8:7-Erfolg in Burgau: Wenn der Fanclub "Lenzenberg" mobil macht, ist gute Stimmung nicht nur beim Spiel garantiert.
Dann kam die Mannschaft aus der Kabine doch zurück aufs Eis... So banal, so wichtig für die Fans, die ihre Helden noch einmal sehen wollten. Was in der jüngeren Vergangenheit nicht immer der Fall war, wo mitunter nur ein paar Hansel diesem Wunsch nachkamen, der den Anhängern so viel bedeutet. Gemeinsames Beklatschen. Und mittendrin ein strahlender Neuzugang Johan Larsson, der die geforderte Rolle auf dem Eis mit ähnlicher Leidenschaft ausführte wie seinen Verteidiger-Job in den 60 Minuten zuvor. Ein kleines Zeichen von Respekt für all die Mühen, die die Fans auch an diesem Freitag vor Weihnachten auf sich genommen haben. Der Ausflug nach Burgau wird knapp elf Stunden dauern, gegen 2.15 Uhr in der Nacht zum Samstag erreicht der Bus wieder die Kissinger Eishalle. Mit müden, aber auch glücklichen Menschen, die ein verrücktes Spiel gesehen und einen 8:7-Sieg ihrer Mannschaft bejubelt hatten. Mikhail Nemirovsky war ebenfalls zufrieden, auch wenn man den Spielertrainer der Kissinger Wölfe etwas kennen muss, um das zu erkennen. Erst einmal schimpfte der immer noch verletzte 43-Jährige. Auf die Gegner, die unfair gespielt, und auf die Schiedsrichter, die zu wenig durchgegriffen hatten - ungeachtet der 26+10-Strafminuten für die Burgauer. Übel schaute Brett Wur aus. Der Kanadier hatte eine klaffende Wunde am Kinn - und einen Zahn verloren. Nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus kann der 25-Jährige zumindest wieder mit der Mannschaft nach Hause fahren. Den Zahn hat derweil seine Freundin eingepackt, in der Hoffnung auf zahnärztliche Rettung.
Bus-Poker
Um 15.45 Uhr hatte sich der Bus in Bewegung gesetzt, mit genügend Platz für die knapp 30 Mitfahrer. "Im Lauf des Vormittags haben noch zehn Leute abgesagt, das ist ärgerlich", sagt Manuel Wießner. Der Sprecher vom Fanclub "Lenzenberg" hatte zusammen mit Vereinskassier Daniel Wehner den Bus organisiert, sich diesmal für einen anderen Anbieter entschieden. "Da muss man hin und wieder etwas pokern, um die Fahrt für die Teilnehmer möglichst günstig zu halten", weiß Wießner. Schließlich sind Kinder und Jugendliche unter den Mitfahrern, die übrigens alle von einem verbilligten Eintritt vor Ort profitieren, was der 2. Vorsitzende Ralph Kiesel mit den Verantwortlichen des ESV Burgau aushandelte.
Wer mit dem Fanclub fährt, braucht keinen Hunger, keinen Durst zu fürchten. Getränke und belegte Brötchen sind genügend an Bord. Vor der Autobahnauffahrt bei Elfershausen werden die ersten Gesänge angestimmt. Mit kleinen Pausen wird die Fahrt nach Burgau dreieinhalb Stunden dauern. Stressfrei, weil der Verkehr auf der A-7 und A-8 überraschend überschaubar ist. Dass die Mannschaft an diesem Abend stark ersatzgeschwächt antritt, das hat sich schon herumgesprochen. Noch am Mittwoch war Wölfe-Vorsitzender Michael Rosin davon ausgegangen, "dass wir komplett sind". Nun fehlen die Stürmer Alexei Zaitsev, Nikolai Varianov und Roman Nikitin sowie die Verteidiger Niko Grönstrand und Charles Müller. Magere elf Spieler und zwei Torhüter sind übrig geblieben.
Vor verschlossenen Toren
45 Minuten bis zum Spielbeginn - und der Burgauer "Buckelpalast" ist tatsächlich noch geschlossen. Eine gute Gelegenheit, um die nächsten Lieder anzustimmen, diesmal begleitet von André an der Trommel. Zur Ausrüstung gehören an diesem Abend neben den obligatorischen Trikots am Mann und an der Frau wieder diverse Fahnen, die trotz ihrer Größe mit ins Stadion genommen werden dürfen. "Bis auf wenige Ausnahmen gibt es diesbezüglich keine Probleme", sagt Wießner. Geduld ist übrigens weiter gefragt. Weil die Eismaschine nicht richtig funktioniert, beginnt das Spiel mit 15-minütiger Verspätung in der fast neuen Halle der "Eisbären". Kein Schmuckstück, aber sehr funktional ausgestattet, mit einem extrem hellen LED-Licht, das beste Sicht aufs Geschehen garantieren wird.
Und das ist gut so, denn das Spiel nimmt vom ersten Bully weg brutal schnell Fahrt auf. Brett Wur schießt die Unterfranken in Führung (2.), dann schlagen die Eisbären zurück mit drei Treffern in Folge binnen fünf Minuten. Vor allem die überfallartigen Konter der slowakischen Topscorer David Hornak und Boris Drozd scheinen ein unlösbares Problem zu werden. Kein Wunder, dass die Stimmung im Fanblock der Gäste merklich abkühlt. Viel Kopfschütteln ob der defensiven Anfälligkeit, die auch Ausnahme-Goalie Donatas Zukovas anzustecken scheint. "Don hatte heute nicht seinen besten Tag", sagt später Nemirovsky. Verlass ist dafür auf Anton Seewald, der erst in Überzahl verkürzt (12.), dann Sekunden vor dem Ende des ersten Drittels egalisiert. 200 Zuschauer verfolgen insgesamt das Spiel. Und es fällt auf, dass der Gegner von der Tribüne kaum Unterstützung bekommt. Vor einem knappen Jahr hatte der ESV Burgau unbefristete Stadionverbote ausgesprochen gegen Mitglieder der Fangruppe "Hurricanes", die bei der Wahl ihrer Unterstützer-Mittel offensichtlich die Grenzen des Erlaubten deutlich überschritten hatten. Entsprechend konsequent handelte die Vereinsführung. Konsequent sind auch die Burgauer Spieler, und zwar im Abschluss. Ein Konter sowie ein Zaubertor von Drozd lassen die Schwaben erneut mit zwei Toren führen. Wieder in Überzahl verkürzt Seewald (34.). Gift und Galle ist jetzt im Spiel, Brett Wur muss vom Eis, der böse gefoulte Johan Larsson ebenfalls. Zumindest der Schwede kann später weiterspielen. "Wir waren kurz davor, das Spiel abzubrechen. Das habe ich den Schiedsrichtern auch deutlich gesagt", war Michael Rosin nach dem Spiel noch angefressen.
Eine Frage der Ehre
Eine 5:3-Überzahl kurz vor Ende des Mitteldrittels bleibt ungenutzt, dann handeln sich die Kissinger mit Beginn des finalen Abschnitts eine zweiminütige Bankstrafe wegen "Unsportlichkeit" ein. "Auf 180" sind die Fans, die ihre Mannschaft bedingungslos unterstützen. Aus einem sportlich fast bedeutungslosen Spiel ist längst eine Frage der Ehre geworden. Jetzt endlich rufen die Wölfe ihr Potential ab. Beginnend mit dem Ausgleichstreffer von Eugen Nold (41.), dem Christian Masel unter den Augen seiner aus Oberfranken angereisten Eltern das 6:5 (44.) und später, mal wieder in Überzahl, das 7:6 (47.) folgen lässt. Endgültig euphorisiert ist die Kissinger "Kurve", als Viktor Ledin einen Penalty kunstvoll verwandelt. 113 Sekunden vor Schluss schöpfen die Eisbären mit dem 8:7 wieder Hoffnung, bringen 70 Sekunden für Goalie Roman Jourkov einen weiteren Feldspieler, können die Niederlage gegen den neuen Tabellenführer aber nicht mehr verhindern.
Zur Belohnung trainingsfrei
"Wir haben uns sehr schwer getan, denn der Gegner spielt sehr unkonventionell. Darauf muss man sich erst einmal einstellen. Bedanken möchte ich mich bei den Fans. Das war heute eine super Unterstützung", sagte Mikhail Nemirovsky, der eine kurze trainingsfreie Zeit ankündigte, weil mit dem Sieg in Burgau letzte Zweifel am Erreichen der Verzahnungsrunde beseitigt wurden. Ihre nächsten Spiele bestreiten die Kissinger Wölfe am 5. Januar in Selb und am 7. Januar in Königsbrunn, ehe zum letzten Vorrundenspiel am Sonntag, 14. Januar, der ESC Vilshofen an der Saale gastiert. Dann will Nemirosvky beim Dank an die Fans selbst wieder mit auf dem Eis stehen.