Henning Schmidtke entschleunigt die Workoholics vor dem Burnout. Und das Publikum hat seinen Spaß dabei.
Was hat Zeit mit einem Tanga zu tun? Nun, Henning Schmidtke findet, dass die Menschen noch nie so viel Zeit hatten wie heute und dennoch hetzen sie durch das ganze Leben.. Zeit ist kostbar und manchmal so knapp wie ein Tanga. Mit seiner Philosophie "Entdecke die Zeit" brachte es der Kabarettist Henning Schmidtke im Kurtheater auf den Punkt: Sein entschleunigtes Kabarett-Programm "Hetzkasper - zu blöd für Burnout" widmete sich ganz der Zeit und der Hektik des Alltags.
Oft rennt uns die Zeit davon. "Soll sie doch" - sagte der Kabarettist, "lassen wir ihr ruhig mal einen Vorsprung. Die wird sich noch umgucken!" Henning Schmidtke macht sich lustig über den Hetzkasper in uns allen.
Eigene Songs
Hin und wieder streut er eigene Songs ein, bei denen sein virtuoses Klavierspiel in reizvollen Kontrast zu den hintergründigen Texten tritt.
Schmidtke startete seine Karriere in der Kabarett-Schmiede "Nightwash". Er beobachtet mit geschärftem Blick, analysiert genüsslich und nimmt richtig Fahrt auf, sobald er zu überraschenden kabarettistischen Schlussfolgerungen kommt, die entlarvend und erheiternd sind. Er findet, Castingshows haben im Fernsehen Musiksendungen längst völlig verdrängt. Er nennt es Leistungsfernsehen. Jeder muss dabei super Leistung zeigen.
Er lamentiert: "Es gibt doch nur noch diesen Castingdreck, bei dem alle Teilnehmer mit dem gleichen Betroffenheits-Vibrato singen müssen und hinterher eine Hackfresse etwas dazu sagt."
Grönemeyer hätte keine Chance
"Man braucht keine Leute die einen niedermachen!", lautete sein Resümee.
Und er treibt den Spott auf die Spitze: "Stellen Sie sich vor, da singt einer wie Marius Müller-Westernhagen, Udo Lindenberg oder Herbert Grönemeyer vor - die hätten keine Chance, die würden niedergemacht."
Nach einem Seitenhieb auf die alljährlichen Weihnachtsplatten mancher "Möchtegernsänger" reizt Schmidtke die Lachmuskeln mit Songs, die er im typischen Grönemeyer-Stakkato kurz intoniert: "Öööööh du
Fröhliche", "Bethlehem, ich komm aus dir!", "Christkinder an die Macht" und dem Song des Josephs "Meine Frau sagt, dass sie schwanger ist, sie hat den Heiligen Geist geküsst. Was soll das?"
Henning Schmidtke vollbrachte obskure Gedankensprünge, setzte Pointen, wo man sie nicht erwartete, spielte mit dem Publikum und plapperte fröhlich darauf los. Oft standen einem als Zuhörer vor Lachen die Tränen in den Augen.
Immer wieder die unerwarteten Gedankensprünge, die er mit Zeit, Leistung und Geld verband: "Sämtliche Olympiasieger im Speerwerfen sind Leistungssportler - und haben sie etwas getroffen?" Das Hamsterrad drehe sich immer schneller. Es gebe bereits Gedanken zu Gräbern mit schnellerer Verwesung, stellt Schmidtke fest.
Nach der Pause, in der sich das gestresste Publikum ein wenig entschleunigen konnte, gerät der Workoholic ins kabarettistische Visier.
"Wie können Sie morgen ihr Leben verändern? - Morgen ist ganz schlecht, Dienstag in einer Woche wäre besser!" Er kritisiert, nörgelt und stellt die Hetze und die Sucht nach Geld immer wieder auf den Pranger.
Lösung muss jeder selber suchen
Aber hat Schmidtke Lösungen gegen die zunehmende Hetze? Nein, ein Rezept habe er nicht, die Lösung müsse jeder in sich selbst suchen.
"Der Alltag steckt voller Möglichkeiten, ihn zu ändern", versichert er. So könne man etwa durch Anzeige einem Steuersünder zu mehr Zeit für seine Kinder verhelfen - beim Freigang.