Ein Stricktreff feiert Geburtstag: Das Integrationsmodell für Behinderte und Nichtbehinderte hat sich in einem Jahr im Mehrgenerationenhaus Bad Kissingen etabliert.
Das leise Klackern der Stricknadeln überhört man bei der lebhaften Geräuschkulisse leicht. Der Raum im Mehrgenerationenhaus ist groß und die Tische sind voll besetzt. Ruth Bach zum Beispiel geht dem Behinderten Robert zur Hand und gibt ihm Hilfestellungen. "Ruth hat mir das Stricken mit kleinen Nadeln beigebracht", erzählt er. "Geht nicht, gibts nicht" hat er von ihr gelernt.
In der Runde wird viel geplaudert, Stricktipps werden ausgetauscht, Gelächter mischt sich unaufdringlich in das Gehörte. "Die Stimmung ist sehr entspannt", sagt Iris Hönig, Geschäftsführerin des Mehrgenerationenhauses.
15 bis 20 behinderte und nichtbehinderte Strickfans kommen einmal im Monat zusammen, um sich ihrem Hobby zu widmen.
"Unsere ursprüngliche Intention war, eine Begegnungsstätte zu schaffen", erklärt Sozialarbeiterin Mechthild Jordan. Die Behinderten leben und arbeiten größtenteils in den Stätten der Lebenshilfe Bad Kissingen. "Es ist für viele wirklich nicht selbstverständlich, dass sie Außenkontakte haben." Umso schöner findet die Sozialarbeiterin es, dass der Stricktreff so gut angenommen wird.
Seit einem Jahr veranstalten die Offene Behindertenarbeit der Lebenshilfe (OBA) und das Mehrgenerationenhaus das Wichtelstricken. "150 Wichtel wurden bisher fertiggestellt und 100 haben wir schon charitymäßig verkauft", fasst Jordan zusammen. "Es freut mich, dass sich das alles etabliert hat", sagt Iris Hönig.
Jeder, gleich ob behindert oder nicht, hat den dritten Freitag im Monat fest im Terminkalender stehen.
Die Münnerstädterin Else Mann und die Bad Kissingerin Brunhilde Gerner sind aus gutem Grund regelmäßig bei den Treffen dabei. "Man kann Vorurteile abbauen, weil man einen anderen Blick kriegt", sagt Else Mann. Brunhilde Gerner hat es vor allem die entspannte Atmosphäre angetan: "Sonst ist man überall leistungsorientiert. Aber hier geht es um die Menschen, nicht um die Leistung."
Ruth Bach ist bei jedem Treffen dabei.
"Man geht beruhigt heim, wenn man mit Behinderten zusammenarbeitet", meint die 78-Jährige. Sie schätzt den Umgang mit ihnen und hat etwa mit Robert eine Freundschaft aufgebaut. Ruth nimmt ihn immer, wenn sie zum Stricktreff fährt, im Auto mit. "Diese Menschen sind richtig zufrieden und glücklich. Da gibt es keine Lästereien." Sie findet, dass innerhalb eines Jahres eine echte Begegnungsstätte entstanden ist.