Der Trick mit dem falschen Schlüssel, dann war der Wagen weg: Drei Männer sollen zwölf Mal aus Autohäusern Fahrzeuge geklaut haben.
Es ist eine ernste Angelegenheit: Drei Männern aus Polen stehen wohl mehrjährige Gefängnisstrafen bevor. Glaubt man den Männern, kämpfen zuhause die Familien ums Überleben, weil kein Geld da ist. Einer der Angeklagten muss sein Haus verkaufen, "er steht vor den Trümmern seiner Existenz", wie es sein Anwalt Christoph Rühlmann formulierte. Für seinen Mandanten sei es sehr sehr schwer gewesen, den Hauskredit zu bewältigen. Hat sich der 42-Jährige deswegen mit seinem Bruder und einem weiteren Komplizen zusammengeschlossen?
Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass die drei sich 2015 als Bande formiert haben, um gemeinsam "Kraftfahrzeuge, vornehmlich der Marke VW, zu entwenden und diese gewinnbringend in Polen weiterzuverkaufen", wie es in der Anklageschrift heißt. Ziel sei es gewesen, sich eine "Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen".
Die Angeklagten sagten es nicht direkt vor der Zweiten Strafkammer des Bamberger Landgerichts, doch die "wirtschaftliche Situation" klang immer wieder an.
Sei es beim jüngeren der beiden Brüder der Hauskredit gewesen, spricht der ein Jahr ältere von einer ebenfalls sehr schlechten materiellen Situation. Gewohnt habe er mit Frau und Sohn in einer Mietswohnung. Er Möbelrestaurator, sie Buchhalterin in einem Elektrizitätswerk - doch nach Einsparmaßnahmen verlor sie ihre Stelle.
Der dritte im Bunde ist auch der Jüngste: Ein selbstständiger Maler, der wegen der U-Haft bereits seine Ein-Mann-Firma habe schließen müssen. Der Mann hat Schulden, ist bereits wegen Diebstahls vorbestraft. Eigentlich müsste er seiner Tochter Unterhalt zahlen, bringt aber monatlich gerade einmal 30 Euro auf.
Überwachung der Kommunikation
Der Maler ist es, der trotz der ernsten Lage vor Gericht für einen kurzen Schmunzler sorgt, beziehungsweise das Verhalten des Mannes. Als nämlich ein Polizeibeamter in seiner Zeugenaussage davon berichtet, dass und wie man die drei Männer beschattet habe: Bei der "Telekommunikationsüberwachung bekamen wir zum Beispiel mit, dass sich die Brüder aufregten, weil er sich gelegentlich verfuhr. Und manchmal wusste er anscheinend nicht, ob er Diesel oder Benzin tanken musste".
Der Kraftstoff war nötig, um ins Ausland zu kommen. Der Möbelrestaurator gab an, dass man für die geklauten Fahrzeuge ohne Papiere nur etwa zehn Prozent des in Deutschland üblichen Verkaufspreises bekommen habe. Zwölf Mal soll die Bande Fahrzeuge aus Autohäusern gestohlen und eine Beute von 313 949 Euro gemacht haben. In zwei Fällen soll der Klau von Autos im Wert von rund 61 000 Euro misslungen sein, weil Mitarbeiter der Firma Verdacht geschöpft hatten - die Schlüssel waren plötzlich weg, und die Pkw kamen in gesicherte Hallen.
Der Schlüssel-Trick war das übliche Vorgehen des Trios - das sich selbst zwar nicht dazu äußerte. Doch der Polizist rekonstruierte folgendermaßen: Kurz vor dem Ladenschluss der Autohäuser "interessierten" sich die zwei Brüder für einen VW. Während ein Bruder den Verkäufer ablenkte, sich zum Beispiel den Motor zeigen ließ, soll der andere heimlich den echten Schlüssel gegen einen mitgebrachten ausgetauscht haben. "Das erfordert nicht nur Deutsch-Kenntnisse, sondern eine gewisse Coolness."
In der Nacht kamen die Diebe wieder - mit dem richtigen Schlüssel und gestohlenen Kennzeichen - und klauten das Fahrzeug. Die Tatorte lagen in Scheßlitz, Bayreuth, Weiden und Nabburg in der Oberpfalz, Fürth, Nürnberg, in Oberbayern, aber auch im Landkreis Augsburg, in Baden-Württemberg und Thüringen.
Bei der Festnahme der Diebesbande stellte die Polizei nicht nur eine Liste mit Händleradressen, Karten und Beschreibungen des Fahrzeugstandortes sicher - sondern auch 19 Autoschlüssel. "So stammte ein Schlüssel in Scheßlitz zum Beispiel von einem Diebstahl in Nürnberg. Und ein Fürther Schlüssel wurde in Bayreuth eingetauscht", berichtete der Polizeibeamte. Diese Zuordnung sei möglich gewesen, weil man die Schlüssel habe auslesen und sogenannten Fahrgestellnummern zuordnen können.
Da vor Gericht ein Rechtsgespräch stattgefunden hat und die Angeklagten geständig sind, können die Brüder mit fünfeinhalb bis sechseinhalb Jahren Haft rechnen, der Komplize mit ungefähr drei Jahren.