Die Jüngeren haben nicht nur jeweils die bessere Bildung und Ausbildung, sondern treten auch stärker in die neuen, zukunftsträchtigeren Berufsfelder ein, die im Strukturwandel permanent geschaffen werden. Die Älteren, die in den Ruhestand gehen, verlassen dagegen häufig berufliche Felder, die nicht mehr gebraucht werden und dann wegfallen. Insofern kann man sagen, dass die Bildungsexpansion und der Berufsstrukturwandel in die gleiche Richtung gehen und sich wechselseitig für jede neue Generation sogar sehr gut ergänzen.
Welche Rolle spielt die Herkunft?
Diejenigen, die einen höheren Bildungsabschluss machen, kommen auch heute noch zu größeren Anteilen aus privilegierteren Familien. Kinder aus unteren sozialen Schichten haben es immer noch schwerer, höhere schulische Bildungsabschlüsse zu bekommen.
Womit hängt das zusammen?
Das liegt zum einen daran, dass sie die kognitiven Fähigkeiten, die in der Schule geschätzt werden, nicht so mitbringen wie Kinder aus der Mittelschicht. Dort wird zum Beispiel häufiger vorgelesen und man geht mit den Kindern ins Theater oder in die Oper. Die Bedeutung der Bildung der Kinder wird in diesen Familien also viel stärker in das Zentrum des Alltags gestellt.
Hat die Bildungsungleichheit zugenommen?
Nein das nicht, aber sie ist auch nicht deutlich zurückgegangen. Auch wenn man das Bildungssystem ausbaut und viel fördert, bleibt das in der Regel leider ohne größere strukturelle Wirkung. Wenn man sich Kinder anschaut, die ungefähr das gleiche Kompetenzniveau haben, dann ist in den höheren sozialen Schichten klar, dass die Kinder aufs Gymnasium gehen, während es in den bildungsferneren Familien häufig eine offene Frage ist, auch wenn die Kinder in der Schule gut sind und die höhere Schule schaffen könnten.
Das heißt sozialer Aufstieg durch Bildung ist weiterhin schwierig?
Es ist noch viel Luft für Verbesserungen drin. Es wird zwar heute versucht, Kinder schon früh in vorschulische Institutionen zu geben, wo sie nicht nur verwahrt, sondern auch gefördert werden. Da zeigen unsere Studien allerdings auch, dass die Wirkung dieser Maßnahmen begrenzter ist, als sich viele erhoffen. Die Kinder aus den unteren sozialen Schichten profitieren zwar davon, aber die Kinder aus höheren sozialen Schichten profitieren häufig noch mehr. Weil sie erstens öfter in frühkindliche Institutionen gehen, und zweitens, weil sie dann die Institutionen mit besserer Qualität besuchen.
Die Ungleichheit steigt also?
Die Ungleichheit steigt zwar nicht im Bildungssystem, sondern als Folge des Zusammenwirkens von Bildungsexpansion und beruflichem Strukturwandel. Das Zusammenspiel von mehr Bildung und zunehmend besseren Jobs führt dazu, dass die jeweils Hochqualifizierten und auch die Qualifizierteren von Generation zu Generation immer bessere berufliche Positionen bekommen, während die Unqualifizierten unten immer weniger für ihre Arbeit erhalten. Das ist einer der Haupteffekte für die Spreizung der Ungleichheitsstruktur. Ein zweiter Grund für wachsende Ungleichheit zwischen Familien ist die Veränderung der Frauenerwerbstätigkeit. Auch aufgrund von hohen Mieten brauchen viele Familien heute schließlich zwei Verdiener. Damit entsteht ein wachsender Unterschied im Einkommen und Lebensstandard zu den Familien mit nur einem Einkommen.
Was ist mit den Ungelernten?
Der Anteil der Ungelernten nimmt in der Bildungsexpansion zunächst deutlich ab. Man kann sagen, dass das ein großer Erfolg der Bildungspolitik ist. Wir sind bei einem Anteil von weit unter zehn Prozent an Ungelernten pro Generation, wobei der Anteil heute bei Männern etwas höher ist als bei Frauen. Quantitativ nimmt das Ungelernten-Problem also ab, aber es konzentriert sich immer mehr auf bestimmte Herkunftsgruppen. Kinder aus qualifizierten oder hochqualifizierten Elternhäusern findet man dort heute gar nicht. Und es kommt dazu, dass in den Unternehmen immer mehr rationalisiert wird. Das geht am besten dort, wo die Tätigkeiten einfach sind. Das heißt, im Strukturwandel haben die unqualifizierten Positionen stärker abgenommen als der Anteil der Ungelernten in der Bildungsexpansion. Das führt zu einem wachsenden Konkurrenzdruck und Lohnwettbewerb bei den Ungelernten.
Bildung und Ausbildung schützen also vor Entlassung?
Bildung erhöht nicht nur die Chance auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz, sondern schützt auch vor Entlassung. Bildung schützt damit vor Arbeitslosigkeit. Insofern ist der Prozess der Bildungsexpansion auch aus dieser Perspektive etwas sehr Positives.