Zu viele Beiträge, auf die eine Reaktion erwartet wird: Facebook kann seine Nutzer durch das Gefühl der sozialen Verantwortung unter Druck setzen. Foto: Archiv, Fotomontage: Michael Beetz (ft)
Bamberger Wirtschaftsinformatiker zeigen in einer Studie, dass Facebook-Freunde Stress erzeugen können - dann nämlich, wenn der Nutzer das Gefühl hat, er müsse sich zu stark um die Online-Freunde kümmern. Den Link zu den Studienergebnissen finden Sie im Artikel.
Der Beziehungsstatus wird bei Facebook von "in einer Beziehung" zu "Single" geändert. Oder ein Facebook-Freund postet, dass er traurig ist, weil seine Oma gestorben ist. Beiträge ("Posts" oder "Postings") wie diese sind im sozialen Online-Netzwerk keine Seltenheit. Und jedes Mal stellen sich manche Facebookfreunde die Frage: "Muss ich nun auf den Post reagieren? Wird meine Antwort erwartet?" Dass sich Facebook-Nutzer durch Posts wie diese gestresst fühlen können, haben Bamberger Wirtschaftsinformatiker in einer Studie bestätigt. Soziale Verantwortung Das Stichwort: soziale Verantwortung. Mit der wachsenden Zahl von "Freunden" würden die Nutzer stärker in das soziale Leben und die Probleme der Facebook-Bekannten hineingezogen.
Das könne ernsthaften Stress auslösen, heißt es in einer Mitteilung der Universität Bamberg.
Einer, der diese Art von Stress untersucht hat, ist Projektleiter Sven Laumer. Gemeinsam mit einem Forscherteam hat er die Studie auf die Beine gestellt. Doch wie kamen die Wissenschaftler überhaupt auf die Idee, dieses Thema zu untersuchen? "Die Idee ist in unserem Team entstanden. Uns ist aufgefallen, dass sich in unserem Bekanntenkreis einige beschwert haben, dass von ihnen so viele Reaktionen erwartet werden", sagt Laumer. Bei manchen gehe das so weit, dass sie darüber nachdenken, ihren Facebook-Account zu löschen.
Phänomen im Detail verstehen "Wir wollten dieses Phänomen, das offenbar speziell mit dieser Technik zusammen hängt, im Detail verstehen. In der Literatur haben wir aber nicht wirklich etwas dazu gefunden", erläutert der Projektleiter.
Es gebe zwar Diskussionen über IT-Stress am Arbeitsplatz. Aber die Frage, ob IT auch im privaten Bereich Stress erzeugen könne, sei noch nicht ausreichend geklärt. Also wurde die Idee einer Studie geboren, zunächst zwischen Christian Maier und Sven Laumer vom Bamberger Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik. Schnell war auch deren Chef, Professor Tim Weitzel mit im Boot. Und weil man sich aus früheren Forschungsprojekten kannte, beteiligte sich auch Andreas Eckhardt von der Universität Frankfurt.
Das Forscherteam stand.
Der nächste Schritt: "Wir wollten natürlich mit den Nutzern direkt darüber reden, was sie denken", sagt Sven Laumer. Also führten die Wirtschaftsinformatiker Interviews mit Facebook-Nutzern. Ergebnis: "Soziale Netzwerkseiten lösen bei Nutzern die Wahrnehmung aus, sich zu stark um Online-Freunde kümmern zu müssen", heißt es in der Mitteilung der Uni. Die befragten Nutzer hätten sich in der sozialen Verantwortung gesehen, auf Nachrichten wie den Tod der Großmutter reagieren zu müssen. Die Anzahl solcher Posts übersteige allerdings die Bereitschaft der Nutzer zur Unterstützung.
Nach den Interviews suchten die Forscher nach Erkenntnissen zum Stress durch IT, leiteten Hypothesen ab und stellten ein Forschungsmodell auf, wie Laumer erklärt.
"Dann haben wir versucht, die Hypothesen empirisch nachzuweisen." Was den Forschern schließlich gelang: 571 Facebook-Nutzer wurden in einer empirischen Studie zu den Herausforderungen bei der Facebook-Nutzung befragt. Etliche der Befragten fühlten sich durch zu viele Postings, in denen sie konkret angesprochen wurden, überlastet.
Diese soziale Überlastung werde insbesondere von Nutzern wahrgenommen, die viel Zeit auf Facebook verbringen und eine hohe Anzahl an Online-Freunden haben, mit denen sie in der realen Welt jedoch kaum Kontakt hätten, wie es in der Mitteilung der Uni heißt. Reaktion von Freunden erwartet? Gleichermaßen entscheidend sei auch, ob der Nutzer denkt, dass seine Facebookfreunde eine Reaktion auf negative persönliche Nachrichten erwarten.
Diese Überlastung habe Konsequenzen: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Nutzer durch soziale Netzwerkseiten so gestresst und unzufrieden werden, dass sie sogar beabsichtigen, die Nutzung von Facebook zu verringern oder ganz einzustellen", wird Studienleiter Christian Maier zitiert. Also was tun? Sven Laumer spricht vom "granularen Nachrichtenfilter" - was bedeutet: "Ich kann den Nachrichtenfilter so einstellen, dass ich nur noch das mitbekomme, was für mich relevant ist", sagt Laumer. Der Facebooknutzer sieht also nicht mehr jeden Chronikeintrag oder jede Nachricht seiner 500 Facebookfreunde. "Dadurch kann das Gefühl, dass es einem zu viel wird, vermindert werden." Emotionale Distanz "Zu viel" wurde es dem Projektleiter selbst noch nicht. "Ich nutze Facebook und finde es gut. Doch ich habe für mich beschlossen, dass mir egal ist, was auf Facebook passiert.
Wegen der emotionalen Distanz habe ich kein Stressempfinden."
Manchen Nutzern könne es vielleicht helfen, wenn sie ihre Emotionen im sozialen Netzwerk teilen. Doch bei gewissen Beiträgen fragt sich Sven Laumer sich schon: "Junge, was soll das auf Facebook? Wenn du Unterstützung brauchst, warum suchst du sie dort?"
Nachdem ein völlig normales Foto von mir bei der Aerbeit auf Fratzenbuch aufgetaucht ist, habe ich den Account gelöscht. Das Bild hat auch ein 'Freund' reingestellt, es zeigt eine ganze Gruppe von Leuten an einer Arbeitsstelle. Daß der Account dann immer noch nicht 100%ig weg ist, ist mir klar. Ich werde Fratzenbuch auf jeden Fall nicht mehr benutzen.
Nachdem ein völlig normales Foto von mir bei der Aerbeit auf Fratzenbuch aufgetaucht ist, habe ich den Account gelöscht. Das Bild hat auch ein 'Freund' reingestellt, es zeigt eine ganze Gruppe von Leuten an einer Arbeitsstelle. Daß der Account dann immer noch nicht 100%ig weg ist, ist mir klar. Ich werde Fratzenbuch auf jeden Fall nicht mehr benutzen.