadenbrot verzehrte, seine Memoiren. Was für ein Leben war das? Noch 2001 schrieb ein italienischer Professor, dass es "eine Abfolge von Fluchten, Betrügereien, Duellen, gewonnenen und verlorenen Vermögen, vollzogenen, verweigerten oder erzwungenen Liebschaften" gewesen sei. Klar, dass das "Theater im Gärtnerviertel" (TiG) sich in seinem Sommer-Stück für einen anderen Casanova entschied. Es ist ein Mann, der die Frauen liebte (132 mindestens waren es nach Ausweis der Memoiren), die Wissenschaften, das Schreiben, die Philosophie, das Leben überhaupt. Kein Getriebener wie Don Juan, sondern eher ein echtes Kind des Rokoko, ein Glücksspieler auch auf erotischem Terrain.
Regisseurin Heidi Lehnert hat den Titelhelden zweigeteilt, und sie hat gut getan daran. Benjamin Bochmann spielt den jungen, feurigen, von unbändiger Lebenslust erfüllten Casanova, Stephan Bach den alten, dem die Knochen knirschen und der wehmütig den in der Blüte seines Lebens vollbrachten Tollheiten nachtrauert - sofern er das noch kann: "Einst war ich von ihnen besessen und nun hab' ich sie fast alle vergessen", klagt der wie immer großartige Bach.
Aus der Fülle der auch kulturhistorisch immens bedeutenden Erinnerungen des Casanova konnten die Autorinnen naturgemäß nur einige Episoden auf die Bühne bringen. Diese Bühne ist der Raum vor dem Gewächshaus der Gärtnerei Niedermaier in der Mittelstraße, die erste Open-Air-Produktion des Theaters im Gärtnerviertel, eine berückende Kulisse zumal an einem schönen Sommerabend. Ein paar Paletten liegen aufeinander, ein Gummiwagen mit Flokati-Auflage steht herum, das Gewächshaus dient als Refugium, wenn das Tier mit den zwei Rücken gespielt wird.
Olga Seehafer und Ursula Gumbsch spielen alternierend und zusammen die vielen Geliebten des Homme à Femmes, Seehafer u. a. Henriette, Liebe seines Lebens - diese Episode war etwas zu breit ausgewalzt -, die andere eine Gärtnerstochter, die mit unwiderstehlichem Charme und urkomisch zum Beispiel die Gretchenfrage im Bamberger Dialekt formulierte. Jakob Fischer zupfte und schlug auf der Gitarre parallel zur Handlung virtuos musikalische Marginalien, und hübsche Regieeinfälle wie der sich hinter der Bordwand keusch entkleidende Casanova steigern das Vergnügen. Wie überhaupt die Erotik dezent und jugendfrei inszeniert wird, für alle geeignet. Ein Theaterstück, das auf überambitionierte Manierismen verzichtet, aber mit Liebe und Hingabe gemacht ist. Bleibt die Frage, die alle Männer umtreibt: Was machte den Casanova so unwiderstehlich? "Ich bin einfach da, ich verstecke mich nicht", sagt er zu Beginn. Aha.
Weitere Vorstellungen am 2., 8., 9., 14., 15. 7., jew. 20 Uhr, Gärtnerei Niedermaier, Mittelstr. 42.
Karten bvd, Tel. 0951/9808220, oder Betten Friedrich, Obere Königstr. 43, Tel. 0951/27578
Dauer 2 Stunden