Stille Schlachten beim Kissinger Schachzauber

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Dem Favoriten Andreas Heimann dicht im Nacken sitzt Lilit Mkrtchian. Die Großmeisterin aus Armenien spielt in der Schach-Bundesliga als Gastspielerin für den SC Bad Königshofen.Hopf
Dem Favoriten Andreas Heimann dicht im Nacken sitzt Lilit Mkrtchian. Die Großmeisterin aus Armenien spielt in der Schach-Bundesliga als Gastspielerin für den SC Bad Königshofen.Hopf

Die gespenstische Ruhe im Saal ist auch Ausdruck der großen Spannung. Dem Favoriten sitzen zwei Frauen im Nacken.

Gespenstische Ruhe beim Sport? Ja, das gibt es. Jedenfalls beim Schach, wo sowohl zwischen den Spielern während einer Partie wie auch bei den Zuschauern eisernes Schweigen angesagt ist. Nur das Klacken der Uhren, die jeder Spieler nach einem ausgeführten Zug betätigt, ist zu hören. Das ist auch beim "Kissinger Schachzauber" nicht anders, bei dem sich Schachgrößen aus dem In- und Ausland auf hohem Niveau duellieren.

"So etwas erlebt man in unserer Region natürlich selten", zeigt sich Harald Bittner (Bad Neustadt) begeistert. Der Vorsitzende des Unterfränkischen Schachverbandes fungiert als Schiedsrichter-Assistent von Turnierleiter Jürgen Müller (Bad Königshofen) und war in Sachen Regelauslegung bisher nicht gefordert, was auch an der familiären Atmosphäre liegt. "Das Turnier ist an allen Tagen bisher gut besucht", freut sich Veranstalter Hans-Joachim Hofstetter, der dieses Einladungsturnier in den nächsten Jahren weiter aufwerten will. Der Plan: Im Jahr 2028, also hundert Jahre nach dem Treffen der damaligen Weltelite an der Fränkischen Saale, sollen die besten Spieler des Planeten wieder ihre hohe Kunst in der Kurstadt präsentieren. Ein Vorhaben, das noch viel Kraft und Durchhaltevermögen des Bad Kissinger Augenarztes fordert, der bei diesem Turnier selbst am Brett sitzt und durchaus erfolgreich ist. Der fünffache unterfränkische Meister, langjähriges Mitglied der Bundeswehr-Nationalmannschaft und Experte im Fernschach - in dieser Spezialart des Schachs führt er den Titel "Großmeister" - liegt nach der sechsten Runde mit 2,5 Punkten auf Platz Acht des Zehnerfeldes.


Andreas Heimann an der Spitze

Sein großes Können bewies Hofstetter in der zweiten Runde, als er den Großmeister Michael Prusikin, deutscher Vizemeister des Jahres 2009, besiegte. Mit dem gebürtigen Ukrainer ist Fide-Meister Hofstetter punktgleich, das Feld führt Großmeister Andreas Heimann an. Der deutsche Blitzschachmeister des Jahres 2016 ist Mitglied des Erstligisten SF Deizisau, darf sich allerdings in den letzten Runden noch strecken, sitzen ihm doch zwei Damen im Nacken. Aktuell Platz Zwei belegt die mehrfache armenische Meisterin Lilit Mkrtchian. Die ehemalige U16-Vizeweltmeisterin darf sich ebenso Chancen auf den Turniersieg ausrechnen wie die Georgierin Bella Khotenashvili. Die U16-Weltmeisterin des Jahres 2004 führt seit 2013 den Titel "Großmeisterin", ihr größter Erfolg war der Sieg bei der Mannschaftsweltmeisterschaft 2015. Nur einen halben Punkt hinter dem Führungstrio platziert ist Großmeister Henrik Teske. Der mehrfache DDR-Jugendmeister darf sich seit 1984 Großmeister nennen, hat sich neben seinen zahlreichen Turnierteilnahmen als Schachausbilder einen Namen gemacht und wurde 2015 zum "Trainer des Jahres" gewählt. Zuletzt gewann Teske Ende des vergangenen Jahres das stark besetzte Turnier in Elgoibar (Spanien).
Eine scharfe Klinge im "Astoria" hat bisher auch die Internationale Meisterin Irine Sukandar geschlagen, die Indonesierin ist eine Spitzenspielerin ihres Landes und führt den Titel "weibliche Großmeisterin". Sie hat bislang drei Punkte auf der Habenseite stehen, und damit ebenso viele wie Mark Heidenfeld. Der mehrfache irische Meister, der seit 2000 in Deutschland lebt, gilt als Blitzschach-Experte, sein größter persönlicher Erfolg war der Sieg beim Großmeisterturnier in New York im Jahr 2000.

Am Brett sitzt auch FM Reinhold Schnelzer (1,5 Punkte), ein ehemaliger Studienkollege von Hofstetter. Das direkte Duell endete fast erwartungsgemäß mit einem Remis. "Wir kennen uns aufgrund vieler früheren Begegnungen bestens", so Schnelzer, der ebenso eine Aufholjagd starten will wie Manfred Wallinger, der mit dem Ausrichter in der 2. Bundesliga beim Chess-Base-User Klub am Brett sitzt. Im direkten Duell der Mannschaftskameraden errang der Turnierorganisator seinen zweiten Sieg, und das nach den Feierlichkeiten zu seinem 60. Wiegenfest am Tag zuvor. "Ich bin erst gegen drei Uhr ins Bett gekommen." Zu den zukünftigen Plänen des "Schachzaubers" gehört laut Hofstetter eine terminliche Verlegung: "Es findet gleichzeitig ein traditionell Anfang des Jahres ausgerichtetes Großmeisterturnier in den Niederlanden statt. Diesem möchte ich aus dem Weg gehen, weil ich dann bis 2028 noch andere Schachgrößen nach Bad Kissingen locken kann." Die letzte Runde des Turnieres startet am Samstag um 10 Uhr, die Siegerehrung ist für 14 Uhr geplant.