Würde oder Bürde. Wer muss im Job Kittel tragen? "Ich darf", sagt in Bamberg eine Verkäuferin aus Leidenschaft.
Wo sie recht hat, hat sie recht, die Frau Döll. Wie sonst wäre sie so einfach zu erkennen gewesen? Zu ihr durchfragen oder die Gänge mit den Augen absuchen, das sind die beiden Möglichkeiten. Dort. Weißer Kittel! Groß geschriebene Buchstaben auf dem Namensschild. Die Suche nach der Marktleiterin war schnell erfolgreich.
"Das ist auch ein Stück Service für die Kunden", wird Brigitte Döll später erklären. "Wenn ich in einem Geschäft bin, wo die Verkäufer nur einen kleinen Anstecker tragen, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie lange man manchmal rätselt: Ist das jetzt Kundschaft oder jemand, an den ich mich wenden kann? Nur ist das Kittel-Tragen nicht in jeder Branche möglich ... Aber wir können es. Und das ist gut so."
Die Leiterin des "Nah+Gut"-Marktes in der Bamberger Ottostraße greift in ihre linke Kitteltasche.
"Ohne ginge es ja gar nicht, denn ich muss auf jeden Fall das hier immer parat haben." Sie zeigt einen kleinen Block mit Pfandzetteln. "Leergutrücknahmescheine heißen die offiziell. Bei uns wird das alles noch von Hand gemacht. Dann muss ich natürlich den Schlüsselbund verstauen, und", jetzt fördert sie den Inhalt der anderen Tasche zutage, "Kartonschneider, Kugelschreiber und einen Einkaufswagen-Chip".
Zu Hause auch? Bloß nicht!
Zehn Kittel für die Arbeit nennt sie ihr Eigen - und keinen einzigen für zu Hause. "Nee, nee", lacht die 61-Jährige, "das muss wirklich nicht sein. Von halb sieben morgens bis halb acht abends habe ich einen an. Das reicht".
Während sie sich um alles in ihrem Einkaufsmarkt kümmert, trägt sie das ärmellose, mit den Farben der Edeka abgesetzte Textilstück gern, versichert sie.
"Es ist mein Ehrenkleid."
Und es ist immer weiß. Seit Brigitte Döll, die aus Unterfranken stammt, 1970 bei Kupsch in Schweinfurt die Ausbildung zur Verkäuferin begonnen hat. Auch später, bei Spar in Schweinfurt, musste sie sich nicht an eine neue Farbe gewöhnen.
Die Chefin kauft die Kittel
Ein Spar-Markt war auch das Nahversorgungsgeschäft im Haingebiet, als sie nach Bamberg kam. "Als Spar Deutschland dann nicht mehr bestand, galt es zu entscheiden: zu Rewe oder zu Edeka. Jetzt sind wir ,Partner der Edeka' - so heißen die Nah+Gut-Märkte. Deshalb tragen wir auch nicht die Edeka-Kleidung."
Brigitte Dölls zwölf Teilzeit-Mitarbeiter bekommen von ihr die Kittel gestellt.
"Die meisten haben so zwischen fünf und sechs Stück - man braucht ja auch mal welche zum Wechseln."
Welche Art Stoff? "Oh, das weiß ich jetzt gar nicht, so auf die Schnelle. Es könnte ein Baumwoll-Mischgewebe sein." Und die Chefin besteht auf's Bügeln? "Besser sieht das schon aus."
Schwitzen für die Kundschaft
Manchmal kann das "Ehrenkleid" doch etwas unbequem sein. "Der Kittel ist auch ein Schutz für die Kleidung - allerdings jetzt, wo es so heiß ist, eben eine zusätzliche Lage Stoff. Aber: Er ist vor allem ein Erkennungzeichen für die Kunden. Und darauf kommt's an!"