Die "Ritzelfuchser" Emil, Klaus, Andy und Uwe aus Sulzthal bezwangen mit ihren Rädern den höchsten Gebirgszug Europa.
"Es ist geschafft, der Bärenpass ist erreicht. Die Strapazen scheinen vergessen und wir freuen uns auf die Luft des Südens", schildert Uwe Bindrum seine Glücksgefühle, als es endlich abwärts in Richtung Gardasee geht. Gemeinsam mit Emil Trautenbach, Andreas Olbrich und Klaus Keller hat er die Alpen bezwungen. In sieben Tagesetappen überquerten die vier Sulzthaler zwölf Pässe, bewältigten 11.853 Höhenmeter und legten hierbei über 500 Kilometer zurück.
"Die Passhöhe ist Traum und Alptraum zugleich", beschreibt Uwe Bindrum seine gemischten Gefühle. Als Ziel stundenlanger Anstrengungen ist die Passhöhe für den Radler oft "das Hassobjekt schlechthin." Ist sie dann aber erreicht, wirkt sie Wunder. "Schmerz, Schweiß, Hitze und Kälte sind augenblicklich vergessen. Bachwasser und sogar Energieriegel schmecken doppelt so gut", hat der Sulzthaler erlebt.
Ohne GPS und Landkarten Die "Ritzelfuchser" bereiteten sich bestmöglich auf ihre Tour vor. Die Rucksäcke wurden mit Werkzeug und Ersatzteilen komplettiert, um auf die meisten Pannen vorbereitet zu sein. Auf GPS und Landkarten verzichteten die Männer. Uwe Bindrum prägte sich die Route von Cross-Legende Andreas Albrecht ein. Seine Mitstreiter verließen sich auf Bindrums Orientierungskünste und sein beinahe fotografisches Gedächtnis. Nur das Notwendigste mitnehmen, lautete die Devise. Trotzdem bringt der Rucksack des Sulzthalers beim Start noch neun Kilogramm auf die Waage.
Los geht es in Garmisch-Partenkirchen. Pech haben die Biker auf der ersten Etappe nicht nur mit dem Wetter, Klaus hat auch einen Defekt an seinem Rad und kommt nicht mehr aus den Klickpedalen. Zum Glück hat am Abend aber noch ein Radsportgeschäft in Zams geöffnet, wo ihm geholfen wird.
Richtig kalt wird es auf der zweiten Etappe, bei der die Männer in einer Hütte auf 2320 Meter Höhe Station machen. Die Temperaturanzeige auf dem Rad-Computer von Uwe Bindrum zeigt dort oben nur noch 2 Grad an. Am dritten Tag wird sogar der Gefrierpunkt erreicht, bei Wind und Sprühregen.
So verwundert es nicht, dass Emil später den schönsten Moment der Alpenüberquerung wie folgt beschreibt: "Als ich auf dem eiskalten Fimberpass die langen Winter-Handschuhe in meinem Rucksack fand." Ein Problem der ganz anderen Art stellt sich in Scuol im Unterengadin. Weil der Euro hier nicht akzeptiert wird, gestaltet sich die Verpflegung auf dem Straßenfest recht schwierig.
Absteigen und schieben Absteigen und gut eine Stunde schieben müssen die "Ritzelfuchser" auf der vierten Etappe. Grund ist eine steile Piste, die über weite Stücke betoniert und mit querlaufenden Kerben versehen ist, damit die Almbewirtschafter mit ihren Allradfahrzeugen noch vorwärts kommen. "Selbst Bergkönig Andi bekommt sein Pferd nicht mehr in Zaum und steigt ab", hält Uwe Bindrum in seinen Aufzeichnungen fest.
Kein Glück hat Andi auch mit seiner Bestellung in einer Almhütte. Mit Händen und Füßen erklärt er der Sennerin, er wolle von zwei Kuchen jeweils ein kleines Stück haben. Kurz darauf stehen vier große Teller mit jeweils zwei großen Stücken Kuchen vor den Männern.
Pech hat an diesem Tag auch Emil. Auf der Abfahrt über eine steile, geschotterte Piste erwischt es sein Hinterrad. Nun ist Schlauch reparieren und Mantel wechseln angesagt.
In Pezzo, am Ende des fünften Tages, lernten die Sulzthaler Yuri kennen, Gastgeber ihrer Unterkunft. Der sehr umtriebige Italiener ist scheinbar nur im Laufschritt unterwegs. Uwe Bindrum ruft ihm zu: "Yuri, mach doch bitte mal langsam", worauf dieser erwidert: "Langsam kommt nicht weit, mache für Gäste!"
Die sechste Etappe führt die Männer in den bekannten Wintersportort Madonna di Campiglio. Sie quartieren sich im Alpine Hotel Vidi ein. Dort sind sie zwar nicht die einzigen Alpenüberquerer, fallen aber doch auf. "Aufgrund der sehr spärlichen Kleidung zwischen all den mondänen Gästen", hat Uwe Bindrum gemerkt.
"Bären haben Angst vor uns" Der Bärenpass ist der letzte schwierige Übergang, den es am siebten Tag zu bewältigen gilt. Tatsächlich gibt es dort auch noch eine recht große Population von Bären. Wie verhält man sich, wenn man diesem großen Raubtier gegenübersteht, will Andi wissen. Flach hinlegen und ruhig verhalten oder besser so groß wie möglich machen und laut schreien? "Die haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen", so Klaus´ optimistische Antwort.
Am Ende des Tages erreichen die vier schließlich das lang ersehnte Ziel Riva del Garda und gönnen sich noch zwei Nächte in der Villa Bellaria, bevor es Richtung Heimat geht. Diesmal besteigen die "Ritzelfuchser" allerdings nicht ihr Bike, sondern einen Shuttle, der sie über die Brennerautobahn bringt. Da wird Uwe Bindrum die erbrachte Leistung erst nochmal richtig bewusst. Mit nach Hause nehmen sie "ganz tolle Erfahrungen, Eindrücke und Erlebnisse, auch wenn sich kein Bär zeigte", so der Sulzthaler.