Bus fahren für einen Euro täglich

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Beliebig Bus fahren im ganzen VGN-Gebiet für 365 Euro im Jahr: Für Schüler und Auszubildende ist das bereits möglich, für alle anderen ist derzeit noch die Finanzierung fraglich.Ronald Rinklef/Archiv
Beliebig Bus fahren im ganzen VGN-Gebiet für 365 Euro im Jahr: Für Schüler und Auszubildende ist das bereits möglich, für alle anderen ist derzeit noch die Finanzierung fraglich.Ronald Rinklef/Archiv

Seit dem 1. August können Schüler und Azubis ein 365-Euro-Ticket für das VGN-Gebiet erwerben. Ob es dieses Angebot für alle Bamberger geben kann, hängt von der Finanzierung ab. Schon das Schülerticket kostet die Stadt 243 000 Euro.

Mittags am ZOB trifft man auch in den Ferien Fahrgäste aus allen Altersgruppen. Manchen Schülern ist hier das 365-Euro-Ticket nicht nur ein Begriff, sie haben es schon. "Wir kriegen das von der Schule gestellt", sagt Victoria Rödel. Sie ist täglich auf den Fahrschein angewiesen. Müsste sie den regulären Preis zahlen, käme sie auf acht Euro am Tag. "Ich wohne zu nah an der Ausbildungsstelle, deshalb bekomme ich es nicht", sagt eine andere junge Frau. Und Julia Thiel, die mit ihren Kindern auf den Bus wartet, würde sich freuen, wenn es in Bamberg das 365-Euro-Ticket für alle gäbe: "Das wäre was für uns, wir fahren jeden Tag."

Auch in unserer Facebook-Gruppe wird das Thema diskutiert: "Meine Tochter hat das VGN365 von der Schule schon bekommen. Wenn es das für Pendler auch geben würde, würde ich öfters mit dem Zug auf die Arbeit nach Erlangen fahren", sagt Daniel Lodes. "Wäre doch nicht schlecht, wenn es so ein Ticket auch für Bamberger gibt, es würden vielleicht auch mehr Leute mit dem Bus fahren", findet auch Matthias Brotkorb.

Bis es zur Erfüllung dieses Wunsches kommen kann, dürfte es freilich noch eine Weile dauern. Zwar heißt es im Kooperationspapier von Grünes Bamberg, Volt, ÖDP und SPD neben vielem anderen: "Unter der Voraussetzung, dass die Finanzierung durch Land und Bund gesichert ist, sichern wir die Einführung des 365-Euro-Tickets zu." Doch die angesprochene Vollfinanzierung auf Bundes- und Landesebene gibt es bislang so noch nicht.

Es geht nicht allein um den Preis

Für Christian Hader, den mobilitätspolitischen Sprecher von Grünes Bamberg, ist eine solche Gegenfinanzierung aber notwendig, "da eine Kommune beim ÖPNV das Geld nur einmal ausgeben kann und neben einem günstigeren Tarif wir auch Anbindung, Taktung und Frequenz verbessern wollen, da dies am Ende wohl die entscheidenden Faktoren für den Umstieg sein werden". Man verschließe sich daher auch anderen Modellen nicht, etwa einem solidarischen Bürgerticket, das individuelle Fahrtkosten senken und zugleich finanziellen Spielraum für die Verbesserung des Angebots schaffen soll.

"Das 365-Euro-Ticket für alle ist sicher eine interessante, verkehrspolitische Option, um den ÖPNV weiter zu stärken. Allerdings immer unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit", sagt Stadtwerke-Pressesprecher Jan Giersberg. Auch für ihn lässt sich die Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln nicht allein über günstige Tickets steigern, "sondern vor allem über ein attraktives, bedürfnisorientiertes Angebot."

Mit Blick auf das bereits existente 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende, stellt Giersberg fest: "Die Tickets gibt es jetzt schon und den Verbundpass auch. Wer sich jetzt schon kümmert, vermeidet im September Wartezeiten."

Schon dieses Ticket kostet für etwa 14 500 Berechtigte im Stadtgebiet (im VGN-Geltungsbereich sind es 360 000) etwa 750 000 Euro, davon übernimmt der Freistaat knapp zwei Drittel. Die Stadt muss dann noch knapp 243 000 Euro im Jahr beisteuern.

Im gesamten VGN-Bereich entstehen den Verkehrsunternehmen geschätzte Mindereinnahmen von jährlich rund 44 Millionen Euro, die der Freistaat Bayern und die Aufgabenträger für den ÖPNV (kreisfreie Städte und Landkreise) ausgleichen. "Anders sieht es beim 365-Euro-Ticket für Jedermann aus", sagt VGN-Pressesprecher Manfred Rupp. Die Einführung eines solchen Tickets habe sich der Freistaat Bayern bis 2030 zum Ziel gesetzt.

"Im zurückliegenden Kommunalwahlkampf und auch schon davor wurde von verschiedener Seite eine möglichst schnelle Einführung im Gebiet des VGN gefordert", erinnert sich Rupp. "Allerdings gingen die Überlegungen kaum über eine plakative Forderung hinaus." Fragen der Finanzierung, der genauen tariflichen Ausgestaltung, etwa der räumliche Gültigkeitsbereich, und die weiteren Folgen seien nicht betrachtet worden.

Und gerade die Finanzierung dürfte einer der Knackpunkte sein: "Nach unseren derzeitigen Prognosen lägen die Kosten für ein VGN-weites 365-Euro-Ticket für Jedermannn bei jährlich 60 bis 75 Millionen Euro", sagt der VGN-Sprecher. Die 44 Millionen Euro für das jetzige Schülerticket sind da noch nicht hineingerechnet.

Blick über den Tellerrand: Wien macht's vor

Als Pionier in Sachen 365-Euro-Ticket gilt die Stadt Wien, wo eine solche Jahreskarte bereits 2012 eingeführt wurde.

Dass dort der Anteil von Bussen und Bahnen am innerstädtischen Verkehr um ein Drittel zugenommen hat, liegt aber nach einer Studie der Hamburger "Civity Management Consultants" vor allem an der massiven Ausweitung des ÖPNV-Angebots. Das Liniennetz sowie die Taktung von Bussen und Bahnen sei heute "deutlich dichter und attraktiver" als das deutscher Vergleichsstädte wie Berlin, Köln oder München. Das 365-Euro-Ticket selbst habe den Wiener Verkehrsbetrieben allerdings keinen nennenswerten Kundenzulauf beschert. Die Zahl der verkauften Jahreskarten stieg zwar um 21,6 Prozent - der Anstieg sei aber zu einem ganz erheblichen Teil auf Kunden zurückzuführen, die von anderen Fahrkarten-Angeboten auf das 365-Euro-Ticket wechselten. Solche "Kannibalisierungseffekte" fürchtet in Nürnberg auch die VAG ab 2023.

Denn der Nürnberger Stadtrat hat im Juni beschlossen, ein 365-Euro-Ticket für Jedermann bis zum 1. Januar 2023 einzuführen. Für ein entsprechendes Bürgerbegehren (das auch ein Sozialticket für 15 Euro beinhaltete) hatten mehr als 21 000 Nürnberger unterschrieben, der Stadtrat kam dann mit seinem Beschluss einem Bürgerentscheid zuvor. Bis 2023 will sich Nürnberg nun um eine finanzielle Beteiligung durch Bund und Land bemühen und weitere Partner finden.

"Aus Sicht des VGN macht eine solche Insellösung keinen Sinn", sagt allerdings VGN-Pressesprecher Manfred Rupp. Denn die Belastungen durch den Individualverkehr in der Stadt Nürnberg würden in erster Linie durch den Pendlerverkehr aus der Region verursacht. Ein auf das Stadtgebiet beschränktes Ticket könne diese Probleme aber nicht lösen. Und wenn die Umland-Bewohner nun mit dem Auto bis zur Grenze des Geltungsbereichs fahren, würde das der eigentlichen Idee des 365-Euro-Tickets zuwiderlaufen.

Modellregion gefordert

Schon im Vorfeld hatten sich aber die Oberbürgermeister der Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen, Schwabach und die Landräte der Kreise Erlangen-Höchstadt, Fürth, Nürnberger Land und Roth mit einem Schreiben an den Bayerischen Ministerpräsidenten gewandt und ihr Gebiet als Modellregion für die Einführung eines solchen Tickets empfohlen - bei entsprechender Förderung durch den Freistaat.

"Auch in diesem Fall würden die verkehrlichen Effekte an der weiter in die Region verlegten Tarifgrenze eintreten", sagt dazu der VGN-Sprecher. Aus seiner Sicht "macht verkehrlich nur eine Lösung für den gesamten VGN-Raum Sinn".