Am "Nein" wird (noch) nicht gerüttelt

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Auf wohl längere Sicht wird es in Deutschland kein Wahlrecht für Ausländer aus sogenannten Drittländern geben. Archivfoto: Jochen Berger
Auf wohl längere Sicht wird es in Deutschland kein Wahlrecht für Ausländer aus sogenannten Drittländern geben. Archivfoto: Jochen Berger

Zum Thema "Kommunales Wahlrecht für alle" sprachen Experten im Großen Saal der VHSBamberg im Alten E-Werk. Für Ausländer aus Drittländern ist das Wahlrecht in Deutschland nach wie vor passé. Fazit des Abends: ein "differenziertes Stimmungsbild".

Klar, dass volljährige deutsche Staatsbürger in Deutschland das aktive und passive Wahlrecht haben. Und seit 1992 dürfen sich Ausländer mit Pässen von EU-Ländern an den Kommunalwahlen in ihrer zweiten Heimat beteiligen. Migranten aber, die aus sogenannten Drittstaaten kommend in Deutschland heimisch geworden sind, haben zwar alle Bürgerpflichten zu erfüllen; an Bürgerrechten bleibt ihnen aber gerade die Mitwirkung an der Demokratie verwehrt. Davon sind nach Informationen der Migrationsforscherin Doris Lüken-Klaßen von der Uni Bamberg etwa 3,2 Millionen Bewohner der Bundesrepublik betroffen.

Der Ausschluss von "Dritt staatsangehörigen" (zum Beispiel Türken, allen Afrikaner oder Amerikaner) wurde Freitagabend im Alten E-Werk bei einer Podiumsdiskussion unter dem Titel "Kommunales Wahlrecht für alle" wortreich beklagt.
Ob ein solcher Wunsch in den nächsten fünf Jahren in Erfüllung geht, wollte der Gesprächsleiter - der Chefredakteur der Mediengruppe Oberfranken, Frank Förtsch - in der Schlussrunde von der Expertenrunde am Podium ergründen. Darauf erhielt er zuerst ein trockenes "Nö!" von der Soziologin Doris Lüken-Klaßen. Das Thema stehe derzeit nicht auf der politischen Agenda und komme auch nicht im Koalitionsvertrag zur Sprache, hatte sie schon eingangs in ihrem Impulsreferat erklärt.

Unverändert gelte das vor 25 Jahren vom Bundesverfassungsgericht gesprochene Urteil, wonach ausschließlich Deutsche das Volk bilden und dessen Vertretung wählen. Und wer Deutscher sei, werde noch immer nach dem Nationskonzept oder Abstammungsprinzip definiert. Heißt: Es muss deutsches Blut in den Adern fließen. Auf diese Weise kamen etwa die deutschstämmigen Spätaussiedler aus Russland (auch ein Drittstaat) zu einigen Privilegien bei der Einbürgerung.

Die Erfahrungen, die 15 EU-Mitgliedsstaaten mit kommunalem Wahlrecht für alle Ausländer gesammelt haben, sind in den Augen der Wissenschaftlerin positiv: Das Wahlrecht führe zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe, auch wenn die Wahlbeteiligung der Ausländer unter dem Schnitt der Gesamtwähler bleibe, informierte Lüken-Klaßen. Statt eigene Parteien zu gründen, engagierten sich die Ausländer lieber in etablierten Parteien. Im Übrigen fördere das Kommunalwahlrecht für Ausländerwahlrecht die Einbürgerung und die Repräsentation. In der Einbürgerung und der doppelten Staatsbürgerschaft sieht Lüken-Klaßen die Lösung des Problems.

SPD-Bundestagsabgeordneter Uli Grötsch aus Weiden vermutet, dass mittelfristig die für eine Änderung des Grundgesetzes erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande kommt. Die SPD, die seit 1989 das Ausländerwahlrecht fordere, sei sich darin zwar mit den Grünen und der Linken einig; der derzeitige Koalitionspartner CDU/CSU lasse darüber aber nicht mit sich reden. Auch wenn über dem Reichstag "Dem deutschen Volke" stehe, sollten nach Meinung des SPD-Parlamentariers Ausländer, die fünf Jahre im Lande lebten, ihr unmittelbares Lebensumfeld mitbestimmen dürfen. Allerdings forderte Grötsch von den Ausländern auch mehr Engagement in der Sache. Sein Rat: Auf die Politiker einwirken, damit sie sich des Themas annehmen.

Die eher magere Beteiligung an der von der VHS, dem Migranten- und Integrationsbeirat Bamberg und dem bayerischen Dachverband AGABY veranstalteten Podiumsdiskussion spricht freilich nicht dafür, dass die in Bamberg lebenden Dritt staatsangehörigen dem Wahlrecht Nachdruck verleihen möchten.

MdB Ekin Deligöz, türkischstämmige Grünen-Abgeordnete mit deutscher Staatsbürgerschaft, hofft, dass das Ausländerwahlrecht politisch und nicht juristisch aktualisiert wird. Dazu werde Geduld nötig sein, ist ihr klar. Aber der schließlich doch mögliche Ausstieg aus der Kernenergie habe gezeigt, dass sich auch ein langer Kampf lohnen kann. Wenn eine Idee gut sei, setze sie sich durch, meinte die Bundestagsabgeordnete aus Neu-Ulm. Es Ausländern nach bestimmten Kriterien zu erlauben, ihre Heimatregion auf demokratische Weise mitzugestalten, würde sich als Teil der Integration auch für die Deutschen positiv auswirken, ist sie überzeugt. Den Verweis auf die Möglichkeit der Einbürgerung lässt Ekin Deligöz der Bündnisgrünen nur bedingt gelten. Es seien hohe Hürden zu überwinden: achtjähriger Aufenthalt, polizeiliches Führungszeugnis, der Nachweis, sich ein Bewerber selbst versorgen zu können, schließlich ein Sprach- und Einbürgerungstest mit 385 kniffligen Fragen. Und dann müsse auch noch die bisherige Staatsbürgerschaft aufgegeben werden, was zu Brüchen im Familien- und Freundeskreis führen könne.

Die Vorsitzende der bayerischen Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte (AGABY), Mitra Sharifi Neystanak, betonte, dass sich Migranten zuerst mit ihrer engeren Heimat identifizierten. Und hier möchten sie sich auch einbringen, Verantwortung übernehmen. Es gehe in Stadt- und Kreistagen doch nicht um außenpolitische Entscheidungen, sondern um Angelegenheiten, die die Bewohner der Kommunen selbst regeln und unmittelbar beträfen. Die in Teheran geborene Dozentin für Sprachförderung an der Uni Bamberg plädiert für ein couragiertes Bekenntnis zu Vielfalt und Toleranz und zur Gleichbehandlung aller. Zuversichtlich zählt sie schon mal zusammen, dass im Bund die Abgeordneten von SPD, den Grünen, der Linken "und eventuell auch der FDP" doch schon die Zwei-Drittel-Mehrheit zusammen brächten, um das Grundgesetz zu ändern. Unzufrieden mit dem Dreiklassenwahlrecht forderte Neystanak auf, das Thema Kommunales Wahlrecht für alle auf die politische Tagesordnung zu setzen. Es gehe dabei auch um die Stärkung und Entwicklung der Demokratie.

Axel Altstötter, Schriftführer im CSU-Kreisverband Bamberg-Stadt, räumte ein, dass angesichts der Flüchtlingswelle die Politik in die Versuchung geraten könnte, durch die Änderung des Ausländerwahlrechts auf Stimmenfang zu gehen. Seiner Meinung nach wird die Politik aber mit Blick auf die eher ängstliche Grundstimmung der Bevölkerung davor zurückschrecken. Das Wahlrecht sei der Kern der Demokratie, stellte der Jurist fest. Per Grundgesetz und höchstrichterlicher Entscheidung sei geregelt, wer in Deutschland wählen dürfe. Handlungsbedarf wird in der Union zur Zeit offenbar nicht gesehen. Altstötter riet den Drittstaatsangehörigen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzustreben. Wenn sich jemand in Deutschland wohl fühle und lange genug hier lebe, müsse er eben eine Entscheidung treffen. Nach Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft stehe jedem sofort das aktive und passive Wahlrecht zu.

Viel Beifall erntete der CSU-Repräsentant für seine Meinung aus dem Besucherkreis nicht. Und Gesprächsleiter Förtsch konstatierte ein "differenziertes Stimmungsbild". Der Blick gilt momentan auch mehr einer viel dringenderen Ausländerproblematik.