Vier Tage, 28 Orgeln

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Die Zuhörer in der Klosterkirche Münnerstadt waren nicht nur Teilnehmer der OrgelFahrt. Auch andere Gäste lauschten den überraschend "romantischen" Klängen der Weise-Orgel. Fotos: Christian Dijkstal
Die Zuhörer in der Klosterkirche Münnerstadt waren nicht nur Teilnehmer der OrgelFahrt. Auch andere Gäste lauschten den überraschend "romantischen" Klängen der Weise-Orgel. Fotos: Christian Dijkstal
Frauenkirchenkantor Matthias Grünert hat 2004 die in verschiedener Ausführung stattfindenden OrgelFahrten initiiert und seither einem interessierten Publikum sehr viele Instrumente vorgestellt.
Frauenkirchenkantor Matthias Grünert hat 2004 die in verschiedener Ausführung stattfindenden OrgelFahrten initiiert und seither einem interessierten Publikum sehr viele Instrumente vorgestellt.
 
Registrieren ist noch reine Handarbeit in Althausen.
Registrieren ist noch reine Handarbeit in Althausen.
 

Die OrgelFahrt 2013 führte den Frauenkirchen-Kantor Matthias Grünert auch an zwei Instrumente im Landkreis Bad Kissingen.

Es ist Samstagnachmittag, die Sonne scheint hell, es ist warm im Freien. Da setzt man sich in den Garten, geht Spazieren, Angeln - oder besucht die dritte von sieben Kirchen an diesem Tag, um sich im Rahmen der "OrgelFahrt 2013" das am Ort befindliche Instrument vorführen zu lassen. In der Münnerstädter Augustiner-Klosterkirche kommen einige Leute zusammen, die Matthias Grünert aus Dresden, der 2004 die Orgeltouren initiiert und seither "in verschiedenen
Formaten" durchgeführt hat, zu hören. Nicht nur Teilnehmer der diesjährigen Rhönfahrt, die (unter Schirmherrschaft von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht) von Donnerstag bis Sonntag von Kaltensundheim nach Herpf führt, sind in den Bänken zu finden.
Empfangen werden die Zuhörer am Eingang von Christiane Linke; sie organisiert die OrgelFahrten ehrenamtlich. Linke, die aus Wittmannsgereuth, einem kleinen Ort bei Saalfeld, stammt, ist seit 2005 an der Planung der OrgelFahrt-Projekte beteiligt; seit 2008 ist sie alleine dafür verantwortlich. Es ist eine Art Hobby, sagt sie, und die Affinität zur Orgel, die seit ihrer Kindheit besteht. "Mein Ur-Urgroßvater hat im Orgelbau gearbeitet", sagt sie und fügt schmunzelnd an: "Vielleicht kommt es daher."
Ein Dreivierteljahr lang hat sie die Rhön-Tour, auf der insgesamt 28 Kirchen und ihre Instrumente mit Augen und Ohren abgegrast werden, geplant. "Wir wollten diesmal die Orgellandschaft Rhön vorstellen", sagt sie. Von der kleinen, regional typischen Barockorgel bis zu sinfonisch angelegten Neubauten reicht der Überblick, den die Orgelfreunde bekommen. "Ich spreche mit Kantoren und Orgelbauern und lasse mir Instrumente vorschlagen", erläutert Linke die Organisationsarbeit. Natürlich: Wer am Ort ist und die Ins trumente der Region kennt, kann am ehesten sagen, welche Orgel anzuschauen lohnt, weil sie etwas Besonderes und überdies in vorzeigbarem Zustand ist. "Die Liste mit den Instrumenten und ihrer Beschreibung gebe ich an Matthias Grünert weiter; er sucht dann die Kirchen aus."
Grünert befasst sich beruflich mit Kirchenmusik und Orgeln. Als Kantor der Dresdner Frauenkirche ist der gebürtige Nürnberger, neben dem Frauenkirchen-Organisten Samuel Kummer, dort für die Kirchenmusik zuständig. Doch Grünert ist auch viel unterwegs, um an unterschiedlichsten Orten zu konzertieren und für das Instrument "Orgel" zu werben. Die Idee der Orgelfahrten stammt von ihm; er ist auch für die klangliche Vorstellung der Instrumente zuständig. Vieles treibt ihn an, mit Interessierten durch Thüringen oder die Rhön zu reisen: Sie auf die Orgeln aufmerksam zu machen, ihnen Landschaften und Instrumente zu zeigen. Mindestens so wichtig aber sind ihm auch die Leute, die in den jeweiligen Städten oder Dörfern wohnen: Sie sollen erfahren, was sie haben. "An einigen Orten stehen wohlklingende Schätze", weiß der Kantor. "Nicht zuletzt komme ich über verschiedene Dörfer und in viele Kirchen und lerne Instrumente kennen", freut er sich.
Große Instrumente besichtigt er vor der Tour und richtet sein Programm dort ein; bei kleineren Instrumenten - und das sind die meisten - geht das ad hoc. Ob eine Orgel ganz besonders ist, zeigt sich für Grünert oft erst, wenn er sie vor seinem Publikum spielt. "Im Verlauf des Spielens stellt sich heraus, was schön ist. Nach wenigen Takten ist das Urteil gefallen." Im Unterfränkischen, sagt er, haben die Barockorgeln eine besondere Prägung. Natürlich bildet die Zusammenstellung die Eigenheiten der jeweiligen Orgellandschaft ab. Doch wählt Grünert die Instrumente nach "breitester Vielfalt" aus. "Auch stilistisch."
Die Begeisterung für die Sache nimmt man Grünert ohne Weiteres ab. Und die Idee ist lobenswert. Doch wie so oft, wirft das, was in der Sonne glänzt, auch Schatten. 28 Orgeln, 28 Vorführungen in Kurzkonzerten, alles gespielt von einem Organisten: Das sind, bei einer runden halben Stunde pro Orgel, 14 Stunden Orgelmusik in vier Tagen, die einer alleine spielt. Oft, nachdem derjenige sich erst am Ort mit dem Instrument vertraut gemacht hat. Das hört man dann auch. Bei der Abarbeitung dieser Menge von Ins trumenten nebst wechselndem Programm geraten musikalische Aussagen schon mal zu Petitessen. Eine sinnvolle Ausarbeitung wird dann auch gelegentlich durch ein auf künstlerisch wertvoll gebürstetes Rubato ersetzt, das eigentlich nur eine Kaschierung der Tatsache ist: "Hoppla, jetzt wird's gerade mal schwierig."
Auch die Registrierungskunst fällt mitunter dem pauschalen Abrufen gängiger Standards zum Opfer. Und das ist schade. Die kürzlich erst vom Bad Kissinger Orgelbauer Michael Stumpf restaurierte Weise-Orgel der Klosterkirche überrascht nämlich in vielfältiger Form: Der barocke Prospekt lässt andere Klänge erwarten, als die weichen, romantisierenden, lediglich barock aufgehellten, die aus dem Orgelgehäuse in die recht trockene Akustik der Kirche strömen. Sie trennt ausgesprochen sauber. Hier eine Rheinberger-Sonate zu spielen, ist keine unpassende Wahl.
Doch Instrument und Raum verzeihen keine Oberflächlichkeit, keine Al-fresco-Malerei, keine fehlende Spannung. Und die "Idylle" des dritten Satzes beispielsweise wollte partout nicht idyllisch geraten. So blieb ein Eindruck von Klang und Klangfarben, der neugierig machte, aber nicht erschöpfend war. Ähnlich beim zweiten der beiden Instrumente, die auf dieser Fahrt im Gebiet des Landkreises Bad Kissingen zu finden waren: der Barockorgel der Kirche von Althausen. Ein (im direkten Vergleich) sehr scharf klingendes Instrument. Klein, mit nur einem Manualklavier, schön restauriert, ein seltenes Stück. Man hat einen Eindruck am Ende des Programms; damit hat die Vorführung ihren Zweck erreicht.
Man kann sich fragen, wie viel vom Gehörten beim einzelnen Teilnehmer am Ende einer solchen Tour im Gedächtnis hängen bleiben kann. Doch im Moment des Hörens wäre mehr Sorgfalt wünschenswert. Bleibt die Freude darüber, dass Menschen - Laien und Fachleute - sich immer noch für die Sache begeistern lassen und dass am Ende der Erlös der OrgelFahrt einer Förder-Orgel zugute kommt. Diesmal der Restaurierung der Wagner-Orgel von 1800 in Schwickershausen.