Im Landkreis Bad Kissingen herrscht Mangel an Pflegekräften. Die Praktiker sind sich einig: Die Bedingungen des Berufsstandes sind zu verbessern.
Seit 40 Jahren kümmert sich Marie-Jeanne Poos um alte und kranke Menschen, 19 Jahre im Dienst der ambulanten Pflege bei der Caritas. Sie macht ihren Job mit Leib und Seele - aber... "Der Gesetzgeber hat die Pflege bürokratisiert. Manchmal hätte ich gerne etwas mehr Zeit, aber das rein Menschliche wird nicht bezahlt", sagt sie. Und: Sie hätte gerne mehr Kolleginnen und Kollegen.
Aber es fehlt an Pflegekräften.
Die Caritas ist flächendeckend im gesamten Landkreis unterwegs und beschäftigt rund 200 Pflegekräfte auf umgerechnet 90 Vollzeit-Stellen. "Im Moment sind wir noch ganz gut bestückt", sagt Caritas-Geschäftsführerin Claudia Rößner. Aber wenn sie auf den Altersdurchschnitt ihrer Kräfte blickt, weiß sie, dass in den nächsten Jahren viele ausscheiden werden.
"Die Neubesetzung wird schwierig werden", ist sie sicher.
Zu viel Bürokratie Ein großes Manko in Claudia Rößners Augen ist die Bürokratie. "Die Leute wollen sich mit Herzblut der Pflege widmen, aber ein Großteil der Arbeitszeit geht für Dokumentationen drauf." Jeder kleine Handgriff muss notiert werden. Das verlangen die Vorgaben des medizinischen Dienstes und der Pflegekassen.
"Es gibt immer wieder Pflegekräfte, die sich anderweitig orientieren."
Wenn Marie-Jeanne Poos um 6.30 Uhr ihren Dienst antritt, dann weiß sie, dass nur schwere Pflegefälle auf sie warten. "Es gibt Leute, die habe ich jeden Tag, da komme ich zeitlich hin", sagt sie. "Es kommt darauf an, was ich den Menschen vermittle. Selbst wenn ich nur fünf Minuten habe, ich bin für die Menschen auch da." Wenn sich der Zustand eines Patienten schwer verändert
hat, bleibt sie auch einmal länger als vorgesehen, doch das gehe dann auf Kosten des Arbeitgebers.
Bessere Entlohnung Claudia Rößner spricht von einer verantwortungsvollen und teilweise körperlich schweren Arbeit, die die Pflegekräfte leisten. Und dafür wäre eine bessere finanzielle Anerkennung wichtig.
Doch die Caritas-Geschäftsführerin weiß auch, dass, wenn die Pflegekräfte besser bezahlt werden sollen, die Vergütung durch die Kassen angehoben werden müsste und die Pflege teurer werden würde.
Und Claudia Rößner findet auch, dass der Beruf in der Öffentlichkeit besser anerkannt werden müsste. "Pflege wird nur dann wahrgenommen, wenn es einen Skandal in einem Altenheim gibt", sagt sie.
Einzelfälle brächten die ganze Branche in Verruf, auch die zahllosen Pflegerinnen und Pfleger, die ihre Arbeit mit Herzblut machen.
Mehr Anerkennung für ihren Beruf wünscht sich auch Marie-Jeanne Poos. "Der Pflegeberuf hat keine gute Lobby, wir sind nach der Arbeit oft so fertig, dass wir keine Lobbyarbeit mehr leisten können", sagt die Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Oft wüssten Außenstehende gar nicht, was Pflege bedeutet, glaubt Frau Poos, die auch für die Schulung von Pflegehelferinnen verantwortlich ist.
Ausbildung forcieren Die jungen Leute seien überrascht, was für ein interessantes Fachgebiet die ambulante Pflege ist.
"Wir stimmen in den Chor aller ein, die sagen, dass zu wenig Fachkräfte auf dem Markt sind", sagt Barbara Mayerhofer, die Geschäftsleiterin Altenhilfe im diakonischen Werk Schweinfurt ist. Es werde zu wenig ausgebildet. Schon vor einigen Jahren seien unter anderem von den Krankenhäusern aus Kostengründen Kurse gestrichen worden, "diese Kräfte fehlen uns".
Zwar sei das Diakonische Werk momentan noch in einer guten Situation, aber gerade in den stationären
Einrichtungen gebe es zu wenig Leute.
Es müsse mehr Geld aus dem Gesundheitssystem für die Pflege verwendet werden, fordert Barbara Mayerhofer, es müsse mehr ausgebildet werden und es müssten Bedingungen geschaffen werden, die den Pflegekräften die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Das versuche man auch der Politik klar zu machen. "Die Pflegeberufe müssen auf einen anderen Sockel gehoben werden", sagt Barbara Mayerhofer.