Wilde Rhön: U-Boot-Taxi in der Saale

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Der Bitterling und die Flussmuschel bilden ein ungewöhnliches Team. Illustration: Susanne Will
Der Bitterling und die Flussmuschel bilden ein ungewöhnliches Team. Illustration: Susanne Will
Ein Bitterling in seinem Habitat. Foto: Wolfgang Hauer/dpa/lhe
Ein Bitterling in seinem Habitat. Foto: Wolfgang Hauer/dpa/lhe
 

Unsere Heimat besteht nur aus Basalt und Buchen? Falsch. Das beweisen wir Ihnen in unserer Serie "Wilde Rhön".

Packen Sie Flossen, Schnorchel und Taucherbrille ein. Heute gehen wir auf Tauchstation. U-Boot geht leider nicht, das Budget war zu klein. Mal abgesehen davon, dass die Saale nicht gerade die Tiefe des Marianengrabens hat.

Aber: Trotzdem gibt es in dem meist trüben Wässerchen einiges zu bewundern: Etwa den Deal zwischen Bitterling und Flussmuschel. Das Agreement der beiden Arten: Biete Schutz gegen Mobilität. Kein schlechter Deal, gerade wenn der Hecht vor der Haustür im Schilf lauert. Aber: Wie kooperiert ein Fisch mit einer Muschel?

Dafür betrachten wir den kleinen Karpfen bei der Fortpflanzung. Im Frühjahr besetzt das Männchen ein Revier. Wichtig für ihn: Es braucht darin ein paar Flussmuscheln.

Die Damenwelt lockt der nur wenige Zentimeter große Fisch dann in Richtung der Muscheln. Das hat zu dem Zeitpunkt eine Legeröhre ausgebildet. Darüber legt das Weibchen einzelne Eier in die Kiemen der Schalentiere ab. Dabei setzen die Bitterlinge auf Streuung.

Jede Muschel enthält nur wenige Eier. Das Männchen gibt seinen Samen ins Wasser ab, über das Atemwasser gelangt es in die Muscheln, in denen die Eier liegen. Die Befruchtung findet somit in den Schalentieren statt. Sauerstoffreiches Wasser im Kiemenbereich der Muschel sorgt für eine hervorragende Entwicklung der Jungfische.

Die klopfen für ihren Auszug erst dann an, wenn sie schwimmfähig sind. Ein sicheres Aufwachsen ist mit dieser Strategie gewährleistet. Aber was ist eigentlich mit der Eingangs angesprochenen Mobilität?

Dabei handelt es sich um den Vorteil, den sich die Muschel nimmt. Als Muschel ist man sich durchaus darüber im Klaren, dass große Bewegungen oder Wanderungen nicht drin sind. Aber: Die Natur findet - wie immer - einen Weg.

Den engen Kontakt zwischen Fisch und Muschel bei der Eiablage nutzt das Schalentier gerne aus, um Frau Bitterling einige Muschellarven anzuheften. Nach einiger Zeit fallen die Larven ab, suchen sich einen geeigneten Lebensraum und warten auf die nächste Bitterling-Dame, um sich weiter zu verbreiten. Das ging lange Zeit gut.

Erst durch den starken Eingriff des Menschen kamen Probleme auf. Denn ein Partner kann nicht ohne den anderen. Die gemeinsame Familienplanung ist aufeinander abgestimmt. Das sensible Gleichgewicht lässt sich nur zu leicht stören, was zum Niedergang zweier Arten führen mag.

Vor etwa 200 Jahren fing man den Fisch beispielsweise als Schweinefutter. Industrialisierung und der Eintrag von Nähr- und Schadstoffen erschweren die Familienplanung weiterhin. Verlandung und das Beseitigen von Altarmen kamen noch hinzu. Mittlerweile ist man dagegen bemüht, Flüsse zu renaturieren und Auenlandschaften zu erhalten. Davon profitieren beide - Bitterling und Flussmuschel.