Passen geht auch ohne Ball

4 Min
Fast wie im Flug: Ronja Kunert mit "Klaki vom Ziegelhof" beim Rennpass-Training
 
 
 
 

Was Teilnehmer und Zuschauer beim Isländer-Turnier auf dem Ziegelhof bei Wildflecken erwartet.

Vor rund 50 Jahren sind die Islandpferde auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt, den sie mehr als 1000 Jahre zuvor in den hölzernen Drachenschiffen der Wikinger in Richtung Island verlassen hatten. Gerade in der Rhön und im Vogelsberg-Gebiet hat das ausdauernde und kräftige Pferd viele Liebhaber gefunden.
"Wir haben in der Zucht in den letzten Jahren wirklich viele Fortschritte gemacht. Das macht sich jetzt bemerkbar", sagt Andrea Kunert, Hauptorganisatorin des offenen Sportturniers für Islandpferde am kommenden Wochenende. Seit mehr als 20 Jahren werden auf dem Ziegelhof bei Wildflecken Islandpferde gezüchtet, aufgezogen und ausgebildet. Die idyllisch gelegene Ovalbahn des Gestüts wird der Mittelpunkt des Turniers sein.
Angefangen hatte Andrea Kunert mit dem Voltigieren auf dem Stiftsgut Kaufungen bei Kassel. Mit dem ersten Islandpferd "Falki" ging es im Jahr 1976 vor allem auf Wander- und Geländeritte. Mittlerweile ist die fünfköpfige Familie verrückt nach Pferden und immer wieder auch bei sportlichen Prüfungen erfolgreich. Gerade auf bayerischer und hessischer Ebene hat die Familie Kunert einige Meistertitel erringen können.
Doch was macht das Islandpferd in der Region so beliebt? "Das Islandpferd beherrscht fünf Gangarten. Aber manchmal kann ein Gang natürlich auch mal klemmen", erklärt Andrea Kunert augenzwinkernd. Alle Schrittfolgen sind dem selbstständigen Pferd zwar angeboren, aber "der Reiter muss dafür sorgen, dass das Pferd das Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort tut." Wenn dies gelingt, dann sieht das für die Zuschauer am Rande der Ovalbahn "ganz locker und leicht" aus. "Das ist ja auch das Ziel. Der Beobachter soll das Gefühl haben, dass alles wie von alleine funktioniert. Die kleinen Signale des Reiters sollen möglichst unbemerkt bleiben. Die Übergänge sind dann wirklich fließend", sagt die Organisatorin. Nicht alle Islandpferde sind für sportliche Turnier geeignet: "Manche Pferde sind im Gelände wirklich toll, aber wenn es auf die Bahn geht, dann schalten sie ab." Ein richtig gutes Turnierpferd bleibe "immer im Rhythmus".
Gerade darauf achten auch die Turnierrichter: "Tempo, Takt und Eleganz. Alles muss stimmen." Weil das Islandpferd die beiden Gangarten des Urpferdes, Tölt und Pass, immer noch instinktiv beherrscht, legen die Wertungsrichter hierauf größten Wert.

Die Königsgangart


Schritt, Trab und Galopp sind vielen bekannt, doch was ist der Tölt eigentlich? Hierbei handelt es sich um einen Viertakt, bei dem das Islandpferd abwechselnd ein oder zwei Hufe auf dem Boden hat. Es wird vom ruhigen bis zum Renntempo geritten. Das Islandpferd geht bei stolzer Haltung fast erschütterungsfrei und macht dem Reiter auf diese Weise ein bequemes und ermüdungsfreies Reiten auch über lange Strecken möglich. Diese Gangart ist dem Pferd zwar angeboren, doch fachkundiges Training ist unerlässlich, damit das Tier den Tölt gezielt und richtig einsetzt.
Die Gangart Pass wird nur im Renntempo über kurze Strecken geritten. "Dies ist gerade für Zuschauer und Fotografen besonders beeindruckend", sagt Kunert. Das kleine Islandpferd mit einem Stockmaß zwischen 130 und 145 Zentimeter entwickelt beim Pass eine enorme Kraft und scheint fast über die Bahn zu fliegen. In Island wird der Rennpass als die Königsgangart bezeichnet, denn nicht alle Pferde beherrschen ihn. Ein guter Rennpasser ist also ein Star unter den Islandpferden - manchmal auch mit Allüren.
Mit vier bis fünf Jahren werden Islandpferde eingeritten. "Neun bis zehn Jahre lang erhalten die Pferde dann ihre große Leistungsfähigkeit." Im höheren Alter haben manche Islandpferde zwar nicht mehr so viel Lust auf echte sportliche Herausforderungen, aber gerade für Kinder und Anfänger sind sie dann sehr gut geeignet.
Die außerordentliche Farbenvielfalt der Islandpferde spiegelt sich auch in der Namensgebung wieder. Alle Pferde tragen isländische Vornamen: Von "Goldschopf" über "die Freche" bis hin zur "Glorreichen" reicht die Palette. Früher wälzten die Islandpferde-Freunde noch dicke isländische Wörterbücher, um einen passenden Namen zu finden. "Mittlerweile gibt es aber Namenslisten, die die Suche vereinfachen." Viele Pferdefreunde suchen sich auch Namen aus der Mythologie und aus bekannten Sagen. Auch wenn die Islandpferde in der Region in erster Linie als Freizeitpferde eingesetzt werden, so erreichen sie doch bei Sportturnieren eine besondere Anziehungskraft auch für Außenstehende.
Es gibt eine spezifische Prüfungsordnung, die sicherstellt, dass die Zuschauer alle rasse typischen Gangarten verfolgen können. So gibt es Töltprüfungen, Passrennen und Mehr-gangprüfungen, bei denen auch die Grundgangarten beurteilt werden. Mit Ausnahme der Geländeprüfung findet der Wettkampf auf der befestigten Ovalbahn statt. Um dem Leistungsniveau der Reiter gerecht zu werden, sind die Wettbewerbe in verschiedene Altersgruppen eingeteilt. "In diesem Jahr haben wie besonders viele Kinder am Start. Das ist wirklich erfreulich", sagt die Veranstalterin. Weil Islandpferde aufgrund ihres zuverlässigen Charakters ideale Kinderpferde sind, reitet gerade auch in der Rhön oft die ganze Familie.
Viele Helfer aus der Rhön und dem Vogelsberg-Gebiet sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Turniers, das sich großer Nachfrage erfreut. "Wir sind an der Obergrenze angekommen. Mehr Teilnehmer können wir aus zeitlichen und räumlichen Gründen nicht zulassen", sagt Andrea Kunert. Das Sportturnier ist als echte Familienveranstaltung angelegt und damit auch Bestandteil des Wildfleckener Ferienprogramms. "So können sich die Erwachsenen das sportliche Geschehen auf der Ovalbahn in Ruhe ansehen, während die Kleinen beim Kinderprogramm ihren Spaß haben." Schirmherr ist Landrat Thomas Bold.

"BLAST" und "Swinging five"


Das Turnier beginnt am Freitag mit den Vorentscheidungen auf der Ovalbahn hoch über Wildflecken, ab Samstagmittag bis Sonntag gegen 17 Uhr stehen die Endausscheidungen auf dem Programm. Das Starterfeld teilt sich in Kinderklasse, Jugend- und Juniorenklasse, Erwachsene (leichte Prüfungen) sowie Erwachsene (schwere Prüfungen). Am Freitag spielt ab 21.30 Uhr die aus Schweinfurt stammende Coverband "BLAST", die sich in der Rhön bereits einen Namen gemacht hat. Am Samstag, 20. August, laden die Lokalmatadoren "Swinging five" dazu ein, das Tanzbein zu schwingen. Dabei wird es sich erwartungsgemäß nicht nur um Reiterbeine handeln. Das Turnier findet traditionell nicht nur bei Pferdeliebhabern in der Region große Beachtung.