Tafeln droht die totale Leere

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Dagmar Ziegler, stellvertretende Vorsitzende des Tafelvereins in Bad Kissingen zeigt die Leere im Kühlschrank. Der zusätzliche Andrang an ukrainischen Flüchtlingsfamilien stellt die Tafeln vor verstärkte Probleme bei der Versorgung ihrer Bedürftigen.
Dagmar Ziegler, stellvertretende Vorsitzende des Tafelvereins in Bad Kissingen zeigt die Leere im Kühlschrank. Der zusätzliche Andrang an ukrainischen Flüchtlingsfamilien stellt die Tafeln vor verstärkte Probleme bei der Versorgung ihrer Bedürftigen.
Angelika Despang

Der plötzliche Zustrom von ukrainischen Flüchtlingen hat die Ehrenamtlichen in ihren Ausgabestellen für Lebensmittel überrascht. Über Reserven verfügen sie kaum. Deswegen senden sie einen Hilferuf.

Leere Regale, leere Körbe, leere Kühlschränke - die Auswahl bei der Tafel Bad Kissingen ist sehr übersichtlich. "Die Engpässe an Lebensmitteln, die die Tafeln in Deutschland sowieso schon haben, werden nun durch den Krieg in der Ukraine noch verstärkt", sagt Dagmar Ziegler, stellvertretende Vorsitzende des Tafelvereins in Bad Kissingen und zeigt in einen Lagerraum, der normalerweise knackig voll ist.

Immer weniger Lebensmittel für immer mehr Bedürftige

Die vorhandenen Vorräte gehen zu Neige, zu wenige Geschäfte spenden ihre übrig gebliebenen Lebensmittel, für Geldspenden gibt es weniger Lebensmittel wegen steigender Preise - und die Anzahl an bedürftigen Menschen steigt und steigt. "Die Zahlen der Abholer sind seit Anfang März deutlich hochgegangen. Momentan versorgen wir ca. 740 Personen, davon sind ungefähr 180 Personen in den letzten vier Wochen dazu gekommen. Das sind vor allem ukrainische Familien und Frauen mit Kindern", erklärt Dagmar Ziegler, "Wir brauchen dringend Hilfe von Spendern, sonst können wir die Menschen nicht mehr versorgen", appelliert die Vorsitzende.

Was hilft?

Die einfachste Art zu helfen seien Gutscheine von Supermärkten und Lebensmittelgeschäften zu besorgen und bei der Tafel einzuwerfen. Natürlich können auch Lebensmittel abgegeben werden und Geld gespendet werden. Die Tafel Bad Kissingen kann aber noch eine andere Hilfe gut gebrauchen: Dolmetscher. Momentan vor allem mit ukrainischen Sprachkenntnissen: "Am Samstag stand plötzlich ein junger Mann vor der Tür und meinte, er möchte beim Übersetzen helfen. Das war super, denn viele Abholer haben den Sinn der Tafel noch nicht verstanden", berichtet Dagmar Ziegler begeistert, "Zum Beispiel kann nicht jeder Wunsch erfüllt werden bei den unterschiedlichen Essgewohnheiten."

Auch in Bad Brückenau angespannte Lage

Beim Bad Brückenauer Tafelverein, der den Altlandkreis Brückenau ohne Wildflecken betreut, sieht es ähnlich aus. "Auch bei uns ist die Situation schon angespannt durch die ukrainischen Familien, die kommen", sagt der stellvertretende Vorsitzende Klaus Hartmann.

In den vergangenen drei Wochen seien 16 Familien zu den bisherigen 60 dazugestoßen. Das sind 47 Menschen mehr als in "normalen Zeiten" (Vorher waren es 170). Für diese Woche hätten sich sieben zusätzliche Familien angemeldet. Und Hartmann rechnet bis zur Jahresmitte mit weiteren 40 bis 45 weiteren Familien aus der Ukraine, die potenziell zu den Tafelterminen kommen. Dabei sieht Hartmann schon jetzt kaum noch Spielraum, mehr Lebensmittel von den Supermärkten zu organisieren. Durch die gestiegenen Preise verkauften diese eh schon weniger als üblich, würden daher weniger nachbestellen. So bleibe tendenziell weniger unverkaufte Ware für die Tafeln übrig.

Das Vorhandene auf das Mehr an Bedürftigen und damit den bisherigen "Stammkunden" weniger geben möchte Klaus Hartmann auch nicht dauerhaft tun. Das stifte Unruhe. "Viele Rentner krebsen eh am Existenzminimum herum." Der Tafel-Vize ist sich sicher: "Mit normalen Mitteln ist die Flut kurzfristig nicht zu bewältigen."

Hammelburg noch nicht dramatisch

Noch nicht so dramatisch stellt sich augenscheinlich die Lage im Gebiet der Hammelburger Tafel dar. Laut der in der Ausgabe tätigen Ramona Lell kommen "im Moment noch nicht so viele ukrainische Abholer". Es seien bei jedem Termin zwischen zwei und vier Familien.

Lell, die als Beisitzerin des Vorstands im Tafelverein fungiert, sagt, dass Obst, Gemüse und Backwaren noch ausreichend vorhanden sind. Aber vor allem bei haltbaren "Allerlei-Artikeln" wie Nudeln, Konserven, Knabbersachen und Schokolade sowie Kühlprodukten sei es schon eng.

In Hammelburg dient das Bürgerspital als Flüchtlingsunterkunft. Die Bewohner dort werden größtenteils anderweitig versorgt - was Entlastung für die Tafel bedeutet. Ramona Lell fürchtet, dass sich das ändert, wenn die Ukrainer von dort auf Privathaushalte und andere dezentrale Unterkünfte verteilt werden. " Dann wird es auch mit Obst und Gemüse knapp."

Auch könne sich die Lage jeden Moment verschärfen - wenn zum Beispiel ein Bus mit 70 zusätzlichen Geflüchteten ankomme. Klaus Hartmann hingegen hofft auf Entspannung spätestens im Sommer, wenn mehr Ukrainer Leistungen vom Staat beziehen und sich selbst versorgen können.

"Tischlein deck Dich" in Wildflecken bald am Limit

Die evangelisch geprägte gemeinnützige Initiative "Tischlein deck Dich" versorgt in Wildflecken Bedürftige mit Lebensmitteln. "Wir haben im Moment noch keine ukrainischen Flüchtlinge zu versorgen", sagt Mitgründerin Christine Gehrlein. Die eine bisher im Ort angekommene Familie gehöre nicht zu den Kunden.

"Allerdings kam schon die Anfrage vom Landkreis, wieviele Leute wir zusätzlich versorgen können", berichtet Gehrlein. "Zwei Familien", antwortet sie gegenüber dieser Zeitung. Darüber hinaus werde es aber eng. Zumal die Menge an Lebensmitteln, die Supermärkte aus Wildflecken, Bischofsheim und Gersfeld bereitstellten, eher abnehme. Die Initiative besitze auch nur begrenzte Lagerflächen.

Kritisch sieht Gehrlein, wenn noch die angekündigten früheren Unterstützungskräfte der Bundeswehr aus Afghanistan nach Wildflecken kommen. "Sollte der Andrang größer werden, müsste man sich mit der Tafel in Bad Brückenau absprechen."

Wegen der prekären Lage hat die Tafelgemeinschaft im Landkreis Bad Kissingen einen Hilferuf gestartet. Schon jetzt treffen Nahrungsspenden von hilfsbereiten Menschen, aber auch Geld ein, mit dem die Tafel-Mitarbeiter vor allem haltbare Lebensmittel kaufen können. Angesichts des Andrangs wird aber noch mehr benötigt.

Wie kann ich helfen?

Einfachste Möglichkeit ist es, Gutscheine von Supermärkten aus der Region mit entsprechendem Geldbetrag bei der Tafel abzugeben oder einzuwerfen. Wer eine Spendenquittung braucht, schreibt die Adresse dazu. Außerdem können Lebensmittel direkt gespendet werden und nach telefonischer Absprache vorbeigebracht werden; größere Mengen holt die Tafel direkt im Laden ab. Alles wird benötigt: Trockenware (zum Beispiel Tee, Haferflocken, Zucker, Tütensuppen usw.), Frischware (Obst und Gemüse), Kühlware (Käse, Joghurt, Butter usw.), auch Konserven sind möglich. Natürlich helfen auch Geldspenden den Tafeln in der Region.

Kontakt:

Tafel Bad Kissingen: Salinenstr. 5, Tel. 0174 / 19 55 610, www.tafel-badkissingen.de

Tafel Bad Brückenau: Dr.-Gartenhof-Str. 6, Tel. 0173 / 273 00 91, www.tafel-bad-brueckenau.de

Tafel Hammelburg: Am Bahnhof 2, Tel. 0172 / 284 49 16, www.tafel-hammelburg.de

Initiative "Tischlein deck Dich" in Wildflecken: Tel. 09745 / 3332 oder 09745 / 930 515