Was ich noch sagen wollte

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Michl Müller präsentiert sein neues Programm in Arnshausen und erntet wie immer den stürmischen Applaus der Fans. Dabei hat er schwer verdauliche Kost im Gepäck. Fotos: Klaus Werner
Michl Müller präsentiert sein neues Programm in Arnshausen und erntet wie immer den stürmischen Applaus der Fans. Dabei hat er schwer verdauliche Kost im Gepäck. Fotos: Klaus Werner
 
 
 
 
 
 

Michl Müller präsentiert sein neues Programm in Arnshausen und erntet wie immer den stürmischen Applaus der Fans. Dabei hat er schwer verdauliche Kost im Gepäck.

"Die Dreggsägg werden immer mehr!" - und mit dieser Feststellung erntet Michl Müller bei seinem Auftritt in Arnshausen breite Zustimmung. Vor allem als er dies mit Stichworten wie Drohnen-Desaster, Pferdefleisch in der Lasagne, die "Sache Mollath" oder "Steueraffäre Hoeneß" unterlegt und die Verantwortlichen mit sichtlichem Widerwillen benennt.
Heimvorteil hatte der Garitzer Kabarettist bei seinem Auftritt in Arnshausen - sozusagen ein Katzensprung im Vergleich zu
einem Auftritt in ... Euerdorf. Die gedankliche Pause vor der Nennung des kleinen Saaleortes lässt den 400 Gästen genügend Zeit, um über alle möglichen Orte nachzudenken. Als dann "Euerdorf" fällt, kommt angesichts der aktuellen Verkehrssituation sofort Gelächter auf - vor allem als Müller nachschiebt: "Was bauen die denn da eigentlich - das ist doch bloß eine Straße." Und dann noch ergänzt: "Jetzt ist bald Rakoczy. Da müssen alle Löcher zu sein, sagt der OB - und nächstes Jahr ist sowieso Wahl."
Michl Müller ist mit seinen Auftritten sehr nah an den Besuchern, egal ob es Geschichten rund um "der Frank, der Holger und ich" sind oder ob er sich die Protagonisten aus Politik, Sport oder Unterhaltung zur Brust nimmt. In diesen beiden Welten agiert er und wechselt dabei ansatzlos die Thematik, ohne jedoch den roten Faden zu verlieren - ein kleiner Satz genügt und schon nimmt er seine Fans mit in das Parallel-Universum.
Der Göritzer Dreggsagg hat mittlerweile auch in kleineren Hallen die große Bühne mit entsprechender Technik: schwarz abgedeckter Hintergrund, Banner mit seinem Konterfei, Boxen in Mannshöhe und eine funkelnde Lichterwelt, die aber erst in der zweiten Hälfte des dreieinhalbstündigen Auftritts wirkte, weil es dann dunkel genug war. Musikalisches Intro und eine Ankündigung aus dem "Off" vervollständigen die Professionalität, mit der Michl Müller mittlerweile unterwegs ist. Und nicht nur der Rahmen ist professioneller, auch der Kult-Kabarettist hat mittlerweile einen Standard erreicht, der über drei Stunden keine Langeweile aufkommen lässt. Dabei nutzt Müller nicht unbedingt das Florett. Er nimmt das Schwert und sogar den Vorschlaghammer, um seine ironischen, satirischen, sarkastischen, tiefen, aber teils auch flachen Ansichten unter das Volks zu bringen.

Quer durch die Politik

Nichts und niemand sind vor seinen Sticheleien und Frotzeleien sicher. Mal nimmt er Ursula von der Leyen mit ihrer "Altersarmut" her und verknüpft die mit einer "Shades-of-Grey-Performance", mal zieht er die Grünen durch den Kakao, wenn er das Verbot des Nachtangelns mit dem gesundheitlichen Schaden für die Fische verknüpft. Claudia Roths Türkei-Erfahrungen stimmt er mit "Spitzen-Kandidat" Rainer Brüderle und seinen Erfahrungen - "Riesling statt Reizgas" - ab. Die NSU-Nazi-Mordserie ist ebenso Thema wie die Energiewende Altmaiers und die "Strompreis-Bremse, die nicht bremst" - mit spöttischem Hinweis, was der TÜV wohl sagt, wenn er nächstes Mal mit dem gleichen Argument vorfährt.
gMit diesen übertragenen Konsequenzen in den Alltag eines "Normalbürgers" erzeugt Michl Müller eine Lachfrequenz, die teils minütlich durch die Arnshausener Lollbach-Halle schwappt. Dabei unterstützt er seine atemberaubende, rekordverdächtige Anzahl von Wörtern und Sätzen durch eine beredte Mimik, die ganze Sätze ersetzt und von den Gästen ohne Probleme verstanden wird. Beim körperlichen Einsatz geht es schon in den Hochleistungssport, so dass man über sein Bekenntnis, regelmäßig in das Fitness-Studio zu gehen, schon beruhigt ist.
Schweißtreibend ist jedenfalls das, was er auf der Bühne an Kilometern von links nach rechts und wieder zurück abschreitet und dazu noch die choreographischen Einlagen bei den Musikstücken, die er immer noch zum Ergötzen der Gäste einbaut und mit denen er sich in der Zugabe verabschiedet.
Neben seine politischen Anspielungen, über die er Angela Merkel abgehoben und ganz entspannt fliegen lässt, nimmt er sich auch "Otto Normalbürger" und dessen Charaktereigenschaften zur Brust. Er referiert über den Einsatz von Navis im Auto, der dazu führt, dass immer öfter mitfahrende Ehefrauen auf Raststätten vergessen werden, oder verarscht das Fitness-Studio als "Welt im Kleinen" mit tiefschürfenden Gesprächen der Hausfrauen über "Sommer-Christstollen".
So hat Michl Müller für jeden etwas dabei: ein bisschen Schadenfreude, ein bisschen Selbsterkenntnis, eine bisschen Zorn und Wut auf "die da oben", ein bisschen Musik und am Schluss die Erkenntnis: "Schön, dass heute Abend ich nicht der einzige bin, der durchgeschwitzt ist!" Dass das Publikum bei hochsommerlichen Temperaturen so toll mitgemacht hat, war dem Kabarettisten auch ein Prädikat wert: "Ihr wart ein Samstags-Publikum, das ist immer am besten drauf."