Weder am Austausch mit dem Publikum noch am Applaus zeigte Bob Dylan am Dienstag in der Bamberger Brose-Arena gesteigertes Interesse. Das konnte sich der 74-Jährige leisten, weil seine Songs über jeden Zweifel erhaben sind.
Es sind die Lieder, auf die es ankommt, nicht der Sänger. Der Sänger, das ist ein kleinerer Herr mit weißem Hut, etwas verhuscht und sogar verloren wirkend auf der ausladenden Bühne der Bamberger Brose-Arena. Die Lieder, ob sie nun "Simple Twist of Fate" oder "Duquesne Whistle" heißen, die schillern dagegen und leuchten, selbst wenn ihre Motive und Arrangements älter sind als der Sänger selbst.
Von Folk über Rock bis Jazz
Dylan schöpft aus einem unermesslichen Reservoir traditioneller amerikanischer Musik: von Folk über Country bis zu Gospel, Blues, Rock, Swing und Jazz. Aus diesem kulturellen Urschlamm hat der 74-Jährige Amerikaner mit den Jahrzehnten etwas komplett Eigenes geschaffen und steht doch als Gigant immer auch auf den Schultern anderer Giganten; auf denen Woody Guthries zum Beispiel oder von Hank Williams.
Eine Weltpremiere in Bamberg
Das alles muss man verstehen, um nicht enttäuscht zu sein von der Schlichtheit der Inszenierung. Das Bühnenbild in der annähernd ausverkauften Brose-Arena war spartanisch, auf Videoeinspielungen oder andere Entertainment-Stunts verzichtete Dylan naturgemäß ebenfalls.
Zum Auftakt: "Things have changed"
Die auf den zeitgenössischen Konzertbühnen zum Goldstandard gewordene Ästhetik der Überwältigung ist Dylans Sache sicher nicht. Wer sich ein wenig über Dylans jüngste Konzerte auf dem Laufenden gehalten hatte, dürfte geahnt haben, dass der Bamberger Konzertabend allein mit "Things have changed" beginnen kann.
Dem obligaten Einstieg folgte nicht minder vorhersehbar das von Mundharmonika und wenigen Akkorden dominierte "She belongs to me". Umso überraschender, dass später mit "I'm a Fool to want you" ein Lied von Dylans jüngster Platte "In the shadow of night" Aufnahme fand. Sollten die Dynalogen, die im Internet jeden seiner Auftritte skrupulös protokollieren, bei ihrer verdienstvollen Arbeit nicht einmal die Übersicht verloren haben, handelt es sich bei der Konzert-Version von "I'm a Fool to want you" sogar um eine Weltpremiere.
Der Geist von Frank Sinatra
Auf dem jüngsten, dem 36. Studioalbum seiner Karriere beschwört Dylan den Geist Frank Sinatras, aus dessen Feder "I'm a Fool" auch stammt. Vollends in Dylan gefahren ist Sinatras Geist jedoch nicht, der 74-Jährige bleibt am Entertainment gänzlich uninteressiert.
Am Austausch mit dem Publikum lag ihm auch in Bamberg erkennbar nichts, nicht einmal am Applaus. Immer wieder setzte ein neues Stück an, bevor der Applaus für das vorangegangene verklungen war. Zulasten der Dinglichkeit und Schärfe im Vortrag ging dieser Hau in die Innerlichkeit indes nicht, im Gegenteil. Nicht nur "Tangled Up in Blue" oder "Payed in Blood" spielten Dylan und seine Band um Gitarrist Charlie Sexton angemessen druckvoll und zornig.
Hervorragend eingespielte Band
Ohnehin konnte sich Dylan auch an diesem Abend auf eine hervorragend eingespielte Band verlassen. Allüren kennt sie keine, niemand versuchte sich mithilfe exzentrischer Solos ungebührend in den Vordergrund zu spielen. Das erlaubte es Dylan, sich ganz auf Mundharmonika und Klavier, vor allem aber auch seine zwar kratzige, aber schon seit Längerem wieder volle Stimme zu konzentrieren.
Auf manche große Dylan-Momente wie "Like a Rolling Stone" oder "Visions of Johanna" wartete das Bamberger Publikum beinahe schon erwartungsgemäß vergebens. Als Dienstleister, dem nichts mehr am Herzen liegt als die offensichtlichsten Wünsche seiner Anhänger, verstand sich Dylan noch nie.
Spektakulärer Abschluss
Dass er ihnen anders als Tage zuvor in Tübingen und Mainz allerdings auch die weltumstürzenden "Ballad of a thin man" und "All Along the Watchtower" vorenthielt, überrascht viele dann doch. Dass sich ihre Überraschung in blanke Ernüchterung auswuchs, verhinderte bereits zum Abschluss des regulären Sets die seelenvollen Interpretation des selten gehörten "Autumn Leaves".
Vom Jubel und den Rufen des Publikums wieder auf die Bühne gelockt, zelebrierte Dylan seine anhaltende Meisterschaft anschließend an Beispiel an "Blowing in
the wind". Diesem mit den Jahren etwas sehr zum Soundtrack für kirchliche Jugendausflüge heruntergekommenen Klassiker trieb Dylan auf offener Bühne alles Betuliche und Anheimelnde aus.
Großer Applaus
Dylan nahm das Lied komplett auseinander und setzte seine Teile anschließend zu einem federleichten Stück Jazz-Rock wieder zusammen. Später nach knapp zwei Stunden keine Abschiedsworte, allenfalls eine zu erahnende kleine Verbeugung. Großer Applaus. Abgang. Bob Dylan und seine "Never Ending"-Tour ziehen weiter, seine Songs aber, die bleiben hier.
... bei aller Sympathie, was Dylan phänomenal komponiert und gedichtet hat: Aber wenn man seine Fans so unfreundlich behandelt, zeugt das schon von einer gehörigen Portion Arroganz. Deshalb (und auch wegen Fotoverbot) verkniff ich mir, dabei zu sein.
Zu der klugen Kritik ein paar Beobachtungen: Ich hatte einen guten Platz auf der Westtribüne und meinen Feldstecher dabei. Habe also die ausgefeilte Lichtregie, die offenbar darauf aus war, dass möglichst niemand im Stande sein sollte, genauer hinzuschauen, ignorieren können und gesehen, dass Bob Dylan möglicherweise einen Schlaganfall gehabt haben könnte. Seine linke Hand lag zwar zuweilen auf dem Klavier, war aber musikalisch nicht nennenswert in Gebrauch. Die Linke hat er öfter unkontrolliert bewegt. Das könnte unter anderem mit eine Ursache für den Nicht-Austausch mit dem Publikum sein; Arroganz war das nicht.
Ob er überhaupt noch Gitarre spielen kann? Vielleicht nicht mehr. Muss er auch nicht. Ich fand das Konzert aber noch aus einem anderen Grund traurig. Denn das Zuviel an Country-Schmalz-Sound der an sich exzellenten Band deckte zu, dass der späte Bob Dylan eigentlich ein begnadeter Barsänger ist, also in großen Hallen nicht nur aus räumlichen, sondern auch aus akustischen Gründen nichts mehr zu suchen hat. Es stimmt schon: „Things have changed“, auch auf der Never-Ending-Tour, faszinierend hörbar bei seiner aktuellen Version von „Blowing in the wind“. Es sollte aber niemand enttäuscht sein, sondern sich freuen, diese amerikanische Legende unvergleichlich authentisch als Chansonnier mit Jacques Préverts unvergleichlichen „Autumn Leaves“ hier in Bamberg erlebt zu haben.
Wenn der Meister keine Fotos möchte und nicht mit dem Publikum spricht, dann sollte man es so akzeptieren ! Und nicht von unfreundlich sprechen. So ist er halt. Du sollest ihn mal lieber auf seiner Never Ending Tour anhören. Großartige, seit Jahren eingespielte Band ! Seine Tontechniker schafften es sogar in der Brose Arena einen wunderbaren Sound zu bringen.
Lieber seebeer ! dass ist doch kein Country-Schmalz-Sound !
Ein großartiges Konzert und noch einmal Danke an Gabi, Wolfgang und Ulf
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