Barbara Will war Pionierin des Frauen-Fußballs

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Die Stammmannschaft der SV-Damen 1973 (hintere Reihe von links) Anita Pfeffer, Christa Hein, Rosemarie Endres, Sonja Hammer, Marianne Dietz, Karin Rauhut; (vordere Reihe) Gisela Klemm, Angelika Rappert, Ulla Krawczyk, Helga Wetterich, Anneliese Steffel; davor mit Ball Barbara Will sowie Trainer Lorenz Dallner.Fuhrmann
Die Stammmannschaft der SV-Damen 1973 (hintere Reihe von links) Anita Pfeffer, Christa Hein, Rosemarie Endres, Sonja Hammer, Marianne Dietz, Karin Rauhut; (vordere Reihe) Gisela Klemm, Angelika Rappert, Ulla Krawczyk, Helga Wetterich, Anneliese Steffel; davor mit Ball Barbara Will sowie Trainer Lorenz Dallner.Fuhrmann
Spalierstehen für die Braut Irene Masurek, mit Schiri Adam Thauer, der die meisten Heimspiele der Münnerstädterinnen pfiff.Quelle Rosemarie Endres
Spalierstehen für die Braut Irene Masurek, mit Schiri Adam Thauer, der die meisten Heimspiele der Münnerstädterinnen pfiff.Quelle Rosemarie Endres
 
Ex-Torfrau Bärbel Will im Trikot des TSV Münnerstadt, des Nachfolgevereins des einstigen SV. Steffen Standke
Ex-Torfrau Bärbel Will im Trikot des TSV Münnerstadt, des Nachfolgevereins des einstigen SV. Steffen Standke
 

Barbara Will erlebte mit der Damen-Mannschaft des SV Münnerstadt in den 1970er-Jahren die Zeit mit, als ihr Sport in Deutschland in den Kinderschuhen steckte.

Es fällt Barbara Will gar nicht auf. Aber die 76-Jährige aus Münnerstadt sagt immer noch "rechter Verteidiger" und "Torhüter", wenn sie über ihre Fußballerinnen-Zeit in den 1970ern beim SV Münnerstadt spricht. Damals redete man so. Heute haben sich die weiblichen Formen im Fußball längst durchgesetzt. Einfach war der Weg bis dahin nicht, hat auch "Bärbel" Will erfahren.

Die Geschichte, wie der SV Münnerstadt zu seiner Damen-Mannschaft kam, klingt so kurios wie typisch für die Zeit. Damals, 1970, hatte sich der Verein zur Einweihung des hergerichteten Schlackeplatzes in der Unteren Au (heute Edeka) einen namhaften Gegner aus Haßfurt eingeladen. Allerdings wurden für das Vorspiel noch Mannschaften gesucht.

Und da kamen die (männlichen) Verantwortlichen auf die geniale Idee, ihre eigenen Spielerfrauen zu fragen. Das Kalkül der Herren laut Bärbel Will: "Sie wollten mal wieder richtig was zu lachen haben. Und etwas zu gucken."

Eine Woche vor dem Spiel rückten die Kerle mit ihrer Idee heraus - und die Frauen waren Feuer und Flamme. 20 von ihnen meldeten sich - mehr als genug für eine Fußball-Elf.

Sogleich gerieten die Spielerfrauen unter das Kommando von Oberstabsfeldwebel Lorenz Dallner, einem Münnerstädter, der bei der Bundeswehr in Hammelburg diente. "Er brachte uns erst einmal bei, dass nicht alle elf Spielerinnen hinter dem Ball herlaufen sollen", erinnert sich Will. Trainiert wurde am Höhberg bei Burglauer.

Und so standen sie am 26. Juli 1970 auf dem Platz, die Mürschterinnen in langärmligen weißen Trikots mit blauem Ausschnitt, ultrakurzen Hosen und blauen Stutzen, der erwarteten Niederlage tapfer ins Auge blickend. Denn antreten mussten die Fußball-Neulinge gegen die weiblichen "Stars" aus Großwenkheim, die schon vier Jahre zusammenspielten. Doch sie schlugen sich wacker, erkämpften ein 1:1. Und waren - das ist auf Fotos zu sehen - megastolz.

Dass die SVlerinnen das Rückspiel im August auf dem Großwenkheimer Lehmplatz 0:3 verloren - geschenkt. Denn jetzt wollten sie mehr.

Lorenz Dallner erkannte schnell, welche Spielerinnen Potenzial mitbrachten und im Training gefördert werden konnten. Bald erhöhten vier Spielerinnen aus Strahlungen und drei aus Wollbach bei Bad Neustadt die Qualität im Team.

Will und Co. machten zwei weitere Freundschaftsspiele gegen Hammelburger Damen aus - die so ihrerseits ihre Match-Premiere feierten. Am Tag des Rückspiels stand für den Anstoß sogar eine echte Braut auf dem Feld - eine Mannschaftskameradin von Will. Die beiden Keeperinnen stellten die Brautjungfern. Später sollten die Hammelburgerinnen zu arger Konkurrenz emporwachsen.

"Der Frauen-Fußball", erinnert sich Will, "wurde damals von den Männern belächelt". Was nichts daran änderte, dass sich bisweilen die Rollenverteilung drehte. So erinnert sich die 76-Jährige daran, dass beim ersten Spiel die Männer den Nachwuchs im Kinderwagen die Außenlinie hoch und runter schieben mussten. Ihre Frauen standen ja auf dem Feld.

Bald stiegen die Mürschte-rinnen in den Rundenbetrieb ein. Neben Hammelburg hießen die Gegner in der kleinen, aber feinen Liga unter anderem FC 05 Schweinfurt oder DJK Kleinbardorf. Dass die Männer sie noch einmal ausbremsen könnten, auf die Idee kamen sie nicht: "Die Männer wussten ja, dass sie uns angefleht hatten, zu spielen. Da konnten sie jetzt nicht sagen, ihr dürft nicht mehr." Als die SV-Verantwortlichen sahen, dass die Frauen erfolgreich waren, unterstützten sie sie auch. "Wir waren ein gutes Aushängeschild."

Am 23. Mai 1971 schlugen die Münnerstädterinnen in einem der ersten Verbandsspiele Großwenkheim 3:2, wurden mit einem 3:1 über den SV Schraudenbach Meister im damaligen Schweinfurter Fußballkreis. Ziemlich von Beginn an berichteten die Zeitungen über das Team.

Bärbel Will war da schon auf die Position der rechten Verteidigerin gerückt, neben ihre Schwester Sabine, die links in der Abwehr spielte. Später wechselte sie mit ihrer Größe von 1,83 Metern ins Tor, wo sie den Rest ihrer Karriere als Mannschaftsführerin blieb.

Von Beginn an spielte das Gesellige im Team eine wesentliche Rolle. Die Frauen trainierten jeden Mittwochabend, mit den alten Herren als Nachbarn. Da gab es im Nachgang oft gemütliche Abende. Beachtlich auch, dass es stets drei "Betreuerinnen" gab, die zwar nicht spielten, sich aber um das Drumherum kümmerten. Will erinnert sich auch an einen Fußball-Lehrgang an der Sportschule München-Grünwald und an mehrtägige Ausflüge.

1980 neigte sich die große Zeit der Mürschter Fußballerinnen ihrem Ende entgegen. Das Team stieg aus dem Ligabetrieb aus, bestritt nur noch Freundschaftsspiele. "Uns fehlte einfach der Nachwuchs", sagt Bärbel Will. Auch herrschte unter den folgenden Trainern Manfred Meinhardt und Waldemar Schmitt nicht mehr der große Zusammenhalt, der unter Dallner entstanden war. Als Trainerin fungierte Rosemarie Endres, die später sogar als Schiedsrichterin Karriere, auch im Männerbereich machte.

Dass einer goldenen Generation plötzlich der Nachwuchs fehlt, hat auch Birgitt Klaus in ihrer langen Karriere erlebt. Die 49-Jährige spielt seit 35 Jahren Fußball, derzeit noch bei der DJK Schondra. "Wir haben alle im selben Alter angefangen und aufgehört, weil uns die jungen Spielerinnen fehlten", erinnert sich die gebürtige Mottenerin an ihre ersten zehn Jahre im Heimatverein. Der existiert sogar noch, aber nur als Schafkopfklub.

Ob Frauen-Fußball vor zehn oder 25 Jahren weniger gewürdigt wurde als heute, kann Klaus nicht sagen. Auf jeden Fall sei er heute in den Medien präsenter. "Damals wie heute wird Frauen-Fußball nicht von allen anerkannt. Es gibt immer noch welche, die sagen: Frauen haben auf dem Platz nichts verloren."

Als Birgitt Klaus 1984 mit dem Fußballspielen begann, gab es noch mehr Damen-Mannschaften im Umkreis als heute. Die Mottenerinnen fuhren oft zu Spielen ins Hessische: Schwarzbach bei Hofbieber, Gläserzell bei Fulda, Rotenburg an der Fulda. In der Bayerischen Rhön nennt Klaus Schondra, Schönderling und Zeitlofs als aktuelle oder ehemalige Standorte.

Vor ihrem Engagement spielte sie vier Jahre in Jossa, unter anderem in der Hessenliga. Dort hätten die höherklassigen Damen mehr interessiert als die Herren.

Zurück nach Münnerstadt: Bärbel Will bewundert heute, wie schnell, technisch anspruchsvoll und körperlich der Frauen-Fußball geworden ist, gerade auf höherer Ebene. Zu einigen ihrer früheren Mitspielerinnen hat sie noch regen Kontakt. "Man trifft sich mal so oder in einer Gastwirtschaft." Ab und zu schaut sich die 76-Jährige noch Spiele der SG Albertshausen/Nüdlingen an. Alte Leidenschaften kommen nie zur Ruhe.