Start in ein neues Leben

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Die Auszubildende Anastasiia Galanzovska (links) bearbeitet unter Anleitung von Laborleiterin Swetlana Müller Proben bei Laboklin. Foto: Ralf Ruppert
Die Auszubildende Anastasiia Galanzovska (links) bearbeitet unter Anleitung von Laborleiterin Swetlana Müller Proben bei Laboklin. Foto: Ralf Ruppert

29 von aktuell 772 Asylbewerbern im Landkreis sind erwerbstätig. Anastasiia Galanzovska ist eine davon. Für sie war die Aufnahme in die Integrationsklasse der Berufsschule ein Glücksfall.

Vor 14 Monaten flüchtete Anastasiia Galanzovska mit ihrer Mutter aus der Ukraine nach Deutschland. Ihre alte Heimatstadt Lemberg liegt in der West-Ukraine, eigentlich weit weg von der Kriegsfront, aber: Anastasiia Galanzovska ist Russin und gehörte damit einer kleinen Minderheit in der Stadt an. "Daheim sprechen wir russisch, aber in der Stadt ist das verboten", berichtet sie aus ihrem Alltag vor der Flucht. Über das Aufnahmelager in Zirndorf kam sie im Sommer 2014 nach Ebenhausen. Ein gutes Jahr später hat sie nun eine Ausbildung bei der Bad Kissinger Firma Laboklin begonnen: "Ich freue mich so, ich will nicht einfach nur rumsitzen, sondern muss etwas tun", sagt die 25-Jährige und strahlt übers ganze Gesicht.


Auszubildende mit Studium

Dass sie so schnell einen Ausbildungsplatz bekommt, war nicht absehbar: "Ich konnte kein Wort Deutsch", erinnert sich Anastasiia Galanzovska. Neben der russischen und der ukrainischen Sprache konnte sie immerhin auf ihr Schulenglisch zurückgreifen, denn die 25-Jährige ist gut ausgebildet: Nach zwölf Jahren Schule studierte sie Lebensmittel-Technologie in Lemberg. Danach kam sie im Labor einer großen Brauerei unter.


Integration in der Berufsschule

Trotz der eigentlich gesicherten Existenz entschied sie sich zur Flucht: "Die politische Situation ist schwierig, es gibt viele Probleme", sagt die russisch-stämmige Ukrainerin mit polnischen Vorfahren. "In meiner Wohnung waren alle Fenster kaputt", berichtet sie von den täglichen Problemen und auch Anfeindungen gegenüber der russischen Minderheit.
Im September 2014 kam dann die Wende zum Besseren: Anastasiia Galanzovska gehörte zu den 18 Schülern in der ersten Integrationsklasse der Bad Kissinger Berufsschule. Mit anderen jungen Migranten lernte sie neben der deutschen Sprache Grundlagen in Landeskunde, Mathematik und Nahrungszubereitung. Sozialpädagogin Birgit Baron freut sich, dass mittlerweile drei junge Asylbewerber vermittelt wurden: Neben Anastasiia Galanzovska noch ein Koch- und ein Stahlbetonbauer-Azubi. Nach den guten Erfahrungen startet die Berufsschule heuer sogar mit drei Integrationsklassen ins Schuljahr.
Aber die Berufsschule alleine reichte der 25-Jährigen nicht: "Ich schaue Kinderfilme im Internet und lese Kinderbücher", berichtet sie von ihren Bemühungen. Andere Möglichkeiten, etwa mehr Kontakt zu Deutschen, gebe es in Ebenhausen leider nicht. Auch in der Gemeinschaftsunterkunft werde leider wenig Deutsch gesprochen, selbst von den anderen vier der aktuell 66 Asylbewerber, die ebenfalls erwerbstätig sind. Insgesamt waren laut der Regierung von Unterfranken 29 Asylbewerber im Landkreis erwerbstätig, also rund 3,8 Prozent der 772 Flüchtlinge.
Der Einstieg bei Laboklin war ein Praktikum. "Sie ist uns gleich aufgefallen, weil sie immer ein Strahlen im Gesicht hat", sagt Laboklin-Chefin Elisabeth Müller. Im Frühjahr war der Plan noch, dass Anastasiia Galanzovska 2016 eine Ausbildung beginnen kann. Im Sommer entschied Müller jedoch kurzfristig, es doch gleich zu versuchen: Die Asylbewerberin ist nun die elfte Auszubildende in diesem Jahr, der Platz wurde kurzfristig zusätzlich geschaffen. "Wir bilden seit 25 Jahren aus", setzt Müller auf eigenen Nachwuchs: 94 Kolleginnen haben bereits bei Laboklin ihre Ausbildung absolviert. Und die Bewerber-Situation sei nach wie vor gut. Trotzdem würde sich Müller wünschen, dass die Einstellung von Asylbewerbern noch einfacher gemacht werde. Bereits jetzt arbeiten bei Laboklin rund fünf Prozent Ausländer, allerdings bislang alle aus der EU.


Asylverfahren steht noch aus

Bei Asylbewerbern bleiben offene Fragen: "Ich habe einen Ausweis, der immer nur ein paar Monate gilt", berichtet Anastasiia Galanzovska etwa. "Das ist das Risiko, das wir tragen müssen", kommentiert Elisabeth Müller diese Ungewissheit. Zudem würde die Asylbewerberin gerne aus der Gemeinschaftsunterkunft in Ebenhausen nach Bad Kissingen umziehen. Vor vier Wochen stellte sie einen entsprechenden Antrag: "Der Auszugsantrag wird geprüft. Derzeit werden noch weitere Angaben und Unterlagen benötigt", teilte die Regierung von Unterfranken dazu auf Anfrage mit.
Für alle Fragen rund um das Asylverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. Dort ist es allerdings schier unmöglich, weitere Auskünfte zu bekommen. Nur soviel teilte die Behörde mit: "Eine Ausbildung oder ein Arbeitsplatz hat keine Auswirkung auf das Asylverfahren." Das Bangen geht also weiter.