100 Kilometer an zwei Tagen haben die Wallfahrer nach Retzbach und zurück zu Fuß bewältigt, als sie in Oerlenbach einzogen. Viele Verwandte und Bewohner empfingen sie mit Blumen und Lichtern.
Mitten in der Nacht waren 103 Wallfahrer von Oerlenbach aus aufgebrochen. Unterwegs schlossen sich viele weitere an, so dass der Zug auf 279 Teilnehmer anwuchs. Den Heimweg nahmen 160 Wallfahrer auf sich.
Den langen Weg mit je 12 Stunden füllten Gebete, Lieder und Betrachtungen. Dazu kamen die Gottesdienste in Retzbach unter dem Gesamtthema "Leben unter dem Kreuz". Betroffen und ergriffen machte ein Brief, in dem sich ein Wallfahrer, dem die schwere Erkrankung ALS eine weitere
Teilnahme verwehrte, verabschiedete. Er war bereits als Jugendlicher dabei und wirkte im Vorbeterteam zuletzt zehn Jahre lang mit: "Ich wollte gern noch einmal dabei sein, aber es ist mir nicht mehr möglich. Im Geiste laufe ich jeden Meter und Kilometer mit euch. Es fällt mir schwer von der lieb gewonnen Aufgabe als Vorbeter loszulassen. Trotz aller Wehmut und Tränen bleibt mir ein Gefühl der Dankbarkeit und Zufriedenheit für die wundervollen Erfahrungen durch die
Wallfahrt, für die vielen Begegnungen und Gespräche, für die vielen Denkanstöße für den Alltag, für die geballten Emotionen bei Ankunft in Retzbach und Oerlenbach sowie für die Geselligkeit bei einem Wallfahrtsschoppen. Es war eine sehr schöne Zeit mit euch."
Zum ersten Mal dabei
Ohne Zwischenfälle verlief die Wallfahrt, die von Otmar Seidl und seinen vielen Helfern gründlich
vorbereitet war. In die Pilgerschar reihte sich Pfarrer Norbert Reinwand ein: "Die beiden Tage haben mich sehr angesprochen, die vielen Lieder und Texte, die Grundfragen des Glaubens und aktuelle Themen einschlossen, die vielen Gespräche unterwegs, die Zeiten des Nachdenkens und die vielen Anstöße für den Alltag."
Erstmals pilgerte auch die 15-jährige Miriam Stahl aus Ebenhausen mit: "Ich war über Schüleraustausch drei Wochen in Brasilien.
Wenn ich wieder gut nach Hause komme, dann gehe ich mit nach Retzbach", gestand sie ein, zumal ihr Vater schon lange mitmacht wie auch ihre 12-jährige Schwester Franziska, die zum 5. Mal dabei war. Beide liefen die Strecke ab Schwebenried und zurück.
Kraft für den Alltag
Für wiederholte Teilnahme nahm am Abend nach Bußandacht, Lichterprozession und Eucharistiefeier Wallfahrtspfarrer Gerold Postler Auszeichnungen
vor. Eine Freundin animierte Christa Keßler, die zum 25. Mal teilnahm, einst. "Ich nehme jedes Jahr viele Anregungen mit. Das schenkt mir Kraft für den Alltag. Retzbach ist fester Termin." Zum 40. Mal war Otmar Lutz dabei. Seit 35 Jahren leitet er die "Retzbachmusikanten" und fungiert seit 10 Jahren als stellvertretender Wallfahrtsführer und Leiter des Vorbetungsteams. "1967 war ich zum ersten Mal dabei, bald auch als Musikant.
Vergessen werde ich nicht, als wir einmal beim Aufbruch in Oerlenbach nur zwei Musiker waren und ans Aufgeben dachten. Doch in Ebenhausen reihte sich völlig unerwartet die dortige Blaskapelle ein." Heuer begleiteten 25 Musiker die Prozession.
1957 war Otmar Seidl erstmals dabei. "Interesse hatte ich schon vorher, spielte aber meist Fußball. Ein älterer Pilger stieß mich direkt an: Da gehste einfach mal mit! Von Beginn an schenkte mir die Teilnahme Hilfe in Sorgen.
Meine Familie steht ganz zur Seite. Bald half ich die Lautsprecheranlage zu betreuen und für Sicherheit zu sorgen. Viele Jahre stand ich dem langjährigen Wallfahrtsführer Wilhelm Karch zur Seite. Vor 10 Jahren habe ich dieses Amt übernommen. Wenn sich so viele engagieren, macht es einfach Spaß", versichert er.
In die Fußstapfen seines Vaters trat Willi Hemmerich: "Mit 12 Jahren hat er mich am Samstag mitgenommen. Damals war noch Schule.
Wer aber nach Retzbach ging, bekam frei. Das war zusätzlicher Reiz. Vom Spruch `einmal und immer oder einmal und nimmer` wählte ich die erste Form. Damals war die Prozession viel kleiner. Wir Jungen durften bald mithelfen. Jetzt trage ich wie schon mein Vater seit vielen Jahren das Wallfahrtsbild, zusätzliche, aber gerne übernommene Zusatzbelastung, und gebe das Tempo vor, um den Zeitplan einzuhalten."