Schwimm-Unterricht säuft im Lehrplan oft ab

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Die Grundschule Hammelburg bietet durchgehend von der 1. bis zur 4. Jahrgangsstufe Schwimm-Unterricht an. Alle vier Wochen können sich die Schüler eine Stunde lang ans Wasser gewöhnen, in dieser Woche waren unter anderem Schüler der 4aG an der Reihe. Foto: Katharina Zimmermann
Die Grundschule Hammelburg bietet durchgehend von der 1. bis zur 4. Jahrgangsstufe Schwimm-Unterricht an. Alle vier Wochen können sich die Schüler eine Stunde lang ans Wasser gewöhnen, in dieser Woche waren unter anderem Schüler der 4aG an der Reihe. Foto: Katharina Zimmermann
 
 
 
 
 

An der Grundschule Nüdlingen wurde nach Elternprotesten zumindest eine Lösung für Nicht-Schwimmer eingeführt. Trotzdem bleiben noch rund jedem vierten Grundschüler im Landkreis Besuche im Hallenbad komplett verwehrt.

Josie fühlt sich richtig wohl im Wasser: "Mir macht Schwimmen Spaß, weil es wie fliegen ist, man ist ja so leicht", sagt die Viertklässlerin, während sie mit ihren Mitschülern von der 4aG der Grundschule Hammelburg planscht. "Man hat wirklich immer Spaß", freut sich auch Kaj, und Silas ergänzt: "Mir macht vor allem Tauchen Spaß." Josie, Kaj und Silas haben Glück: Sie besuchen eine der zwanzig 4.
Klassen im Landkreis, in denen heuer überhaupt Schwimm-Unterricht angeboten wird.
Für Lehrer Jürgen Schmitt ist der Schwimmunterricht ganz schön anstrengend: "Es macht schon Spaß, aber man macht sich auch viele Sorgen", berichtet der Lehrer der 4aG. "Manche können schon schwimmen, andere muss man sogar erst an das Wasser gewöhnen."
"Der Schwimm-Unterricht ist im Lehrplan fest verankert", betont Regierungsschuldirektor Uwe Mitlöhner, der bei der Regierung von Unterfranken für den Schulsport an den Grundschulen zuständig ist. 74 Prozent aller Grundschulen bieten in Unterfranken Schulschwimmen an, im Landkreis Bad Kissingen waren es im vergangenen Schuljahr 15 von 21, also 71 Prozent. Dass in Nüdlingen nach sechs Jahren ohne Schul-Schwimmen und auf Protest von Eltern zumindest ein Programm zur Förderung der Nicht-Schwimmer geplant ist, hebt zwar den Schnitt, aber ein genauer Blick zeigt, wie selten im Unterricht geschwommen wird: Gerade einmal fünf 1. Klassen aus dem Landkreis haben Schwimm-Unterricht auf dem Lehrplan. Das dürften - durch die Jahrgangsmischung nicht eindeutig zu bestimmen - nur rund zehn Prozent aller Erstklässler sein. Die meisten Schulen takten Schwimm-Unterricht in der 3. Klasse ein (siehe ).
"Die Schulleitungen sind angehalten, Schwimm-Unterricht zu ermöglichen, die Kosten dürfen dabei keine Rolle spielen", betont Mitlöhner. Aber auch er hat Verständnis für die Probleme auf dem Land: "Wenn ich von einer Doppelstunde mit 90 Minuten weniger als 25 Minuten im Wasser verbringe, macht das keinen Sinn", nennt er als Grenze. Für Schulen auf dem Land hat Mitlöhner deshalb ein neues Konzepte entwickelt, wie Schülern im Rahmen eines Schullandheim-Aufenthaltes die Angst vor dem Wasser genommen werden könnte: "Wir haben fantastische Erfahrungen gemacht, von 26 Nicht-Schwimmern konnten sich nach wenigen Tagen 23 angstfrei in tieferem Wasser schwimmend bewegen." Natürlich würden dabei noch keine Schwimm-Stile vermittelt, es gehe darum, die Angst vor dem Wasser zu nehmen.


"Schwimmen ist lebenswichtig"

"Schwimmen ist lebenswichtig", betont auch Edgar Beck, Betriebsleiter des Hammelburger Hallenbades. Deshalb bietet er regelmäßig Schwimmkurse an. "Aber wir haben ein ganzes Jahr Vorlaufzeit", sagt er und rät Eltern, sich früh anzumelden. Zudem ermöglicht die Einrichtung möglichst viel Schul-Schwimmen: Das Hallenbad sei von 8 bis 22 Uhr durchgehend belegt, manche Schulen würden sich Zeiten sogar teilen. Trotzdem würde er gerade bei Grundschulen versuchen, jede Anfrage zu berücksichtigen, auch wenn dann vielleicht die weiterführenden Schulen auf Stunden verzichten müssten.

Die Schließung des Münnerstädter Freibades hat vor fünf Jahren gleich in drei Schulen den Schwimm-Unterricht vom Lehrplan geschwemmt. Nach der überraschenden Mitteilung, dass auch das Hallenbad Wildflecken zum Jahresende vor dem Aus steht, müssen sich auch fünf weitere Schulen um Alternativen umschauen. Pläne gibt es noch keine. Doch auch in den Schulen, die Schwimm-Unterricht anbieten, gibt es sehr unterschiedliche Konzepte. Ein Überblick.
"Ich würde mich über ein neues Lehr-Schwimmbad freuen, aber bis dahin wird es bei uns keinen Schwimm-Unterricht geben", stellt Detlef Elsner, Leiter der Grundschule Münnerstadt, fest. Nach Bad Neustadt ins Triamare zu fahren, wäre aus seiner Sicht ein "wahnsinniger Aufwand": "Das würde den Ablauf an diesem Schultag massiv stören." Zudem verweist er auf die hohen Kosten, die sein Budget belasten würden. Deshalb setzt Elsner auf den Sportunterricht in der Halle und delegiert das Schwimmen-Lernen an die Eltern: "Gewisse Pflichten können wir den Erziehungsberechtigten eben nicht abnehmen."


Keine Stellungnahme der Schule

"Dazu möchte ich mich nicht äußern", lässt sich Hubert Voll von der Grundschule Elfershausen-Langendorf erst gar nicht auf Diskussionen ein. Seit Jahren gibt es dort keinen Schwimm-Unterricht, obwohl das Hallenbad näher liegt als von der Grundschule Euerdorf aus, die jeden Freitag im Wechsel mit einer 2. und einer 3. Klasse nach Hammelburg fährt. Für die Grundschule in Langendorf ist unter anderem der Markt Elfershausen als Sachaufwandsträger zuständig. "Wir haben eben kein Schwimmbad", tut Bürgermeister Bürgermeister Karlheinz Kickuth (SPD/ FWG) die Frage sofort ab, schließlich habe ihn seit seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren noch niemand auf den fehlenden Schwimm-Unterricht angesprochen. "Aber wenn das erforderlich sein sollte, werden wir uns damit befassen", kündigt Kickuth an. Allerdings sollten Eltern nicht zu viele Aufgaben auf Schule und Kommunen verlagern. Lieber sollten sie sich mit einbringen: "Da gibt es sicher welche, die die notwendige Ausbildung haben."
"Wenn es irgendwie möglich ist, soll es Schwimm-Unterricht geben", lautet die Vorgabe des Bad Kissinger Schulrates Josef Hammerl. Schwimmen zu lernen sei nicht nur wichtig für die Körper-Ertüchtigung, sondern auch für Freizeit-Gestaltung und die Lebensrettung. "Ich bin mit dem momentanen Stand zufrieden", fasst Hammerl die Lage im Landkreis zusammen. Trotzdem bleibe er dran. "In Bad Brückenau wird das nur vorübergehend sein", nennt er ein Beispiel.
Seit zwei Jahren gibt es an der Bad Brückenauer Grundschule kein Schulschwimmen mehr, obwohl die Sinnflut nicht weit ist. "Wir haben zur Zeit keine Lehrkraft mit der vorausgesetzten Ausbildung", berichtet Rektorin Barbara Buz. Das soll sich in diesem Schuljahr ändern. Trotzdem wird einiges getan: Im Rahmen von "Meine Gesundheitsstadt" soll es zwei Nichtschwimmerkurse bei der Schwimmschule "Melanie" in der Sinnflut geben.
"Wir tun, was wir können", beteuert Angelika Kothmann-Loss, Leiterin der Grundschulen in Poppenlauer und Thundorf. Auch dort ging der Schwimm-Unterricht mit Schließung des Münnerstädter Hallenbades unter. "Alle anderen Bäder sind zu weit weg, aber wenn im Sommer das Wetter passt, nutzen wir das Maßbacher Freibad", betont Kothmann-Loos. Im vergangenen Schuljahr sei jede Klasse mindestens einmal beim Schwimmen gewesen.
"An den Schulen gibt es ganz unterschiedliche Modelle", fasst Schulrat Hammerl die Situation zusammen. Beispiel Bad Kissingen: An der Henneberg-Grundschule schwimmen die Drittklässler wöchentlich. Viele können schon schwimmen, aber eben nicht alle. "Die Kinder aus der Stadt hatten oft schon Frühschwimmerkurse oder Baby-Schwimmen. Mit einem Schwimmbad in der Nähe ist das natürlich leichter" , sagt Schulleiter Bernd Celusteck.
An der Sinnberg-Grundschule dauert der Schwimm-Unterricht von der 2. bis zur 4. Klasse. Heuer mit neuem Konzept: Die Kinder gehen blockweise von Januar bis April wöchentlich zwei Stunden ins Hallenbad. Die anderen Monate sind für den Sportunterricht vorgesehen. "So können die Kinder besser schwimmen lernen, da sie keine langen Pausen dazwischen haben", sagt Schulleiter Karl-Heinz Deublein. Er schätzt, dass zwei Drittel der Schüler schwimmen können. "Was die Nichtschwimmer angeht, sind wir auf die Hilfe der Eltern angewiesen. Einmal Schwimmen in der Woche ist zu wenig, um den Kindern wirklich sicheres Schwimmen beizubringen. Wir können höchstens zeigen, wie sie sich über Wasser halten."


Orts- oder Klassenwechsel

Im KisSori Lernzentrum haben die Kinder jede Woche eine Stunde Schwimmunterricht. Wie im allgemeine Unterricht werden dabei alle vier Jahrgangsstufen gleichzeitig unterrichtet. Die einzige Änderung in den vergangenen Jahren war ein Ortswechsel. Auf Grund der steigenden Schülerzahlen wurde der Unterricht von der Bavaria-Klinik auf das städtische Hallenbad verlegt. Manche der Kinder haben bereits vor ihrer Schulzeit gute Vorkenntnisse , manche lernen es erst mit der Zeit.
Änderungen gab es heuer auch an der Grundschule Euerdorf: Dort hatten bislang die 3. und 4. Klassen Schwimmen, jetzt wechseln sich die 2. und 3. jede Woche ab. "Effektiv sind die Schüler zwischen 30 und 35 Minuten im Wasser", verweist die Schule auf Wartezeiten durch Busfahrt, Umziehen und Duschen. Weite Strecken müssen auch die Schüler aus Wartmannsroth zurücklegen. Dort sind es seit Jahren die Dritt- und Viertklässler, geändert hat sich aber der Zeitplan: Auch hier gibt es einen Block im ersten Schuljahr, früher war nur alle vier Wochen Schwimmen. "Die Schüler lernen besser und schneller schwimmen, da nicht so viel Zeit dazwischen liegt, sie vergessen nicht soviel", berichtet Rektorin Monika Hügel und würde sich eigentlich noch mehr Schul-Schwimmen wünschen, denn: "Schwimmunterricht ist sehr wichtig." Aber die Entfernung sei einfach zu weit.
Die Grundschule Zeitlofs hat sich für mindestens vier gebündelte Schwimmtage in allen Jahrgangsstufe entschieden, um mehr Zeit im Wasser zu haben. "In den letzten Jahren ist die Anzahl der Nichtschwimmer deutlich gestiegen", berichtet Rektorin Katharina Schöberl. Rund die Hälfte der Kinder sei mindestens unsicher im Wasser. "Manche haben kaum Wassererfahrungen." Das neue Konzept mit Schwimmtagen werde von Kindern und Eltern gut angenommen, berichtet Schöberl.

Klassen 15 der 21 staatlichen Grundschulen hatten im vergangenen Jahr offiziell Schwimm-Unterricht beim Schulamt angemeldet. Erteilt wurde das Schul-Schwimmen in fünf 1. Klassen, neun 2. Klassen, 28 Klassen der 3. und 20 Klassen der 4. Jahrgangsstufe. Damit erhalten rund drei Viertel der Drittklässler Schwimm-Unterricht, aber nur ein kleiner Teil der Erst-Klässler.

Fehlanzeige Überhaupt keinen Schwimm-Unterricht gibt es aktuell an den Grundschulen Bad Brückenau, Münnerstadt und Elfershausen-Langendorf. In Nüdlingen wird nach sechs Jahren ohne Schul-Schwimmen ein neues Konzept ausgearbeitet. In Maßbach-Poppenlauer und Thundorf gibt es zwar keinen regelmäßigen Unterricht, aber die Schüler besuchen im Sommer das Freibad Maßbach.

Bad Kissingen Das Bad Kissinger Hallenbad nutzen aktuell drei Grundschulen: Die Sinnberg-Grundschule schickt von Januar bis April zwölf Klassen der Jahrgangsstufen 2 bis 4 wöchentlich zum Schwimmen. An der Henneberg-Grundschule haben die 3. Klassen jede Woche zwei Stunden. Zudem kommt die 3 c der Grundschule Burkardroth alle zwei Wochen aus Lauter nach Bad Kissingen.

Hammelburg In Hammelburg werden die Schüler aus vier Schulen ans Wasser gewöhnt: Die Grundschule Hammelburg schickt insgesamt neun Klassen aus allen vier Jahrgangsstufen alle vier Wochen ins Bad. Aus der Grundschule Thulbatal kommen die 3. und 4. Klassen alle zwei Wochen. Aus der Grundschule Wartmannsroth fahren die Klassen 3 und 4 neun Mal im ersten Halbjahr mit dem Bus nach Hammelburg. Zudem kommen die Klassen 2 und 3 aus Euerdorf im wöchentlichen Wechsel.

Wildflecken Ins Hallenbad Wildflecken, das zum Jahresende geschlossen wird (siehe Seite 17), schicken fünf Schulen ihre Schüler: Die Grundschulen Riedenberg und Wildflecken haben jeweils 14-tägige Doppelstunde in den Jahrgangsstufen 2 bis 4. Aus Oberleichtersbach kommen die 2. Klassen zu drei sowie die 3. und 4. Klassen zu jeweils fünf Doppelstunden pro Schuljahr. Die Grundschule Schondratal schickt die 3. und 4. Klassen wöchentlich. Aus der Grundschule in Premich kommen die 3. Klassen alle zwei Wochen.

Bad Bocklet Die 3. Klassen aus Steinach schwimmen alle 14 Tage in Bad Bocklet, bald kommen Schüler aus Nüdlingen dazu.

Ziehers/Dittelbrunn Die Grundschule Motten fährt für den Schwimm-Unterricht mit den 3. und 4. Klassen ins hessische Ziehers. Die Grundschule Oerlenbach unterrichtet ihre 3. und 4. Klassen in einem Sechs-Wochen-Rhythmus in Dittelbrunn.