Bob Dylan in Bamberg: Starke Songs auf karger Bühne

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In Bamberg durften Fotografen Bob Dylan nicht ablichten. Vor drei Jahren in Spanien (o,) waren Fotos noch möglich. Foto: Domenech Castello /dpa
In Bamberg durften Fotografen Bob Dylan nicht ablichten. Vor drei Jahren in Spanien (o,) waren Fotos noch möglich. Foto: Domenech Castello /dpa

Weder am Austausch mit dem Publikum noch am Applaus zeigte Bob Dylan am Dienstag in der Bamberger Brose-Arena gesteigertes Interesse. Das konnte sich der 74-Jährige leisten, weil seine Songs über jeden Zweifel erhaben sind.

Es sind die Lieder, auf die es ankommt, nicht der Sänger. Der Sänger, das ist ein kleinerer Herr mit weißem Hut, etwas verhuscht und sogar verloren wirkend auf der ausladenden Bühne der Bamberger Brose-Arena. Die Lieder, ob sie nun "Simple Twist of Fate" oder "Duquesne Whistle" heißen, die schillern dagegen und leuchten, selbst wenn ihre Motive und Arrangements älter sind als der Sänger selbst.


Von Folk über Rock bis Jazz

Dylan schöpft aus einem unermesslichen Reservoir traditioneller amerikanischer Musik: von Folk über Country bis zu Gospel, Blues, Rock, Swing und Jazz. Aus diesem kulturellen Urschlamm hat der 74-Jährige Amerikaner mit den Jahrzehnten etwas komplett Eigenes geschaffen und steht doch als Gigant immer auch auf den Schultern anderer Giganten; auf denen Woody Guthries zum Beispiel oder von Hank Williams.



Eine Weltpremiere in Bamberg

Das alles muss man verstehen, um nicht enttäuscht zu sein von der Schlichtheit der Inszenierung. Das Bühnenbild in der annähernd ausverkauften Brose-Arena war spartanisch, auf Videoeinspielungen oder andere Entertainment-Stunts verzichtete Dylan naturgemäß ebenfalls.


Zum Auftakt: "Things have changed"

Die auf den zeitgenössischen Konzertbühnen zum Goldstandard gewordene Ästhetik der Überwältigung ist Dylans Sache sicher nicht. Wer sich ein wenig über Dylans jüngste Konzerte auf dem Laufenden gehalten hatte, dürfte geahnt haben, dass der Bamberger Konzertabend allein mit "Things have changed" beginnen kann. Dem obligaten Einstieg folgte nicht minder vorhersehbar das von Mundharmonika und wenigen Akkorden dominierte "She belongs to me". Umso überraschender, dass später mit "I'm a Fool to want you" ein Lied von Dylans jüngster Platte "In the shadow of night" Aufnahme fand. Sollten die Dynalogen, die im Internet jeden seiner Auftritte skrupulös protokollieren, bei ihrer verdienstvollen Arbeit nicht einmal die Übersicht verloren haben, handelt es sich bei der Konzert-Version von "I'm a Fool to want you" sogar um eine Weltpremiere.

Der Geist von Frank Sinatra
Auf dem jüngsten, dem 36. Studioalbum seiner Karriere beschwört Dylan den Geist Frank Sinatras, aus dessen Feder "I'm a Fool" auch stammt. Vollends in Dylan gefahren ist Sinatras Geist jedoch nicht, der 74-Jährige bleibt am Entertainment gänzlich uninteressiert.

Am Austausch mit dem Publikum lag ihm auch in Bamberg erkennbar nichts, nicht einmal am Applaus. Immer wieder setzte ein neues Stück an, bevor der Applaus für das vorangegangene verklungen war. Zulasten der Dinglichkeit und Schärfe im Vortrag ging dieser Hau in die Innerlichkeit indes nicht, im Gegenteil. Nicht nur "Tangled Up in Blue" oder "Payed in Blood" spielten Dylan und seine Band um Gitarrist Charlie Sexton angemessen druckvoll und zornig.


Hervorragend eingespielte Band

Ohnehin konnte sich Dylan auch an diesem Abend auf eine hervorragend eingespielte Band verlassen. Allüren kennt sie keine, niemand versuchte sich mithilfe exzentrischer Solos ungebührend in den Vordergrund zu spielen. Das erlaubte es Dylan, sich ganz auf Mundharmonika und Klavier, vor allem aber auch seine zwar kratzige, aber schon seit Längerem wieder volle Stimme zu konzentrieren. Auf manche große Dylan-Momente wie "Like a Rolling Stone" oder "Visions of Johanna" wartete das Bamberger Publikum beinahe schon erwartungsgemäß vergebens. Als Dienstleister, dem nichts mehr am Herzen liegt als die offensichtlichsten Wünsche seiner Anhänger, verstand sich Dylan noch nie.

Spektakulärer Abschluss
Dass er ihnen anders als Tage zuvor in Tübingen und Mainz allerdings auch die weltumstürzenden "Ballad of a thin man" und "All Along the Watchtower" vorenthielt, überrascht viele dann doch. Dass sich ihre Überraschung in blanke Ernüchterung auswuchs, verhinderte bereits zum Abschluss des regulären Sets die seelenvollen Interpretation des selten gehörten "Autumn Leaves".

Vom Jubel und den Rufen des Publikums wieder auf die Bühne gelockt, zelebrierte Dylan seine anhaltende Meisterschaft anschließend an Beispiel an "Blowing in the wind". Diesem mit den Jahren etwas sehr zum Soundtrack für kirchliche Jugendausflüge heruntergekommenen Klassiker trieb Dylan auf offener Bühne alles Betuliche und Anheimelnde aus.


Großer Applaus

Dylan nahm das Lied komplett auseinander und setzte seine Teile anschließend zu einem federleichten Stück Jazz-Rock wieder zusammen. Später nach knapp zwei Stunden keine Abschiedsworte, allenfalls eine zu erahnende kleine Verbeugung. Großer Applaus. Abgang. Bob Dylan und seine "Never Ending"-Tour ziehen weiter, seine Songs aber, die bleiben hier.