Der Reha-Bereich hat ja auch seine Herausforderungen. Aber da bleiben wir hoffentlich stabil. Im Gesundheitsbereich haben wir mit der berühmten ambulanten Badekur wieder einen Vorteil. Denn die darf nur in Kurorten verordnet werden. Eine ambulante Badekur bringt 21 Übernachtungen. Dies ist eine Chance, die Zahlen wieder nach oben zu bringen. Einen ersten Schritt haben wir gemacht, indem man beim Badearzt hier Online-Termine buchen kann. Nur weil wir im Reha-Bereich stark sind, dürfen wir aber nicht wieder andere Marktchancen liegenlassen.
Gibt es eine Hausnummer, wieviel die Stadt in diesem Jahr mehr an Energieausgaben ansetzen muss?
Wir haben im Haushalt 2022 ohne Straßenbeleuchtung 1,6 Millionen Euro veranschlagt. Aktuell erwarten wir 300.000 Euro Mehrkosten. Die werden, wie beim privaten Verbrauch, erst am Ende des Jahres abgerechnet.
Braucht es einen Nachtragshaushalt?
Nein, nachdem wir schon höhere Ansätze gebildet haben, können wir das im bestehenden Haushaltsrahmen auffangen.
In welchen Bereichen soll gespart werden, wie weit gehen die Überlegungen der Verwaltung?
Wir haben schon gehandelt. Wir haben den Achteckbrunnen und den Spielbankbrunnen abgeschaltet, am Kurgartenbrunnen und dem Multimediabrunnen die Betriebszeiten reduziert und werden die übrigen 18 Brunnen nach und nach in den Wintermodus umstellen. Aber wir sollten nicht alles abwürgen. Deswegen werden wir den Betrieb der großen Brunnen, die auch eine große symbolische Bedeutung haben, reduzieren, aber nicht beenden. Wir haben eine gute Balance, wenn wir den Betrieb noch einmal kritisch hinterfragen und reduzieren. Wir wollen nicht den Anschein erwecken, das Bad Kissingen tot ist und komplett in eine Schockstarre fällt.
Was steht sonst auf dem Prüfstand?
Bei der Außenbeleuchtung haben wir ohnehin kein Luxuslevel, ich hatte in der Vergangenheit schon Beschwerden, dass die Stadt zu bestimmten Jahreszeiten zu dunkel ist. Wir gucken uns das noch mal an, aber man kann die Stadt nicht komplett verdunkeln. Es gibt auch Sicherheitsaspekte für Menschen, die morgens zur Arbeit gehen oder abends nach Hause wollen. Balance ist das Gebot der Stunde.
Die Stadt sieht im Zuge der neuen Stadtmöblierung auch Beleuchtungseeffekte vor. Wie steht es damit?
Wir werden die Straßenbeleuchtung in Bad Kissingen komplett austauschen und 60 Prozent Strom sparen, bei mehr Effekt und weniger Lichtverschmutzung.
Welche Gebäude von Stadt und Kuranlagen brauchen am meisten Energie? Gibt es da Energiesparpläne?
Es sind die historischen Gebäude, von denen wir viele haben. Laut Energiesparverordnung sollen die Rathäuser nicht über 19 Grad aufgeheizt werden. Das ist bei uns technisch kaum möglich. Damit dort oben 19 Grad ankommen, muss es unten sehr warm sein. Auch an Regentenbau und Arkadenbau gibt es beim Sparen Grenzen, auch im Blick auf mögliche Gebäudeschäden. Die historische Bausubstanz ist in Bad Kissingen Teil unseres Charmes, aber eben auch der energetischen Herausforderungen.
Rechnen Sie durch die Gaskrise mit Betriebseinschränkungen bei der KissSalis-Therme?
Ich hoffe nicht. Das hängt von den bundesweiten Versorgungsstufen und Engpässen ab. Wenn es zu einem Gasnotstand kommt, dann hätte es laut Bundesgesetzgeber auch Auswirkungen auf Thermen. Die Gasversorgung in Deutschland ist ja im Moment stabil. Die Versorgungssicherheit ist weiter gewährleistet, auch weil wir alle handeln. Wir tun ja auch im privaten Bereich viel dafür, weniger Energie zu verbrauchen. Die Bundesregierung arbeitet daran, Alternativen zu entwickeln. Die Gaslieferung aus Russland wird mittelfristig ersetzt werden. Da bin ich zuversichtlich. Sorge bereitet mir aber kurzfristig die Preisentwicklung für viele Menschen, die die Bundesregierung in den Griff bekommen muss, auch um Insolvenzen zu vermeiden. Ich bin immer noch schockiert, wie die vorherige Bundesregierung 2014 nach der Annektierung der Krim der Übernahme von Gasspeichern durch Gazprom zugestimmt hat. Hoffentlich lernen wir daraus, mehr in Risikozusammenhängen zu denken. Aber wir werden in zehn Jahren immer noch Erdgas haben. Es glaubt doch keiner, dass wir von heute auf morgen alles umstellen. Wir müssen Stück für Stück aus den Abhängigkeiten rauskommen.
Wann rechnen Sie damit, dass die Bad Kissinger Welterbestätten nachts wieder im gewohnten Scheinwerferlicht strahlen? Kurzum: Wann ist ihrer Einschätzung nach die aktuelle Krise zu Ende?
Ich glaube, dass wir einen holprigen Winter vor uns haben. Aber ich bin auch zuversichtlich, dass es bald wieder einigermaßen normal läuft. Man muss Zeit geben, damit die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen wirken. Ich bin nicht in Dauerkrisenstimmung, ich sehe für die Stadt auch viele positive Entwicklungen.
Die da außerdem wären?
Wir bauen Bad Kissingen für jeden sichtbar um. Die Verschönerung der Innenstadt, der Bau des Garitzer Kreisels, das Bürgerhaus Krone, die Kita Poppenroth, die neue Interimskita mit der Theresienspitalstiftung, die Erweiterung der Sinnberggrundschule oder die Erneuerung unserer Straßen. Allerorts sind unsere Projekte auf einem guten Weg, das wird unserer Stadt einen modernen Akzent geben. Ich sehe die Nachfrage im touristischen Bereich, was das Kurareal anbelangt. Ich sehe, wie die Restaurants abends voller Menschen sind und dass wir einen frischen Kissinger Sommer erlebt haben. Wir sollten uns mental hier in Bad Kissingen nicht komplett abhängig machen von der Weltlage.
Was wünschen Sie sich von der Bundespolitik?
Ich bin froh, dass wir bei unseren Projekten gut vorwärts kommen, weil ich nicht weiß, wie die Zukunft aussieht. Mut zahlt sich aus. Auch wenn ich im Moment skeptisch bin, wenn neue Leistungsversprechen auf der Bundesebene gemacht werden. Als Kommunalpolitiker haben wir im Moment riesige Herausforderungen zu stemmen. Alleine schon die Ertüchtigung der Stromnetze, damit sie in der Lage sind, den notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien zu bewältigen. Aber auch den Bau von Glasfasernetzen, die ökologische Umgestaltung der Innenstädte, den Ausbau von Kitas und Schulen. Und ein Hallenbad wollen wir ja auch wieder. Das geht alles nicht zum Nulltarif.
Wird das Geld künftig reichen?
Das weiß ich nicht, bin aber deswegen so kritisch, wenn ich nur "höher, weiter, mehr" höre. Unsere Straßen und Brücken haben alle eine Nutzungsdauer. Viele sind ja in den 1950er-Jahren gebaut worden. Zwischenzeitlich haben wir die Nutzungsdauer immer weiter nach hinten gedrängt. Aber das endet nun mal technisch irgendwann. Bei uns geht es unter anderem um die Südbrücke. Ich warne die Bundesregierung vor weiteren Leistungsversprechen vor dem Hintergrund des Investitionsstaus, wenn ich Bürgermeister den Bürgern ständig erklären muss, dass wir Selbstverständlichkeiten schieben und Gebühren erhöhen müssen, weil ich nicht das notwendige Geld zur Verfügung habe. Die Kommunen brauchen künftig eher mehr als weniger - oder wir diskutieren, was wegfällt oder reduziert werden muss. Das gehört dann zur Ehrlichkeit dazu.
Da traut man sich kaum, nach zu Corona fragen. Starten die Schulen nach den Ferien mit Lüftern in den Klassenzimmern?
Tolles Beispiel! Vor kurzer Zeit war das die große Diskussion, heute interessiert es keinen mehr. Aber wir sind drangeblieben.
Wir haben die Lüfter aktuell ausgeschrieben und werden mit einem technischen Berater passende Geräte auswählen und beschaffen. Ich denke nach wie vor, dass es angesichts der hohen Unsicherheit der Entwicklung der pandemischen Lage die richtige Entscheidung war.
Das Interview führte Wolfgang Dünnebier