Die OrgelFahrt 2013 führte den Frauenkirchen-Kantor Matthias Grünert auch an zwei Instrumente im Landkreis Bad Kissingen.
Es ist Samstagnachmittag, die Sonne scheint hell, es ist warm im Freien. Da setzt man sich in den Garten, geht Spazieren, Angeln - oder besucht die dritte von sieben Kirchen an diesem Tag, um sich im Rahmen der "OrgelFahrt 2013" das am Ort befindliche Instrument vorführen zu lassen. In der Münnerstädter Augustiner-Klosterkirche kommen einige Leute zusammen, die Matthias Grünert aus Dresden, der 2004 die Orgeltouren initiiert und seither "in verschiedenen
Formaten" durchgeführt hat, zu hören. Nicht nur Teilnehmer der diesjährigen Rhönfahrt, die (unter Schirmherrschaft von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht) von Donnerstag bis Sonntag von Kaltensundheim nach Herpf führt, sind in den Bänken zu finden.
Empfangen werden die Zuhörer am Eingang von Christiane Linke; sie organisiert die OrgelFahrten ehrenamtlich.
Linke, die aus Wittmannsgereuth, einem kleinen Ort bei Saalfeld, stammt, ist seit 2005 an der Planung der OrgelFahrt-Projekte beteiligt; seit 2008 ist sie alleine dafür verantwortlich. Es ist eine Art Hobby, sagt sie, und die Affinität zur Orgel, die seit ihrer Kindheit besteht. "Mein Ur-Urgroßvater hat im Orgelbau gearbeitet", sagt sie und fügt schmunzelnd an: "Vielleicht kommt es daher."
Ein Dreivierteljahr lang hat sie die Rhön-Tour, auf der insgesamt 28
Kirchen und ihre Instrumente mit Augen und Ohren abgegrast werden, geplant. "Wir wollten diesmal die Orgellandschaft Rhön vorstellen", sagt sie. Von der kleinen, regional typischen Barockorgel bis zu sinfonisch angelegten Neubauten reicht der Überblick, den die Orgelfreunde bekommen. "Ich spreche mit Kantoren und Orgelbauern und lasse mir Instrumente vorschlagen", erläutert Linke die Organisationsarbeit.
Natürlich: Wer am Ort ist und die Ins trumente der Region kennt, kann am ehesten sagen, welche Orgel anzuschauen lohnt, weil sie etwas Besonderes und überdies in vorzeigbarem Zustand ist. "Die Liste mit den Instrumenten und ihrer Beschreibung gebe ich an Matthias Grünert weiter; er sucht dann die Kirchen aus."
Grünert befasst sich beruflich mit Kirchenmusik und Orgeln.
Als Kantor der Dresdner Frauenkirche ist der gebürtige Nürnberger, neben dem Frauenkirchen-Organisten Samuel Kummer, dort für die Kirchenmusik zuständig. Doch Grünert ist auch viel unterwegs, um an unterschiedlichsten Orten zu konzertieren und für das Instrument "Orgel" zu werben. Die Idee der Orgelfahrten stammt von ihm; er ist auch für die klangliche Vorstellung der Instrumente zuständig.
Vieles treibt ihn an, mit Interessierten durch Thüringen oder die Rhön zu reisen: Sie auf die Orgeln aufmerksam zu machen, ihnen Landschaften und Instrumente zu zeigen. Mindestens so wichtig aber sind ihm auch die Leute, die in den jeweiligen Städten oder Dörfern wohnen: Sie sollen erfahren, was sie haben. "An einigen Orten stehen wohlklingende Schätze", weiß der Kantor.
"Nicht zuletzt komme ich über verschiedene Dörfer und in viele Kirchen und lerne Instrumente kennen", freut er sich.
Große Instrumente besichtigt er vor der Tour und richtet sein Programm dort ein; bei kleineren Instrumenten - und das sind die meisten - geht das ad hoc. Ob eine Orgel ganz besonders ist, zeigt sich für Grünert oft erst, wenn er sie vor seinem Publikum spielt. "Im Verlauf des Spielens stellt sich heraus, was schön ist.
Nach wenigen Takten ist das Urteil gefallen." Im Unterfränkischen, sagt er, haben die Barockorgeln eine besondere Prägung. Natürlich bildet die Zusammenstellung die Eigenheiten der jeweiligen Orgellandschaft ab. Doch wählt Grünert die Instrumente nach "breitester Vielfalt" aus. "Auch stilistisch."
Die Begeisterung für die Sache nimmt man Grünert ohne Weiteres ab. Und die Idee ist lobenswert.
Doch wie so oft, wirft das, was in der Sonne glänzt, auch Schatten. 28 Orgeln, 28 Vorführungen in Kurzkonzerten, alles gespielt von einem Organisten: Das sind, bei einer runden halben Stunde pro Orgel, 14 Stunden Orgelmusik in vier Tagen, die einer alleine spielt. Oft, nachdem derjenige sich erst am Ort mit dem Instrument vertraut gemacht hat. Das hört man dann auch.
Bei der Abarbeitung dieser Menge von Ins trumenten nebst wechselndem Programm geraten musikalische Aussagen schon mal zu Petitessen. Eine sinnvolle Ausarbeitung wird dann auch gelegentlich durch ein auf künstlerisch wertvoll gebürstetes Rubato ersetzt, das eigentlich nur eine Kaschierung der Tatsache ist: "Hoppla, jetzt wird's gerade mal schwierig."
Auch die Registrierungskunst fällt mitunter dem pauschalen Abrufen gängiger Standards zum Opfer. Und das ist schade.
Die kürzlich erst vom Bad Kissinger Orgelbauer Michael Stumpf restaurierte Weise-Orgel der Klosterkirche überrascht nämlich in vielfältiger Form: Der barocke Prospekt lässt andere Klänge erwarten, als die weichen, romantisierenden, lediglich barock aufgehellten, die aus dem Orgelgehäuse in die recht trockene Akustik der Kirche strömen. Sie trennt ausgesprochen sauber.
Hier eine Rheinberger-Sonate zu spielen, ist keine unpassende Wahl.
Doch Instrument und Raum verzeihen keine Oberflächlichkeit, keine Al-fresco-Malerei, keine fehlende Spannung. Und die "Idylle" des dritten Satzes beispielsweise wollte partout nicht idyllisch geraten. So blieb ein Eindruck von Klang und Klangfarben, der neugierig machte, aber nicht erschöpfend war.
Ähnlich beim zweiten der beiden Instrumente, die auf dieser Fahrt im Gebiet des Landkreises Bad Kissingen zu finden waren: der Barockorgel der Kirche von Althausen. Ein (im direkten Vergleich) sehr scharf klingendes Instrument. Klein, mit nur einem Manualklavier, schön restauriert, ein seltenes Stück. Man hat einen Eindruck am Ende des Programms; damit hat die Vorführung ihren Zweck erreicht.
Man kann sich fragen, wie viel vom Gehörten beim einzelnen Teilnehmer am Ende einer solchen Tour im Gedächtnis hängen bleiben kann. Doch im Moment des Hörens wäre mehr Sorgfalt wünschenswert. Bleibt die Freude darüber, dass Menschen - Laien und Fachleute - sich immer noch für die Sache begeistern lassen und dass am Ende der Erlös der OrgelFahrt einer Förder-Orgel zugute kommt. Diesmal der Restaurierung der Wagner-Orgel von 1800 in Schwickershausen.
Orgelfahrten mit Herrn Grünert, von Anfang an auf stets gleichbleibend sehr hohem musikalischem Niveau, gibt es seit 2004. Seit 3 Jahren bin ich als Kirchenmusiker auch mitreisender Konzertbesucher und wie alle anderen der bis zu 150 Fans, darunter viel fachkundiges Publikum, begeistert von diesem Angebot, die Orgelvielfalt in den Regionen auf solche bemerkenswerte Art vorgestellt zu bekommen. Es herrscht große Verwunderung ob solcher Rezensionen, wie die obenstehende. Bisher gab es ausnahmslos positive öffentliche Wahrnehmung und Akzeptanz. Bspw. hat der Fernsehsender ERF 2010 und 2012 sämtliche Konzerte live mitgeschnitten und in Einzelsendungen kommentiert gesendet. Den Vorwurf mangelnder Sorgfalt in der Vorbereitung halten wir für haltlos; wir wissen, daß den Orgelfahrten jeweils 2-3 Tage Einregistrierungszeit an den Instrumenten vorausgehen. Im Übrigen handelt es sich bei der Münnerstädter Orgel um ein romantisches Werk, das in das barocke Gehäuse gebaut wurde. Ein Blick in das Programmheft hätte alle Zweifel daran von vornherein klären können.
Geschmäcker und Meinungen können verschieden sein. Aber - mit Verlaub - die zweite Hälfte dieser Renzension ist völlig daneben hinsichtlich musikalischer und orgeltechnischer Aussagen.
Matthias Erler
Ehneser Berg 23
96528 Schalkau
Sehr geehrter Herr Dijsktal,
so subjektiv, wie Sie die Qualität des Konzertes und vor allem die Idee dahinter (siehe Kommentar von Frau Linke) regelrecht verreißen, so subjektiv einfach nur gut hat es mir und vielen Zuhörern und Mitreisenden der Orgelfahrt gefallen, wie der anhaltende Applaus mit Hoffnung auf eine Zugabe mir jedenfalls bewiesen hat. Mögen Sie der vielleicht bessere Kenner von Orgelmusik sein und unter Umständen das Quäntchen "Symbiose", welches ein mit dem Instrument langjährig vertrauter Virtuose möglicherweise in vollendeterer Form ausleben vermag, vermisst haben - ich aber finde es einfach nur genial, wie es Herrn Grünert gelingt, sich in so kurzer Zeit auf die Instrumente einzustellen, deren klangliche Vielfalt mit den passenden Stücken herauszukitzeln, die Register einzeln und in Gesamtheit vorzustellen... Die Geschmäcker und die Ansprüche mögen verschieden sein - ich jedoch kann Herrn Grünert und seinem Team sowohl künstlerisch, als auch der Idee des Projektes nur meinen Respekt zollen!
Jean Kleinschmidt aus Saalfeld
Fortsetzung
Bereits vor 2 Wochen gab es eine lange Registrierprobe. Nichts war Hoppla hopp. Zuvor war zudem ausreichend Zeit für Mitreisende und Team, sich das fränkische Kleinod Münnerstadt anzusehen.
Nach kurzer Fahrt Münnerstadt, OT Althausen. Ich habe alle Register des kleinen, sicher kostbaren Instrumentes solo und in Kombination gehört. Das barocke Instrument wurde wunderbar vorgestellt. Wieoft finden Konzerte in diesen kleinen Kirchen statt? Wie sollen Menschen Zugang zu der "Königin der Instrumente" finden die mehr kann als Choralbegleitung zum Gottesdienst? Was will Herr Dijsktal eigentlich? Sein kritischer kommentar zeigt mir, er hat sich in keinster Weise mit dem Projekt auseinandergesetzt. Vielleicht sollte er dies zukünftig tun.
Christiane Linke
Wittmannsgereuth 16
07422 Saalfelder Höhe
Sehr geehrte Redaktion ,
Sie können mir sicherlich Befangenheit unterstellen da ich die die OrgelFahrt organisiert habe trotzdem
ich zweifle an mir selbst. War ich am Samstag in einem anderen Konzert? Der Bericht von Herrn Dijkstal entspricht in keinster Weise meiner Wahrnehmung am Samstagnachmittag.
Was kann ich erwarten, wenn ich mit interessensgleichen Mitreisenden und Konzertbesuchern die Orgellandschaft der Rhön erkunde?
4 Tage angefüllt mit Orgelmusik aus 4 Jahrhunderten, Instrumente aus fast allen Stilepochen, Kirchen, Landschaft und Gespräche mit netten Menschen. Diese Mischung macht für mich und mitreisende Freunde der Orgel die Faszination dieses Projektes aus. Ich bin Laie, aber interessiert und konzerterfahren seit Jahrzehnten. Ich besuche Orgelkonzerte nicht nur von Herrn Grünert, sondern bin als Konzertbesucherin genauso im Erfurter Dom, Leipziger Gewandhaus oder Schloss Burgk zu finden. Ich trau mir schon ein Urteil zu.
Johann Gabriel Rheinbergers Sonate Nr. XVIII war auch nach meinem Verständnis eine recht gute Wahl für Instrument und Raum, die Registrierkunst kam nicht zu kurz. In seiner Konzertbesprechung spricht Herr Dijkstal insbesondere den 3. Satz (Idylle) an. Nach meiner Kenntnis ist die Bezeichnung "Idylle" für diesen Satz kompositorisch strukturiert. Lediglich Beginn und Ende des Satzes entsprechen langläufig der Satzbezeichnung, in weiten Teilen eben nicht. Somit war die Registrierung der Partitur und den Wünschen des Komponisten entsprechend. Die übergroße Mehrheit der Konzertbesucher hat dies mit reichlich Beifall in der Klosterkirche Münnerstadt zu Ausdruck gebracht.
Es wird Herr Dijkstal vielleicht erstaunen, aber es bleiben sehr viele Details im Gedächtnis. Noch nach Jahren kommen wir im Gespräch mit Mitreisenden auf Details einzelner OrgelFahrten zurück. Ich weiß , dass Herr Grünert nicht unvorbereitet dieses Konzerte gespielt hat.