Während die Gesamtzahl der Straftaten seit Jahren sinkt, verlagern sich immer mehr Betrügereien und Beleidigungen ins Internet.
Sebastian Schönlein ist einer von zwei Beamten in der Ermittlungsgruppe der Bad Kissinger Polizeiinspektion (PI), die sich schwerpunktmäßig um Straftaten im Internet kümmert: "Billig macht blind", lautet eine seiner Erfahrungen. "Die Anonymität im Internet macht uns Probleme", ergänzt PI-Chef Stefan Haschke. Und sein Stellvertreter Christian Pörtner sagt: "Wer ein extrem billiges Schnäppchen gegen Vorkasse zahlt, wartet fast immer vergeblich auf die
Ware."
Das Internet hat durchaus auch für die Polizei seine Vorteile: "Wir machen uns natürlich alles zu Nutze, was öffentlich ist", berichtet Pörtner. Wenn beispielsweise ein "Blitzerbild" komme, muss die Polizei heutzutage nicht mehr unbedingt lange nach dem Autofahrer suchen: Ein eindeutiges Profilbild auf Facebook oder andere Bilder mit Namensangabe im Internet würden ausreichen.
Prahlen in sozialen Medien
"Wir haben auch schon manchen Fall durch das Internet aufgeklärt, manchmal prahlen die Täter ja sogar mit ihren Taten", berichtet Haschke. Einen eindeutigeren Beweis als Fotos oder gar Videoaufnahmen während der Tat, die über soziale Netzwerke verbreitet werden, gebe es kaum.
Eine verdachtsunabhängige Überwachung von Vorgängen im Netz gebe es dagegen bei einzelnen PIs nicht: "Dafür ist das Landeskriminalamt zuständig", betont Haschke.
Eine genaue Zahl von Delikten im Internet gibt es nicht: "In vielen Fällen ist das Internet ja nur das Medium", sagt Schönlein etwa über Beleidigungen. "Manchmal ermitteln wir hier, aber der Fall taucht gar nicht in unserer Statistik auf", ergänzt sein Chef Stefan Haschke.
In diese Kategorie fällt einer der spektakulärsten Fälle des vergangenen Jahres: Ein 22-Jähriger Ex-Schüler veröffentlichte im Oktober zwei Rap-Songs im Internet, in denen der Leiter des Bad Kissinger Gymnasiums bedroht und beleidigt wurde.
Festnahme in Freising
Die Videos im Internet sorgten für großes Aufsehen bei Schülern und Eltern.
Die Polizeiinspektion ermittelte die Identität des ehemaligen Schülers, Polizeibeamte in seiner neuen Heimat Freising nahmen ihn zwar am Montagmorgen in Gewahrsam, vorsorglich standen aber trotzdem zeitgleich zwei Polizeistreifen an der Schule. "Mehrere besorgte Eltern meldeten sich bei der Polizei, da die Songs anscheinend rasend schnell Verbreitung fanden", berichtet Haschke. Der Urheber habe die Songs als "Scherz" bezeichnet.
Die Polizei leitete jedoch ein Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung und Beleidigung ein, das mittlerweile allerdings eingestellt worden sei - über mögliche Auflagen ist nichts bekannt. "Eine konkrete Gefahr hat nach derzeitiger Einschätzung für niemanden bestanden", ist Haschke froh, dass der Fall glimpflich ausging.
Die meisten Fälle im Internet seien jedoch Betrugsfälle, allen voran der Missbrauch von Kreditkarten-Daten.
"Wo die Daten herkommen, klärt sich meistens nicht auf", berichtet Schönlein. Eine Quelle seien sicherlich so genannte Phishing-Mails, also gefälschte Anfragen im Namen von Banken oder Bezahldiensten, in denen Kunden aufgefordert werden, geheime Daten anzugeben. "Das Hauptproblem ist die Gedankenlosigkeit", warnt Christian Pörtner deshalb.
Sensible Daten sollten nie einfach so herausgegeben werden - auch nicht auf die Anfrage von Freunden, weil immer öfter Facebook-Profile kopiert und gefälscht würden. Beim Zugang zu Bezahldiensten oder Abbuchungen von der Handy-Rechnung sei der Schaden oft zwar eher gering, aber die Masche werde meist wiederholt. "Die Banken sind zum Glück oft sehr wachsam und sperren solche Überweisungen", berichtet Schönlein.
Aufmerksame Banken
Das liege auch im Interesse der Kreditinstitute, weil der Schaden an ihnen hängen bleibt, wenn sie nicht nachweisen können, dass Kunden fahrlässig mit ihren Daten umgegangen sind. Immer öfter gebe es auch gefälschte Web-Shops mit Vorauszahlungen auf ebenfalls gefälschte Konten.
Oder Überweisungen, die das Opfer nach Abzug einer Provision weiterleitet, die aber später storniert werden. Zum Teil komme auf den Geschädigten dann noch eine Ermittlung wegen Geldwäsche zu.
Lastschriften könnten bis zu sechs Wochen widerrufen werden, berichtet PI-Chef Haschke. Mindestens so oft müssten Bankkunden ihre Auszüge kontrollieren, am besten öfter.
Die Polizei würde sich zudem wünschen, dass die Politik handelt: "Verbraucherschutz ist Opferschutz", sagt Pörtner. Ein Fortschritt wäre aus seiner Sicht etwa, wenn bei der Sperre von EC-Karten auch die Bezahlfunktion über Lastschrift gesperrt würde. Immer öfter würden auch Bankverbindungen, die Gewerbetreibende oder Vereine im Internet angeben, missbraucht.
Eine Zunahme gebe es auch bei Beleidigungen und Bedrohungen im Internet.
Fotos und Videos würden gegen den Willen der Abgebildeten veröffentlicht. Zum Teil gebe es auch Fälschungen, um andere zu mobben. Ein Wunsch der Polizei in solchen Fällen: Mit der Anzeige am besten nicht bis Freitagnachmittag oder bis zum Wochenende warten. "Gerade bei Mobbing-Fällen brauchen wir ein ganzes Netzwerk aus Schule, Jugendamt und Fachstellen", nennt Pörtner als praktischen Grund.