"Bamberger Realisten" wollen Tourismus begrenzen

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Tourismus ja, aber in Maßen: Dafür wollen sich Kerstin Niemann und Michael Bosch von den Bamberger Realisten stark machen. Foto: Ronald Rinklef
Tourismus ja, aber in Maßen: Dafür wollen sich Kerstin Niemann und Michael Bosch von den Bamberger Realisten stark machen. Foto: Ronald Rinklef

Interview: Die Bamberger Realisten (BR) sagen, beim Tourismus ist die Obergrenze erreicht. Aber das ist nur ein Thema. Wofür sich die Realisten nach einer Wahl in den Stadtrat noch einsetzen würden, lesen Sie hier.

Michael Bosch sitzt derzeit als letzter verbliebener Bamberger Realist (BR) im Stadtrat, nachdem Klaus Stieringer vergangenes Jahr der SPD-Fraktion beigetreten ist. "Das waren wohl persönliche Gründe, um wo anders weiter zu kommen", sagt Bosch. Er selbst hat nie überlegt, die Gruppierung zu wechseln.

Die Bamberger Realisten sind eine kleine und vielleicht etwas unbekanntere Gruppierung im Stadtrat. Wie charakterisieren Sie sie?

Michael Bosch: Wir haben uns 1995 gegründet, weil wir der Meinung sind, dass Handwerker, Freiberufler und Einzelhändler nicht ausreichend im Stadtrat vertreten sind. Das ist bis heute so. Dabei sollte man die Tradition, die in Bamberg auch durch die Handwerker sichtbar ist, nicht vergessen. Die schönen Dächer und herrlichen Häuser haben damit viel zu tun.

Warum sollten die Realisten im Stadtrat sitzen?
Weil es uns braucht. Weil die größte Fraktion die Politik des Oberbürgermeisters einfach mitträgt und keine eigene Handschrift hinterlässt. Eine Opposition ist dringend notwendig.

Sie sehen Ihre Aufgabe also in erster Linie als oppositionelle?
Nein, es ist nicht unsere Absicht, grundsätzlich als Opposition aufzutreten. Wir nehmen eine Rolle als Hinterfragende und Mahner ein.

Was würden Sie denn zum Beispiel beim Thema Innenstadtveranstaltungen hinterfragen?

Ob es sie in dieser Masse und Größe braucht. Wir stehen dem Ganzen skeptisch, aber nicht ablehnend gegenüber. Ich betrachte die Umfragen zu den Events kritisch. Natürlich sieht jemand, der nicht selbst in der Innenstadt, sondern Bamberg Ost oder der Gartenstadt wohnt, solche Veranstaltungen gerne. Was die Events wirklich bedeuten, das wissen nur die Innenstadtbewohner selbst. Gewachsene Veranstaltungen wie die Sandkerwa leiden. Fehlt nur noch, dass uns die Fronleichnahmsprozession irgendwann auch noch als Event verkauft wird. Die Innenstadt ist insgesamt an der Grenze der Belastbarkeit, auch durch den Tourismus.

Sie liefern das nächste Stichwort. Wie stehen Sie zum Tourismus in Bamberg?
Die Obergrenze ist erreicht. Ja, der Wirtschaftsfaktor ist wichtig. Aber mittlerweile ist es zwischen Dom und Gabelmann für einen Bamberger fast unmöglich, normal durchzukommen. Seit fünf Jahren sprechen wir das immer wieder an. Man darf nicht vergessen, dass in Bamberg Leute wohnen und arbeiten.

Was schlagen Sie vor?
Den Tourismus nicht mehr zu bewerben. Die Stadt kann sich das leisten. Oder zumindest die Werbung zurückzufahren. Die kostet ja auch richtig Geld. Schauen Sie sich die ganzen Prospekte an, die überall ausliegen und später weggeworfen werden. Bamberg hat keine Werbung mehr nötig. Die Stadt galt einmal als Geheimtipp. Mittlerweile hat sie viel von dem Charme verloren, den sie einmal hatte.

Was meinen Sie damit?
Zum Beispiel die Sandstraße. Sie ist schön geworden, aber anders. Früher war sie ein Dorf in der Stadt, da gab es lauter kleine Läden, in denen die Einheimischen eingekauft haben. Heute gibt es nur noch Gastronomie und touristisch geprägte Läden. Da kriegen Sie in der Innenstadt keine Schraube, keinen Hammer und keine Glühbirne mehr. Inhabergeführte Fachgeschäfte können sich nur halten, wenn den Besitzern das Haus gehört. Sobald eine Einzelhandelskette übernimmt, gehen die Mieten hoch.

Mieten sind nicht nur im gewerblichen Bereich ein Thema. Was sind die Ziele der BR beim großen Bamberger Kapitel "Wohnen"?

Wir wollen besonders das Wohnen in der Innenstadt fördern. Gerade für ältere Menschen ist es wichtig, dass sie am Geschehen teilhaben können. Wir wollen ein senioren- und familiengerechtes Wohnen in der Innenstadt - und zwar großzügig! Das Schaeffler-Gelände wird zwar schön hergerichtet, aber spätestens beim zweiten Kind werden die Wohnungen zu klein. Außerdem schießt sich gerade alles auf Studentenwohnungen und Single-Appartements ein. Aber wir müssen längerfristig denken. Gerade beim gemeinnützigen Wohnungsbau vermissen wir das Engagement der Stadtbau. Warum wurde sie nicht damit beauftragt, sich um das Schaeffler-, Glaskontor- oder Megalit-Gelände zu kümmern? Den "bezahlbaren Wohnraum", von dem alle sprechen, kann nur eine Stadtbau schaffen. Sobald Investoren ins Spiel kommen, ist nicht viel mit bezahlbarem Wohnraum.

Wohnraum wird in näherer Zukunft auf dem Konversionsgelände frei. Wie stellen Sie sich insgesamt den Umgang mit der Fläche vor?
Wir müssen es anstreben, die Konversionsflächen komplett zu erwerben. Aber: Die Stadt braucht einen Plan. Ich bin enttäuscht, dass die Stadtverwaltung bisher keinen konkreten Vorschlag gemacht hat, wie man das Gelände beplanen könnte. Was wäre möglich und bezahlbar? Stattdessen werden in der öffentlichen Diskussion Begehrlichkeiten geweckt. Es ist unangemessen, zum jetzigen Zeitpunkt von einer E-Schule oder einem Kindergarten auf dem Areal zu sprechen. Auch die 100 Wohnungen, die die Stadt übernimmt - selbstverständlich ist das wünschenswert. Doch keiner weiß, was da auf uns zukommt. Wer soll sie zahlen, wer soll sie mieten? Wie viel will die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben dafür? Noch haben wir die Wohnungen nicht. Bevor man sie übernimmt, sollte man schon wissen, was es kostet.

Die Kosten sind auch ein Punkt beim ICE-Ausbau. Welche Lösung für die Strecke wünschen sich die Bamberger Realisten?
Wir wollen stadtbildverträgliche Lärmschutzmaßnahmen. Doch vorerst heißt es abwarten: Es sind Gutachten in Auftrag gegeben und auf deren Ergebnisse warten wir.

Bei einem anderen Thema sind bereits konkretere Vorstellungen möglich. Wo sehen Sie die Zukunft der Jugendherberge "Wolfsschlucht"?
Ganz klar in einer Unterkunft für Jugendliche. Ich sage das bewusst unkonkret. Bevor nicht klar ist, was ein Kreativzentrum für Jugendliche kostet - was gerade im Gespräch ist - , brauchen wir gar nicht drüber reden. Es soll vor allem eine Herberge ohne goldene Wasserhähne werden. Und leider kann man auch nicht immer alles barrierefrei gestalten, vor allem, wenn es sich um ein Objekt im Bestand handelt.

Apropos handeln: Sie haben sich als zunächst Fraktionsloser den Freien Wählern angeschlossen, um im Stadtrat mitarbeiten zu können. Hat diese Kooperation eine Zukunft?
Ja, von meiner Seite aus würde ich das begrüßen. Wir sind auch eine Listenverbindung eingegangen. Das heißt, wenn bei der Kommunalwahl eine Gruppierung Stimmen über hat, können diese der anderen Liste zugezählt werden.

Dieses Mal wird auch eine neue Liste ausliegen, die von "Bambergs unabhängigen Bürgern" (BUB). Sehen Sie diese neue Gruppierung als Konkurrenz?

Nein. BUB sind in erster Linie eine Konkurrenz für die CSU. Wir sehen in BUB einen Mitbewerber. Uns geht es um die Sache und nicht um Konkurrenz.

Die Fragen stellte Anna Lienhardt.