314 397 Mal waren die Betten in Stadt und Staatsbad im vergangenen Jahr belegt. Zu den 63 488 Gästen gehörte auch der Berliner Jörg Starke, der sich seit 25 Jahren regelmäßig in der Malteser-Klinik erholt und von Physiotherapeut Sebastian Wurster behandeln lässt.
Jörg Starke kommt richtig ins Schwärmen, wenn er von Bad Brückenau erzählt: "Der Ort ist für mich ein Jungbrunnen, hier kann ich mich erholen und meine Werte immer wieder auf Vordermann bringen", sagt der 55-Jährige. Seit fast 25 Jahren fährt er regelmäßig in die Klinik von Weckbecker, die mittlerweile dem Malteserorden gehört. "Ich komme jedes Jahr mindestens einmal, zum Teil sogar zwei Mal", erzählt er. Ein bis zwei Wochen gönnt er sich dann eine Auszeit, damit gehört Starke zu den 63 488 Gästen die im Jahr 2012 insgesamt 314 397 Übernachtungen in Bad Brückenau verbracht haben.
Jörg Starke kommt aus Berlin und ist als Kunsthändler in der ganzen Welt unterwegs. Viele seiner Bekannten würden mondänere Orte für ihren Urlaub wählen, aber: "Was mich hier besonders anzieht, ist die Einfachheit der Menschen und das Normale." Auch er fahre gerne mal an angesagte Orte. Die Fastenwochen in Bad Brückenau seien aber genau das Gegenteil davon: "Hier ist alles sehr unspektakulär, so dass ich hier nichts weiter machen kann", berichtet er, und: "Ich bin entweder im Wald oder hier im Haus", fehle ihm auch nichts weiter.
Auf die Klinik von Weckbecker wurde Jörg Starke über eine Tante aufmerksam, die 40 Jahre lang hier Erholung suchte. Mittlerweile ist sie 96 Jahre alt. "Wenn ich nicht den Eindruck gehabt hätte, dass ihr die Aufenthalte hier gut tun, wäre ich vermutlich nicht selbst nach Bad Brückenau gekommen", lacht er über die Frage, weshalb er bereits mit Mitte 30 mit dem Heilfasten begann. "Ich muss doch nicht abnehmen", war seine erste Reaktion, als ihm das Heilfasten als Mittel gegen seine psychischen Beschwerden empfohlen wurde.
Damit setzte er vor gut 20 Jahren einen Trend, an den die Malteser-Klinik von Weckbecker wieder immer stärker anknüpft: "Wir haben immer mehr jüngere Patienten, die etwas für sich und ihre Gesundheit tun", berichtet Geschäftsführerin Petra Steil. Und: "Gerade bei Menschen, die im Berufsleben stehen, registrieren wir eine Zunahme von psychischen Erschöpfungserkrankungen."
Genaue Zahlen nennt Steil nicht, aber: "Wir haben eine stabile Belegungszahl und die Übernachtungen gehen langsam nach oben", gibt es Parallelen zur Gesamtstatistik der Stadt mit vier Übernachtungsplus in Folge (siehe Infokasten). Gut 24 000 Übernachtungen habe die Klinik im vergangenen Jahr zur Gesamtstatistik beigesteuert und ist damit größter Gastgeber in der Kernstadt. Entgegen dem allgemeinen Trend sinke aber die Aufenthaltsdauer: "Leider nehmen sich die Menschen nicht immer die Zeit, die sie eigentlich bräuchten", bedauert Steil. Positiv sei dagegen, dass mehr als die Hälfte der Gäste "Wiederholungstäter" seien: Die meisten kommen also wieder und so gut wie alle zahlen die Gesundheitsvorsorge aus der eigenen Tasche.
"Unsere Gäste schätzen hier die Ruhe, die Natur, die gute Luft und natürlich unsere freundlichen Mitarbeiter", fasst Petra Steil das Erfolgsrezept der Klinik zusammen. Auch wenn die Einrichtung oberhalb der Stadt weitgehend autonom agiert und die Gäste wenig Berührungspunkte zur Stadt haben, hat die Geschäftsführerin doch auch den Abwartstrend in der Innenstadt im Blick: "Unsere Gäste nehmen sehr wohl wahr, dass die Angebote in der Stadt immer weniger werden", hofft Steil auf eine Wiederbelebung.
Sowohl bei der Stadt, als auch bei der Staatlichen Kurverwaltung wurde die Gästestatistik 2012 mit großer Freude aufgenommen: "Es ist schön, dass die Übernachtungszahl durchgängig steigt", kommentierte der stellvertretende Kurdirektor Titus Tesar das vierte Plus in Folge. "Wir sind gut aufgestellt", hofft er für das Staatsbad auf einen weiteren Aufwärtstrend.
"Wir sind auf einem guten Weg", sagt auch Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks (CSU). "Die Gäste fühlen sich hier wohl", schließt sie aus der zum ersten Mal seit Jahren wieder gestiegenen Aufenthaltsdauer. "Es ist schon enorm", verweist Meyerdierks darauf, dass die gut 314 000 Übernachtungen an die 1000 zusätzlichen Bürgern entsprechen. "Das ist schon enorm", hält sie diese Entwicklung für eine Stadt mit weniger als 7000 Einwohner für eine große Besonderheit.
"Diese Übernachtungszahl ist ja auch die Rechtfertigung dafür, dass wir so viel Geld im Tourismus-Bereich in die Hand nehmen", mache das Plus die Argumentation im Stadtrat und vor Bürgern einfacher, denn: "Vieles, was wir vorhalten, ist für eine Stadt unserer Größenordnung schon bemerkenswert." Eine der Baustellen ist derzeit das Thema Internet: "Wir versuchen, die Stadt weiter bekannt zu machen." Wünschen würde sich die Bürgermeisterin, dass die Häuser der privaten Vermieter noch besser ausgelastet sind und dass wieder mehr Leben in die Innenstadt kommt.
Passanten
Die Stadt unterscheidet in ihrer Statistik Kurgäste (mit Gästekarte) und Passanten (ohne Gästekarte). Die Zahl der Passanten hat sich 2012 um 210 oder 0,95 Prozent von 22 086 auf 21 876 reduziert. Allerdings gab es in diesem Bereich die deutlichste Steigerung bei der Aufenthaltsdauer: Die Passanten steuerten 45 130 Übernachtungen bei, das sind 5184 oder 14,1 Prozent mehr als im Jahr 2011.
Kurgäste
Die Zahl der kurtaxpflichtigen Gäste ging 2012 ebenfalls leicht zurück: um 289 oder 0,69 Prozent auf 41 612. Die Zahl der Übernachtungen in diesem Bereich blieb dagegen nahezu unverändert bei 269 267, das entspricht einem Minus von 399 oder 0,15 Prozent.
Gesamtzahlen
Insgesamt weist die Gästestatistik der Stadt Bad Brückenau bei den Ankünften ein Minus von 0,78 aus, also absolut von 63 987 auf 63 488 Gäste. Die Übernachtungen stiegen 2012 um 1,68 Prozent von 309 213 im Jahr 2011 auf 314 397 im Jahr 2012. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer stieg von 4,8 auf 5,0 Tage.
Klinik
Dr. Erich von Weckbecker und seine Frau Anneliese gründeten im Juni 1958 eine Klinik mit 50 Betten. Die Einrichtung bezeichnet sich noch heute als "Wegbereiter einer integrativen Medizin". Die Einrichtung vereint seit jeher Naturheil- und schulmedizinische Verfahren.
Entwicklung
Die Klinik wurden in mehreren Schritten um Badehaus, Kneipp-Abteilung und Hallenbad erweitert. 1998 übergab das Ehepaar von Weckbecker die Klinik an den Malteser-Orden. Unter dessen Federführung wurde ab 1999 das Haus II renoviert und ein Therapiezentrum errichtet. 2005 stiftete das Ehepaar von Weckbecker eine Haus-Kapelle. Die Klinik hat 105 Zimmer, darunter zehn Appartments, und beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. Nach leichten Rückgängen in den Jahren 2008 und 2009 steigt die Zahl der Übernachtungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich und liegt derzeit bei rund 24 000, die Klinik ist damit größter Gastgeber in der Kernstadt.
Ideengeber
40 Jahre lang war die Geschichte der Klinik eng mit dem Internisten und Humanisten Dr. Erich von Weckbecker (1920 - 2005) verbunden. Wegen einer eigenen schweren Erkrankung in seiner Jugend fand er Zugang zu damals weitgehend unbekannten Naturheilverfahren. Auf der Grundlage von Heilfasten und Kneippschen Anwendungen entwickelte er zahlreiche eigene Therapie-Methoden.