Im Bamberger Ankerzentrum basteln Kinder gemeinsam mit ihren Eltern - Um zu vergessen, was sie in der Heimat erlebt haben. Ein Blick hinter den Zaun der Einrichtung verrät, was den Alltag und das Leben in der Bamberger Flüchtlingsunterkunft prägt.
Das Gelände der Ankereinrichtung Oberfranken (AEO) in Bamberg ist nach außen hin abgeschirmt, nicht öffentlich zugänglich: Der große Zaun wirkt beklemmend. Das Sicherheitspersonal einschüchternd. Es entsteht das Gefühl, eingesperrt zu sein. Doch Markus Oesterlein, der örtliche Leiter des Ankerzentrums, beteuert: "Unsere Bewohner sind nicht eingesperrt. Sie können das Gelände jederzeit verlassen." Mit dem AEO-Busshuttle zum Beispiel. Elfmal pro Tag pendelt die Buslinie zwischen dem Ankerzentrum und der Bamberger Innenstadt - die Bewohner können damit beliebig oft fahren.
Vorübergehendes Zuhause
Das Gelände des Ankerzentrums wirkt gepflegt, die Sonne scheint über den gemähten Rasen, durch die noch lichte Blätterkrone der Bäume. Kinder spielen auf dem Spielplatz, Familien gehen spazieren: Die Einrichtung in Bamberg ist für viele zu einem vorübergehenden Zuhause geworden. 1248 Menschen teilen sich 13 Wohngebäude und 22 Hektar zum Leben. Durchschnittlich wohnen knapp sieben Personen auf einer Fläche von 85 bis 115 Quadratmetern zusammen. Im Schnitt verbringen Menschen vier Monate im Ankerzentrum. Aber es gibt auch Ausnahmen: Seit knapp zwei Jahren, also deutlich länger als der Durchschnitt, leben 15 Menschen in Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne.
Leben im Anker
Die Wohnung im Gebäude mit der Nummer 16 ist groß, hat viele Zimmer, die sich rechts und links vom Flur abspalten. Am Ende des langen Gangs ist ein Bad, rechts daneben noch eines. In den größeren Wohnungen seien stets zwei Badezimmer, so Jürgen Wolf, Sachgebietsleiter der Regierung von Oberfranken. Helle, lichtdurchflutete Räume mit niedrigen Decken. Ganz im amerikanischen Stil.
Weiße Wände trennen die Räume. Der Boden: Hellbrauner Parkett, vereinzelt im Fischgrätstil. Die einzelnen Dielen des Holzfußbodens sind ramponiert, an den Rändern abgenutzt. Die Küche hat hellbraune Verkleidungen. Einzelne Türen schließen nicht passgenau, aber die Küche ist ausreichend, denn kochen dürfen die Bewohner in den Häusern nicht - die Gefahr eines weiteren Brands sei zu groß. Deshalb finden sich auf dem Gelände neuerdings sechs graue Container, ausgestattet mit Küchen. So können die Menschen dort im Wechsel kochen.
Bei einem Blick über das weitläufige Areal fällt auf, dass es viele weitere Container gibt, 70 insgesamt. Darin befinden sich unter anderem Sanitäranlagen für den Notfall - sollte die Höchstkapazität der AEO, also eine Belegung mit bis zu 3400 Menschen, erreicht werden. Denn dann genügen die Bäder in den Wohnungen nicht.
Da den Bewohnern in den Wohnungen das Kochen untersagt ist, wird für sie in der industriell anmutenden Kantine gekocht - halal, also hauptsächlich ohne Schweinefleisch. Ein junger Mann trägt sein Tablett mit Essen in den großen Speisesaal der Kantine. Auf dem Weg dorthin fällt ihm sein Brötchen vom weißen Tablett. Er hebt es auf, pustet es ab und beißt hinein. Er nimmt Platz im riesigen Speisesaal. Hier ist gleichzeitig Platz für etwa 1000 Bewohner der Einrichtung. "Bei Bedarf haben wir hier sogar eine Kapazität von 3400 Sitzplätzen", erklärt Wolf.
Erlebtes Vergessen
Während am einen Ende der Ahornstraße die Kantine liegt, findet sich genau am anderen Ende der Erlenweg. Dort schmücken selbstgebastelte Schmetterlinge in bunten Farben die großen Fenster eines rosanen Hauses mit roten Balkonen - es ist das Letze in der Straße. Durch die Fenster im ersten Stock blicken Kinder mit großen Augen gespannt nach draußen, wollen wissen, was dort los ist.